5. Kapitel - BENNI

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Im Wald war es unangenehm still, nur das Rascheln der grünen Blätter an den Bäumen verriet, das hier Lebewesen wohnten.

Ich hasste solche Orte. Sie erinnerten mich zu sehr an meinen Tod. Daran, wie Alise mich nicht einmal mehr angesehen hatte, als der Streuner mich statt ihr getötet hatte. Kein einfaches "Danke", nichts. Sie war einfach davongestürmt und hatte dem Rudel irgendwelche Lügen über meinen Tod erzählt - das schlimmste war aber, dass ich sie so sehr liebte, das ich es nie übers Herz gebracht hatte, sie bei Rollender Stein anzuschwärzen.

Endlich erreichte ich das Ende  des Waldes und ich atmete auf. Hier, auf de großen Wiese, würde ich mich wieder entspannen können.

Eine graue Wölfin mit roten Augen wartete bereits auf mich. Als ich bei ihr ankam, begrüßte sie mich ohne jegliche Gefühlsregung: "Da bist du ja, Benni. Wir müssen überlegen, welchen Wolf wir für dich heraussuchen."

Erfreut wedelte ich mit dem Schwanz. Endlich war es soweit. Endlich würde sie meine Rache zu spüren bekommen...

"Theresa, hast du irgendeine Idee?", fragte ich die Wölfin.

Ehrlicherweise fürchtete ich mich ein bisschen vor ihr. Seid ihrem Tod hatte Theresa jegliche Gefühle abgelegt und war ein kalter Wolf geworden. Das mochte ich nicht, früher war sie immer so sympathisch gewesen, eine meiner besten Freunde. Nun war nichts mehr von ihrem Charakter zurückgeblieben. Warum, wusste niemand.

Die Wölfin starrte mich an und antwortete dann: "Vielleicht sollten wir es mit ihm versuchen, ich glaube, Alise mag ihn."

Ein blasses Bild von Rollender Stein erschien in der Luft und verschwand augenblicklich wieder. Zurück blieb nur noch ein leicht farbiger Nebel. Theresa schnippte ihn mit ihrer Schwanzspitze weg und betrachtete mich prüfend. Es wirkte, als würde sie mir nicht trauen.

Nachdenklich nickte ich. Rollender Stein hatte auch viel Kontakt mit Alise, vermutlich hatte er ihr schon vorher gezeigt, das er sie sehr gerne mochte.

Und Alise spielt mit ihm, wie sie es bei mir getan hat... Aber ihre Spielchen werden mich nie wieder ablenken. Sie hat mich verraten, das darf ich niemals vergessen!

Wütend sträubte ich meinen Pelz und schon wieder wurde ich von dem Gefühl, verraten worden zu sein, bemächtigt. Ich konnte nichts dagegen tun. Jedes Mal verwandelte ich mich in einen grausamen Wolf. In diesem Zustand würde ich vermutlich töten. Alise töten.

Schnell schüttelte ich den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben. Schon wieder, wie so oft, versuchte ich, sie zu unterdrücken, doch sie waren stärker als meine Willenskraft.

Um mich zu beruhigen, schloss ich die Augenlider, doch sofort tauchten Bilder von einer blutenden, sterbenden Alise vor meinem inneren Auge auf. Auch ich war dort, in meinem Blick lag Genugtuung. Doch das schlimmste war - ich musste sie so zugerichtet haben, denn an meinen ausgefahrenen Krallen klebte Blut, doch mein Körper war nicht verletzt.

Erschrocken riss ich meine Augen wieder auf. Mein Atem ging schnell und flach. Zum ersten mal in meinem ganzen Leben hatte ich richtige Angst vor mir selbst.

"Gut. Beginnen wir. Wenn uns hier jemand findet, haben wir große Probleme, klar?", holte mich Theresas Stimme zurück in die Wirklichkeit.

Wie sie es mir vor kurzem erklärte, legte ich mich auf den Boden. Mein Magen rumorte vor Nervösität.

Meine Freundin fuhr ihre Krallen aus, welche in der Sonne gefährlich glitzerten. Sie hob eine ihrer Pfoten und zog sie mir hart und ohne jegliche Verschonung über die Schnauze.

Der Schmerz schoss durch meinen Körper und ich hätte aufgejault, wenn da nicht die Gefahr wäre, von anderen Wölfen aus dem Rudel der ewigen Jagd entdeckt zu werden.

Genau wie geplant tropfte mein Blut zu Boden, doch Theresa fing viel mit ihren Pfoten auf. Die rote, zähe Flüssigkeit zog sie dann in einem Halbkreis rund um mich herum. Ich schluckte.

Nun begann meine einstige beste Freundin, etwas vor sich hinzumurmeln. Jetzt war ich dran.

Einfach nur die Augen schließen... Sonst nichts...

Endlich tat ich, was ich tun sollte. Mit einem letzten Blick zu Theresa verschloss ich meine Augenlider.

Dann wurde ich in eine andere Welt katapultiert.

*****

Nervös sah ich mich in der Höhle, in welcher ich mich nun befand, um.

Rötliches Sonnenlicht drang durch die Flechten vor dem Eingang ein und ließ erahnen, das es bereits ein Abend war.

Langsam, noch etwas torkelnd vor Unsicherheit, spähte ich aus dem Vorhang.

Alles sah aus wie ich das Lager vom Rudel des rollenden Steins in Erinnerung hatte; in der Mitte der prahl gefüllte Beutehaufen, rund herum plaudernde Wölfe, in manchen Bauen schliefen bereits einige Rudelmitglieder.

Mir stockte der Atem, als Alise auf den Anführerbau, in welchem ich gerade stand, zukam. Ihre Schritte wirkten selbstsicher und ich war mir sicher, das so manche Wölfe ihr verträumt nachsahen.

Ehe ich nachdenken konnte, was ich zu ihr sagen sollte, betrat die Beta-Wölfin den Bau auch schon mit einem einladenden Blick.

"Hey Süßer, komm mit, wir fressen jetzt etwas", flüsterte sie mir ins Ohr und rieb ihren Pelz an meinen.

Wie verzaubert nickte ich und folgte meiner früheren Geliebten. Dagegen würde ich ankämpfen müssen.

Sie mag nicht dich, sie flirtet nur mit Rollender Stein!, ermahnte ich mich innerlich.

Als wir beim Beutehaufen ankamen, lotste Alise mich an einen freien Platz rund um die Beute. Ich setzte mich, mein Körper war versteinert und ich fühlte mich furchtbar ungelenk, als ich mir einen Spatz nehmen wollte.

Da warf mir die hübsche Wölfin auch schon einen warnenden Blick zu und murmelte mir leise, aber verärgert, ins Ohr: "Du weißt doch, das du erst nach mir Beute bekommst! Ich wollte diesen Spatz haben!"

Geschockt drehe ich meinen Kopf Richtung Alise. Hatte sie gerade ernsthaft behauptet, Rollender Stein würde immer erst nach ihr etwas zum Fressen aussuchen dürfen! Dabei war er doch der Alpha und sie nur die Beta-Wölfin!

Doch trotzdem gehorchte ich brav, schließlich sollte ich nicht auffliegen. Schlecht war nur, das ich nun wieder begann, Gefühle für die Wölfin zu entwickeln. Aber das würde nur meine gesamte Mission zerstören!

"Findest du deinen Lehrling nicht auch irgendwie komisch? Ich meine, Jimmy ist immer so aufgedreht!", meint Alise mit einem Blick zu einem kleinen, jungen Wolf, der neben einer anderen, fast goldigen, Wölfin stand. Das war Annie, die Auserwählte! Ich fragte mich, ob sie es wirklich schaffen würde, zur Beta-Wölfin zu werden.

Da bemerkte ich, das Rollender Steins Gefährtin schon wartend in meine Richtung sah. Schnell nickte ich und antworte gespielt genervt: "Ja, richtig. Es wird lange dauern, bis er ein guter Alpha sein kann!"

Was ich nicht einmal wissen konnte. Was war, wenn er eigentlich furchtbar freundlich und still war? Könnte es möglich sein, das Alise mich prüfte?

Zum Glück war die Beta-Wölfin mit meiner Antwort zufrieden.

"Ich gehe jetzt schlafen. Tu du das auch, Teddy." Mit diesen Worten stand die Wölfin auf und verschwand dann im Bau der Beta-Wölfe.

Teddy? Ich wusste, das dies der frühere Name von Rollender Stein war, doch ich fand es nicht sehr ehrend gegenüber einem Anführer, ihn bei seinem normalen Namen zu nennen.

Ich merkte, wie ich ihr nachstarrte, und senkte schnell den Blick. Ich fraß noch schnell meine Maus auf, welche ich vorher dann ausgewählt hatte, und lief dann auch zu meinem Bau.

Das war ein Tag... Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, bis ich Alise wieder vollends verfalle...

WOLVES: Der Anfang von etwas Großem (Band 1)Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon