Unter dem Schloss

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Kapitel 132

Ducan

Ich war seit Ewigkeiten nicht mehr in den Katakomben unter dem Schloss gewesen und hätte nie gedacht, es einmal aus diesem Grund tun zu müssen.

Als man so verzweifelt diesen Palast in die Höhe hatte bauen wollen, war es wichtig gewesen, den dafür benötigten Stein nicht erst aus den Bergen brechen zu müssen, also hatte man fast zeitgleich mit dem Bau dieser unterirdischen Anlagen begonnen, die in ihrer Komplexität dem weitläufigen Konstrukt von Gängen im Schloss um nichts nach standen. Den Stein, denn man dort hier unten den Dauerfrostboden abgenötigt hatte, hatte man für den Bau des Komplexes über der Erde benutzt und so war eines der ersten fertiggestellten Teile des Palastes diese alte Kultstätte der Götter gewesen, denen man hier einen unterirdischen Tempel gewidmet hatte. Einen Tempel, der längst versiegelt worden war, denn eine Erschütterung des Vorhanges der uns von den Göttern und auch vor der Finsternis trennte, konnte Kreaturen in unsere Welt rufen, die ein normaler Magier nicht gewachsen war.

"Ich habe mich ausführlich mit den Erläuterungen der Anhänger der Mondgöttin beschäftigt, die man euch zugetragen hat und ich muss gestehen, dass sie wohl recht haben. Die alten Gebetsstätten waren stets an Orten erbaut worden, wo der Schleier dünner ist. Sie versprachen sich davon mehr Kontakt mit den Göttern, aber es war auch gefährlich, wie man an den Infektionen dieser abtrünnigen Magier sehen kann. Deswegen beschloss die Zitadelle, diese Stätten zu schließen und zu segnen. Zum Schutz der Gläubigen und auch der Magier. Ich muss euch dringend davor warnen, hier unten die Götter anzurufen", meinte Eugen neben mir.

Ich hatte ihn gebeten, mit mir zu kommen, denn so mächtig ich auch war. Ich würde in dieser alten Bücherei, die an der alten Kultstätte anknüpfte, nicht so schnell das finden, was ich wollte. Eugen aber war ein Lehrmeister der Zitadelle und er kümmerte sich um diesen alten Ort, auch wenn er bis vor kurzen nicht gewusst hatte, warum dieser alte Tempel unter den verließen, nicht mehr benutzt wurde. Es schien, als hätte die Zitadelle es schlicht vergessen. Aus den Augen, aus dem Sinn.

"Solange diese Schriften euch nicht zu sehr aufstoßen, könnt Ihr bei mir bleiben und sichergehen, dass ich nichts tue, was den Schleier noch dünner werden lassen könnte", meinte ich und mein Berater schnaufte.

"Ich gebe zu, diese alten Geschichten haben mich schon immer fasziniert, aber ich hielt mich offiziell immer an das Gebot der Zitadelle, sie nicht zu studieren. Selbst als mir die Verantwortung für die Bibliothek hier unten aufgetragen wurde."

"Offiziell.", betonte ich und blickte zu ihm. Eugen zuckte mit den Schultern.

"Sich um diese Schriften zu kümmern beinhaltet, sie auch zu Pflegen und vor dem Verfall zu bewahren, da ist es manchmal unvermeidlich sie zu lesen. Ehrlich gesagt, verstehe ich den Aufruhr darum nicht. Es sind nette Geschichten und Legenden. Ich verstehe nicht, warum sie aus dem Kanon verschwunden sind. Sie schaden niemanden. Bekommt man an einigen Stellen den Gedanken, dass auch unsere Götter launisch und unfair sein können? Ja. Aber das wissen alle Zitadellen-Anhänger ohnehin und wenn sie so etwas hätten ausradieren wollen, verstehe ich nicht, warum wir sie nur für die Öffentlichkeit unzugänglich machen sollen. Sie einfach zu vernichten, wäre auf jeden Fall nachhaltiger gewesen", meinte er und ich erwischte mich dabei, es ebenfalls merkwürdig zu finden, doch ich nickte lediglich.

Schon seltsam.

Nachdem wir das offizielle Kellergewölbe durchschritten hatten und die Etage der alten Kultstätte betraten, spürte ich sofort den Pickeln auf meinen Armen.

Es fühlte sich wie ein leichter Hauch von Magie an, der an diesem Ort über einen hinwegfegte wie ein kühler Wind. Etwas Ähnliches hatte ich auch bereits irgendwie bei diesen abtrünnigen Magiern bemerkt hatte.

Wenn Eugen es ebenfalls spürte, sagte er allerdings nichts und als der einzelne Soldat, der das alte Holztor bewachte, mir Platz machte, drückte ich das Türblatt auf.

Die alten Scharniere gaben lautstark nach und das Metall knirschte so unwirsch, als würde es sich sträuben wollen, den Blick auf das Heiligtum dahinter freizugeben. Darüber dafür befand sich das Segnungs-Symbol, das bei der Versiegelung benutzt wurde. Es leuchtete kurz auf, so wie immer ,wenn man diesen Ort betrat, aber mehr tat es nicht.

Es war nie dafür gedacht gewesen, jemanden davon abzuhalten, diese Städte zu betreten, sie sollte lediglich verhindern, dass hinauskam, was sich eventuell dort bildete.

Als wir den unspektakulären, runden Kuppelraum dann betraten, war das Prickeln verschwunden. Und mit ihr jedes andre Gefühl von Magie, sodass ich mir fast wie betäubt vorkam. Jetzt wusste ich wieder, warum ich so selten hier unten war.

"Als würde man die Luft nicht atmen können", grummelte Eugen und besaß sich die schmucklosen, aus dem Stein gehauenen, groben Wände. In der Mitte stand ein kleiner Altar mit einer gusseisernen Statuette, dass das Symbol der Götter in sich trug, rundherum befanden sich Reihen von Holzbänken, die auch seit langen nicht mehr restauriert worden waren.

"Fühlen sich alle versiegelten alte Städten so an?", frage ich und Eugen sah sich weiter um.

"Ich denke schon. Der Segen sorgt dafür, dass der Vorhang zu den Göttern besonders dick ist, fast schwerfällig und Zeh. Vielleicht würde es einfach gar nichts bezwecken, wenn man hier betet. Vielleicht in meine Sorge übertrieben", meinte Eugen, aber ich winkte ab.

Ich würde kein Risiko eingehen, zudem war ich sowieso nicht der treueste Gläubige der Götter, egal wie gesegnet ich von ihnen bin.

"Dort hinten ist der Eingang zur Bibliothek, Hoheit. Seid Ihr sicher, dass das Buch eures Vaters hier sein muss?", fragte er und ich nickte.

Ich hatte Eugen von der alten Geschichte erzählt. Zu meinem Erstaunen war er nicht abgeneigt vor ihr gewesen und ich fragte mich ernsthaft, ob diese Geheimhaltung all die Jahre wirklich notwendig gewesen war. Natürlich hatte Eugen wenig für Aberglauben übrig, allerdings war ich auch kein Kind mehr, dass sich davon beeinflussen ließ. Ich war im Glauben der Götter erzogen worden und war zwar nicht ihr treuester Anhänger, aber einer der Mächtigsten. Vielleicht war Eugen deshalb so wenig schockiert davon, als ich ihm erzählte, welche Geschichten mein Vater mir als Kind erzählt hatte. Offenbar hatte es mich nicht zum Ketzer gemacht.

Alles, was ich mir hiervon erhoffte war, eine schriftliche Bestätigung dieser alten Geschichte. Und in Anbetracht von Cedrics ständigem erscheinen, den Worten der Anhänger der Mondgöttin, deren Namen Lilyanna trug, waren diese der Beste Anhaltspunkt. Das sah auch Eugen ein.

Wir brauchten Antworten auf das, was hier vor sich ging. Ich hatte das ständige Gefühl, etwas zu übersehen. Etwas Größeres, Ganzes.

Für einen Moment zuckte ich zusammen als mich ein Schlag durchfuhr und drehte mich um. Eine Schockwelle in meinen Inneren, die nicht mit dem hier drinnen zu tun hatte, sondern von etwas anderem kam. Ich konnte aber nicht ausmachen, was. Hier drinnen war alles gedämpfter.

"Hoheit?", fragte Eugen und ich nickte.

"Ja. Ich komme. Lass uns dieses Buch, mit dieser Geschichte suchen.

 Lass uns dieses Buch, mit dieser Geschichte suchen

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Chroniken der Winterlande Band 1 & 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt