3. Kapitel - JIMMY

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Aufgeregt rannte ich im Jungenbau umher und dachte nach.

Wer wird mein Lehrender sein? Wird es ein Wolf oder eine Wölfin sein? Und - was ist mit meiner Schwester? Was ist, wenn Annie mit ihrem Platz im Rudel nie glücklich sein wird?

"Höre auf, so herum zulaufen, Jimmy. Wir werden doch nur zu Lehrlingen ernannt!", grummelte Annie genervt und rollte sich in ihrem Nest noch mehr zusammen.

Trauer machte sich in mir breit und ich blieb stehen. Ich wollte meine Schwester nicht leiden sehen, doch seitdem ihre beste Freundin Penny zur Beta-Wölfin geworden war, was ja eigentlich Annies Traum gewesen war, verschwand sie täglich aus dem Lager, manchmal alleine, oder auch mit Penny. Wenn ich nur wüsste, wo sie immer hingingen... Sehr legal wirkte das ganze für mich nicht.

Da ertönte auch schon die Stimme von Rollender Stein, dem Alpha des Rudels: "Möge sich das Rudel des rollenden Steins hier bei mir versammeln!"

Sofort lief ich nach draußen, Annie trottete schlechgelaunt hinter mir her. Wenn ich ihr nur irgendetwas aufmunterndes sagen könnte...

Als ich in die Mitte des Lagers zu rollender Stein trat, war schon fast das gesamte Rudel anwesend. Der Alpha zappelte unruhig, und Alise, die Beta-Wölfin, flüsterte ihm etwas beruhigendes ins Ohr.

Warum ist rollender Stein so nervös? Bei Lehrlingsernennungen ist er doch nie so!

Irritiert setzte ich mich zu meinem Freund Matthias, welcher mir leise viel Glück wünschte. Ich nickte ihm dankbar zu.

Nach einer gefühlten Ewigkeit begann der Alpha, zu sprechen: "Heute will ich erneut zwei Junge zu Lehrlingen ernennen: Jimmy und Annie."

Sein prüfender Blick legte sich auf mich und ich senkte den Kopf, um ihn nicht anstarren zu müssen.

"Beginnen wir mit Annie."

Angt machte sich in mir breit, und ich hoffte, das der oder die Lehrende nett war.

"Annie, von nun an wird Viola dich lehren. Sie ist eine edle Wölfin und sie wird dir beibringen, wie man unsere Gesetze befolgt. Ich bin mir sicher, das du gut ausgebildet werden wirst."

Das Rudel begann zu jubeln und ich seufzte erleichtert auf. Viola war eine gute Freundin von unserer Mutter Amelie und sie war immer freundlich gewesen.

Ich warf Annie einen unauffälligen Blick zu, doch ihr Gesicht war verschlossen und sagte selbst mir nichts. Wenn sie es nicht wollte, wusste niemand, was in ihr vorging. Mit einem Seufzen wandte ich mich wieder unserem Alpha zu.

"Dann hätten wir noch Jimmy. Ich habe das Gefühl, unser Rudel braucht wieder Nachfolger für die wichtigeren Rollen. Alise hat bereits jemanden, ich werde bald einen haben. Das Rudel der ewigen Jagd sagte mir, ich soll ihn ernennen, also: Jimmy, von nun an werde ich dein Lehrender sein. Ich werde dir beibringen, wie man ein Rudel anführt, und nach meinem Tod wirst du der Alpha sein. Willst du diese Ehre annehmen?"

Erschrocken wich ich zurück. Ich? Ein Alpha? Dabei wollte ich doch immer nur meinem Rudel dienen, dabei war mir aber nie in den Sinn gekommen, es anzuführen!

Trotzdem... Ich war mir sicher, das es mir Spaß machen würde, die Aufgaben von Rollender Stein zu übernehmen. Also nickte ich ehrfürchtig und murmelte: "Ja, wenn es das Rudel der ewigen Jagd so will..."

Die Miene von Rollender Stein erhellte sich und er bellte über die Menge: "Begrüßt die beiden neuen Lehrlinge!"

Laute Jubelschreie gellten durch die Menge, die Wölfe fielen über mich her und fragten mich aus. Nur Annie blieb ernst und starrte mich aus der Ferne an. Als sie bemerkte, das ich sie ansah, begannen ihre Augen, mich liebevoll anzuleuchten, was ein warmes Kribbeln in meinem Magen auslöste.

Da kam der Alpha des Rudels schon auf mich zu und erklärte mir: "Wir beginnen gleich jetzt mit dem Training. Ich muss dir noch viel beibringen, bevor ich sterbe, ich hoffe nur, du merkst dir alles!" Bei diesen Worten zwinkerte er mir zu.

Ich hätte mir nie gedacht, das Rollender Stein mir einmal so sympathisch sein wird!

******

"Du musst die Grenzen erkennen; bestrafe deine Gefährten nur, wenn es wirkich nötig ist. Je nachdem, wie stark ihr Verstoß ist, musst du beurteilen, welche Strafe du ihnen gibst. Nehmen wir ein Beispiel: Irgendein Wolf betrügt das Rudel, indem er sich mit anderen Wölfen verbindet. Was tust du?", fragte mich Rollender Stein.

Nachdenklich setzte ich mich.

Die Sonne ging vor dem Bau des Anführers bereits und ich konnte die ersten Sterne glitzern sehen. Der Himmel hatte einen wunderschönen orangen Ton, der toll zu den silbernen Sternen passte.

Mit einem letzten Blick zur untergehenden Sonne meinte ich: "Ich würde den Wolf - angenommen, er heißt Jake - gefangen nehmen, mit Bewachung, damit er keine Informationen über uns weitergeben kann. Danach würde ich mit allen Mitteln versuchen, wichtige Infos über unseren vermeintlichen Feind aus ihm herauszuquetschen."

Erstaunt sah mich der Alpha des Rudels an, ich erkannte auch einen Funken Zuneigung mir gegenüber.

"Das ist richtig! Du lernst schnell, schon an deinem ersten Tag weißt du mehr als ich nach drei!", er hielt kurz inne und sah zum Himmel, "für heute will ich aber aufhören, es ist schon spät. Iss noch etwas mit deiner Schwester Annie und gehe dann schlafen - dein Nest ist hier, in meinem Bau."

Dankbar nickte ich Rollender Stein zu und stürmte dann hinaus zum Beutehaufen. Gerade zum richtigen Moment, dort ließ sich nämlich gerade Annie mit einer Wühlmaus nieder.

"Hey, Ann! Wie war dein Tag?", rief ich meiner Schwester zu und setzte mich mit einer kleinen Wachtel neben sie.

Sie sah von ihrer Beute auf und rückte etwas näher zu mir, dann erzählte Annie mir traurig: "Ich war richtig schlecht! Viola hat mir die einfachsten Kampftechniken gezeigt, die man als Lehrling lernt, aber ich habe total versagt! Aber sowas macht doch auch keinen Spaß! Warum interessiert das überhaupt jemanden?" Verzweiflung lag in ihrem Blick.

Vielleicht ist sie wirklich nicht dazu bestimmt, eine Gamma-Wölfin zu werden...

"Du bist bestimmt woanders besser", tröstete ich sie.

Meine innere Stimme meldete sich: Ja, und zwar beim Heilen. Zufrieden, Jimmy?

Mit einem leisen Seufzer schlang ich meine Wachtel hinunter und stand auf.

Annie sah verwundert zu mir hinauf und fragte: "Gehst du schon, Jimmy?" Mitten in der Bewegung stoppte ich.

"Ja, Rollender Stein wartet bestimmt schon auf mich. Schlaf gut, Ann", anwortete ich und gähnte gleich darauf müde auf.

Meine Schwester schnaubte belustigt auf und wünschte mir ebenso eine gute Nacht, dann ging auch sie in den Bau der Lehrlinge, während ich zurück zur Höhle des Alphas lief.

Wie vermutet, wartete der Anführer bereits auf mich, und als er mich sah, murmelte er mir zu: "Gehen wir schlafen. Sonst falle ich noch im Stehen um!" Rollender Stein zwinkterte mir erschöpft zu.

Ebenso müde nickte ich und fiel gleich darauf in meinem Nest in einen tiefen Schlaf.

WOLVES: Der Anfang von etwas Großem (Band 1)Where stories live. Discover now