Kapitel 40

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„Was ist Euer Begehr?"
Der Mann, der sehr seltsam gekleidet war, wirkte freundlich. Aber trotz der eher weibischen Kleidung konnte man erkennen, dass er jeden in die Flucht schlagen konnte, der seinem Herrn zu nahekam. Sein rotes Haar, dass wild zu allen Seiten abstand, erinnerte an ein Lagerfeuer, dass außer Kontrolle geraten war. Mitten in seinem Gesicht prangte eine Knollennase, die wohl schon mehr als einmal gebrochen war und ein zotteliger Bart, der ihm an die Brust reicht, zierte die untere Hälfte seines Kopfes.
„Du kennst mich, Haran. Mein Name ist Finn Kjartansson und ich möchte mit Sverre, deinem Herrn reden. Die Posse kannst du dir sparen."
Isa senkte den Kopf, wie Bendt, der neben ihr stand, geraten hatte. Obwohl es ihr in den Fingern juckte, die Nase dieses Kerls ein weiteres Mal zu brechen, weil er Zeit schindete,  blieb sie ruhig stehen und verschränkte sittsam ihre Finger ineinander.
Es herrschten andere Gebräuche am Hof des Königs. Vor allem, weil der Hof vorwiegend christlich war. Eine Frau hatte nicht mehr den Stellenwert, wie er vorher gewesen war, obwohl Isa nicht behaupten konnte, dass ihr Stellenwert der einer hohen Frau war, bevor sie Ando kennenlernte. Nun war sie beinahe ein Teil einer Familie, welche die Frauen sehr schätzten.


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Pauschal kann man nicht unbedingt sagen, dass sich die Stellung der Frau grundlegend mit der Christianisierung geändert hat. Ich erwähnte ja schon einige Male, dass eine Frau aus der Wikingerzeit mehr Rechte hatte, als Frauen in anderen europäischen Ländern. Sie konnten sich z.B. scheiden lassen oder auch Handel betreiben. Außerdem waren einige Kriegerinnen und führten auch Schlachten an, wie verschiedene Grabeinlagen beweisen. (z.B. aus dem Grab von Birka. www.wikinger-toplak.de/die-kriegerin-von-birka-eine-neubetrachtung)

Generell kann man aber sagen, dass im Christentum die Stellung der Frau unter der des Mannes war. (Blödes Wortspiel.) Er hatte über sie zu bestimmen und sie sollten fügsam und keusch sein. Außerdem durften sie keine öffentlichen Ämter oder Funktionen ausführen. Es waren also vollkommen gegensätzliche Einstellungen gegenüber einer Frau. So lehrte es eben die Kirche, aber ob sich alle Nordmänner und -frauen daran hielten, halte ich mal für seeeeeehr fragwürdig.
Allerdings sahen Frauen von niedriger Stellung im christlichen Glauben auch die Möglichkeit, sich der Gewalt der Männer zu entziehen und sie hofften auf ein besseres Los im Jenseits, denn es durften ja nur Krieger und Kriegerinnen, die während einer Schlacht starben, nach Walhalla. Als eine Magd war das also ein Ding der Unmöglichkeit und deshalb war für solche Frauen das Christentum auch sehr interessant.
Jetzt wurde es doch etwas mehr, aber egal. Ich freue mich immer, wenn ich euch darüber etwas erzählen kann.
Quellen: wikingerzeit.net
die-wikinger-taverne.com
miss-jones.de
welt.de

Zeitschrift: Spektrum Geschichte: Wikingerinnen
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Haran schnalzte mir der Zunge.
„Natürlich kenne ich dich, Finn Kjartansson. Aber hier muss ich ein bestimmtes Protokoll einhalten, auch wenn du das als eine Posse ansiehst."
Er seufzte.
„Seit der König dahin siecht, ist Sverre nicht mehr so frei, wie er es gerne sein möchte. Er muss sich an jede Vorschrift halten, auch wenn sie noch so unsinnig erscheint. Fehler seinerseits werden genau beobachtet und gegen ihn verwendet."
Finn lächelte den Mann an.
„Darüber könnten wir diskutieren, bis uns das Fleisch vom Körper abfault. Dennoch hoffe ich, dass ich mit Sverre kurz reden könnte. Wir suchen meinen Bruder und dein Herr ist der Einzige, der uns bei der Suche helfen kann."
Haran neigte den Kopf etwas zur Seite.
„Und die Frau? Will sie Sverre auch darüber befragen, wo du deinen Bruder finden könntest? Oder ist sie wegen eines anderen Anliegens hier?"
Finn schnaubte.
„Unterstelle mir nicht etwas, was ich nie wagen würde. Das ist kein Mädchen, dass Sverres Lager wärmen soll. Sie wird niemandes Lager hier wärmen. Ando würde dir den Kopf abhacken, wenn du nur einen kurzen Moment daran denken würdest, denn sie ist seine Braut."
Haran riss die Augen auf.
„Andos Braut? Der Wolfskrieger ist verschwunden? Oder ist er tot?"
Finn schüttelte den Kopf und seufzte dann ungeduldig.
„Wir haben uns doch immer verstanden, Haran. Verlangst du nun wirklich von mir, dass ich dir alles erzähle und mich später wiederholen muss? Wenn ich es Sverre erzähle, stehst du doch neben ihn. Du vergeudest kostbare Zeit, Mann."
Finn wurde immer energischer, was auch Haran nicht entging. Er zuckte bei jedem Wort des letzten Satzes zusammen.
„Es liegt mir fern, Eure Zeit zu stehlen, Jarl Kjartansson. Mein Herr ist aber noch im Gespräch mit seinem Vater. Wenn Ihr es wünscht, werde ich Euch und Euren Begleitern einen kleinen Imbiss zukommen lassen."
Haran machte eine ausladende Geste mit seinen Händen und Finn nickte zufrieden, dass der Leibdiener des Thronfolgers ihn nun endlich mit dem Respekt behandelte, der ihm zustand.
Sie wurden nun in einen Raum geführt, der sehr klein war, aber Isa kannte sich nicht aus, was Burgen anging.
Seit sie Finns Boot verlassen hatte, war ihr der Mund vor Staunen aufgestanden. Zuerst hatten sie alle ein Badehaus aufgesucht, denn niemand wollte stinkend vor Sverre stehen.
Die Mägde, sie sich Isa angenommen hatten, leisteten ganze Arbeit, denn als Isa ihr Spiegelbild in einer blankpolierten Kupferplatte sah, konnte sie sich kaum wiedererkennen. Ihr Haar war kunstvoll geflochten worden und floss nun in weichen Wellen über ihren Rücken.
Das Kleid, dass ihr ein Händler brachte, betonte ihre Rundungen, die sie dank des guten Essens wieder hatte.
Die rauen Hände waren mit einer Salbe behandelt worden, so dass man ihnen die harte Arbeit nicht mehr so sehr ansah.
Als sie aus dem Badehaus trat, nickte Bendt anerkennend und meinte, sie würde nun wie die Frauen von Adel aussehen. Das glaubte Isa nun nicht unbedingt, aber sie fühlte sich wirklich schön und bedauerte es, dass Ando sie so nicht zu sehen bekam.
Nun saß sie neben Finn am Tisch und betrachtete die Männer und Frauen, die sich um ihr Wohl kümmerten. Die Platten und Teller bogen sich beinahe unter dem Gewicht des Essens, das aufgetischt wurde.
Haran beobachtete alles genau und zischte ab und zu einen scharfen Befehl, wenn etwas nicht zu seiner Zufriedenheit erledigt wurde.
Isa knetete nervös ihre Hände. Sie wollte nichts essen. Sie wollte endlich wissen, wo man Ando hingebracht hatte. Der Gedanke daran, dass er vielleicht sogar schon hier war, ließ ihr Herz stärker in ihrer Brust schlagen. Dennoch war die Hoffnung darauf klein, denn wenn der Leibdiener des Thronfolgers sollte ja wissen, ob Ando hier war.
„Werden wir lange warten müssen, bis der Thronfolger kommt?", fragte sie Finn, der mit seinen Schultern zuckte.
„Ich weiß es nicht, Isa. Wenn er bei seinem Vater ist, kann man nie voraussagen, wie lange es geht. Sigurd siecht schon eine ganze Weile vor sich hin, doch es gibt Männer, die sich schon seit Jahren Hoffnung auf mehr machen und nun die Möglichkeit dazu sehen, sich noch beliebter beim König zu machen."
Sie sah ihn fragend an.
„Mehr?"
Finn nickte.
„Mehr Vermögen. Mehr Land. Einen größeren Titel. Sie verstehen nicht, dass sie kaum Einfluss auf Sigurd haben. Dieses Privileg haben nur wenige Männer, aber Sverre muss sich gegen sie wehren. Wenn er König ist, wird er aufräumen, doch bis dahin wird er andere Schlachten schlagen müssen, als die auf dem Feld."
Sie tippte sich an ihre Stirn.
„Ich verstehe. Er muss im Moment noch so handeln, um jeden zufrieden zu stellen. Oder zu täuschen. Je nachdem, was sinnvoll erscheint. Sobald er König wird, sollte es anders aussehen."
Er grinste sie an.
„Du bist klug und vorausschauend, Isa. Ich behalte dich lieber im Auge, so lange wir auf der Königsburg weilen. Nicht, dass ein unverheirateter Jarl dich entführt."
Sie starrte ihn entsetzt an.
„Das wird man doch nicht wagen?"
Bendt, der bisher ruhig geblieben war, lehnte sich zurück.
„Du hast keine Ahnung, was man hier alles macht, um aufzusteigen. Und wenn sich ein Mann mit einer klugen und schönen Frau an seiner Seite schmücken kann, wird er es tun. Entführungen sind zwar nicht mehr üblich, aber wer sagt denn, dass es nicht jederzeit geschehen kann."
Sie hob ihren Arm und zeigte auf das Band, dass sie mit Ando verband.
„Ich bin deinem Bruder versprochen."
Bendt lachte.
„Einem Ulfhednar, von dem man nicht weiß, ob er noch lebt. Verzeih, wenn ich so unverblümt bin, aber es ist nun mal wahr. Ando ist nicht von Adel und auch wenn er zu den Elitekriegern des Königs gehört, ist er eben nicht mehr. Deswegen müssen wir aufpassen, es sei denn, du findest einen Mann, den du Ando vorziehst."
Sie schnaubte wütend.
„Das werde ich nicht. Ich habe den Weg nicht auf mich genommen, um einen anderen Mann zu finden. Ich will zu Ando und befürchte, dass er noch verletzt ist, denn sonst wäre er schon längst bei mir."
Bendt seufzte, während Finn ihm einen bösen Blick zuwarf.
„Wir werden ihn finden, Isa. Das verspreche ich dir."



Es klopfte an der Tür seines Gemaches und Ando hob den Kopf, nachdem er ein herrisches Herein ausgestoßen hatte.
Die Tür öffnete sich und ein Mönch trat ins Gemach ein. Er blieb vor Ando stehen und neigte den Kopf.
„Ich grüße Euch, Thore Mortensson."
Ando hob seine Hand. Eigentlich mochte er nicht mit dem Mönch sprechen, doch Morten, sein leiblicher Vater, verlangte von ihm, dass er lernte, Schriften und Karten zu lesen. Das war anstrengend, aber er tat es in der Hoffnung, dass man bald Isa zu ihm schicken würde. Dennoch war er froh um die Abwechslung.
Er stand selbst auf und übte sich den dieser höfischen Verbeugung, die hier Gang und gebe war.
„Ich bin an den Namen, der mir mein Vater gab, noch nicht gewöhnt. Ich würde bevorzugen, wenn du mich Ando nennst."
Der Mönch lächelte.
„Das werde ich tun, mein Herr Ando. Nennt mich Anselm. Ich weiß, dass ihr nicht viel von Mönchen haltet, aber ich hoffe, ich kann Eure Meinung mir gegenüber revidieren."
Ando zuckte mit den Schultern.
„So lange ihr mich nicht bekehren wollt?"
Anselm lachte.
„Mitnichten. Ich bin ein schlechter Vertreter des christlichen Glaubens, denn ich bezeichne mich lieber als Mann des Wissens."
Ando nickte.
„Was bestimmt nicht falsch ist. Ich bin eher ein Mann der Tat. Zumindest dachte ich das bisher."
Er zeigte schnaubend auf die Schriftstücke, die man ihm zum Üben gegeben hatte. Der Mönch hob fragend sein Kinn und als Ando ihm zunickte, betrachtete er die Karten und Schriften.
„Das ist nicht schwierig. Ich kann dem Sohn des Fürsten dabei helfen, alles zu verstehen."
Ando tat sich schwer damit, sich als Sohn des Fürsten zu sehen. Er musste zwar zugeben, dass er Morten wirklich ähnlich sah, aber die Geschichte, die wohl seine eigene war, klang so unglaublich, dass er sich erst einmal fragte, ob sie wirklich wahr sein sollte.
„Kennt ihr die Frau, die mich geboren hat?", fragte er den Mönch nach einer Weile.
Dieser setzte sich auf einen Hocker und verzog etwas das Gesicht.
„Ja, ich kenne die hohe Frau."
Ando setzte sich auf seinen Stuhl und lehnte sich gegen die Wand.
„Ich höre ein Aber."
Der Mönch seufzte erneut.
„Sie ist zwar die Frau des Fürsten, aber sie ist nicht sehr beliebt."
Er hob beide Hände in die Höhe, als ob er sich verteidigen wollte.
„Versteht mich nicht falsch, mein Herr. Ich weiß, dass die Fürstin Eure Mutter ist, aber..."
Ando unterbrach den Mönch rüde.
„Sie ist nicht meine Mutter. Meine Mutter ist die Frau von Kjartan Einarsson. Und davor war es wohl Diljia Thoresdottir, die mich wie ihr eigenes Kind aufzog."
Der Mönch lächelte leicht.
„Wenn das Eure Ansicht ist, wird es das Leben der hohen Frau Diljia erheblich erleichtern."
Ando runzelte die Stirn.
„Das verstehe ich nicht wirklich."
Der Mönch beugte sich nach vorne.
„Darf ich offen sprechen? Und auch vertraulich?"
Ando nickte.
„Ich bitte darum."
„Gut. Wie ihr wahrscheinlich schon erfahren habt, gilt Diljia nur als Geliebte. Ein Problem, dass immer dann von Gundis ausgenutzt wird, sobald mein Herr Morten die Burg verlässt. Ich habe die Narben gesehen, die Diljia immer geschickt vor Morten versteckt. Gundis prügelt sie, sobald Morten unterwegs ist. Sie beschimpft Diljia, führt sich auf wie eine Furie und quält auch die Dienerschaft. Sobald Morten wieder heimkehrt, verschwindet sie wieder in ihren Räumen und gibt sich als Opfer. Aber es ist nicht nur das. Diljia darf in der Öffentlichkeit nie neben Morten sitzen, geschweige denn, neben ihn gehen. In der Kapelle sitzt sie hinten bei den Mägden, weil sie als Geliebte nicht erwünscht ist und Gundis weiß das. Sie verspottet Diljia immer und setzt sie herab. Dabei weiß jeder, dass Diljia den Titel als Fürstin zusteht und nicht Gundis. Wenn Gundis nun mit Euch konfrontiert wird und sie zugeben muss, dass ihr eben von ihr selbst entfernt wurdet, wird der Bischof sich nicht mehr gegen eine Scheidung sperren können. Der Herr wird endlich die Frau heiraten können, die er schon seit langem liebt."
Ando nickte.
„Nur deswegen bin ich noch hier. Ich kenne meinen leiblichen Vater nicht, dennoch mag ich die hohe Frau Diljia. Und ich wünsche ihr alles Glück dieser Welt. Aber ich muss zugeben, dass ich meine Braut vermisse, und deswegen werde ich, sobald man Gundis aus der Burg getrieben hat, in meine Heimat zurückkehren."
Der Mönch starrte ihn skeptisch an.
„Nun, so einfach wird das nicht gehen, befürchte ich. Aber das solltet ihr mit Eurem Vater besprechen."


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