WAR'S DAS JETZT?

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*Wincent*
Ich wusste einfach nicht mehr weiter. Ich wollte Ann eigentlich niemals wehtun, aber jetzt gab es keine andere Möglichkeit. Es war wirklich besser so. Oder doch nicht? Ich sah kurz zu Ann, aber der Schmerz in ihren Augen, brach mir fast das Herz. Also der Rest, der noch vorhanden war.
"Ich glaube, du solltest langsam los. Anna und Amelie warten auch schon auf mich. Die Tour plant sich leider nicht von alleine", sagte ich und ich wusste sofort, dass der Streit damit noch lange nicht beendet war.
"Ernsthaft jetzt?!" Ann sah mich verblüfft an.
"Bitte. Ich will das jetzt nicht ausdiskutieren."
"Ich aber vielleicht."
"Ann... Es wird nichts ändern."
"Du bist so ein Dickschädel. Nur damit du es weißt: Ich habe gesagt, dass du mich nicht so schnell los wirst und das meine ich auch. Ich liebe dich und werde nie jemand anderen so lieben. Ich will nur, dass du das weißt."
Sie sah mich nicht noch einmal an, sondern stieg aus dem Auto aus. Die Tür knallte zu und ich sah ihr nach, wie sie im Gebäude verschwand, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Der Druck in meiner Brust ließ leider nicht nach. Reiß dich jetzt zusammen!, ermahnte ich mich selbst und startete den Motor.
Spotify sprang an und begrüßte mich mit harten Metal-Klängen. Genau das, was ich jetzt brauchte. Bis zum Meeting bezüglich der verschobenen Vielleicht Irgendwann-Tour war erst in anderthalb Stunden. Also beschloss ich, ein wenig den Kopf frei zu bekommen. Ich fuhr geradewegs Richtung Autobahn und drückte das Gaspedal ordentlich durch.
Die Musik wurde mitten im Song unterbrochen und ‚Shay ❤️ ruft an' stand auf der Anzeige. Ich drosselte das Tempo und nahm den Anruf an.
"Moin Shay. Na, wie geht's? Was verschafft mir die Ehre?", fragte ich.
"Geht's dir eigentlich noch ganz gut? Ich dachte, du hättest es endlich mal geschafft. Wie blöd bist du denn? Menschen, die man liebt, kann man doch nicht so vor den Kopf stoßen. Und Ann schon gar nicht. Ich will euch gefälligst in alt und grau wie frisch verliebt auf einer Bank sitzen sehen, um euch herum spielende Enkelkinder. Wieso machst du denn solchen Scheiß? Du kannst doch gar nicht ohne sie leben. Was erhoffst du dir? Es wird niemals besser werden. Du wirst Ann nie vergessen können und den Rest deines Lebens unglücklich sein. Genau wie sie. Willst du ernsthaft alles wegwerfen, um den Rest deines Lebens gebrochen zu sein? Noch einmal wird dein Herz nämlich nicht heilen. Und ich will meinen Bruder niemals wieder so sehen!"
Sprachlos saß ich im Auto und versuchte, die Tränen zu unterdrücken.
"Bist du noch da?", fragte Shay.
"Ja", brachte ich gerade so heraus.
"Wo bist du denn? Im Auto?"
"Ja."
"Wo willst du hin?"
"Nirgendwo. Musste nur mal raus aus der Stadt. Hab aber gleich ein Meeting in Berlin."
"Okay. Aber du musst mit Ann reden. Du liebst sie doch."
"Natürlich liebe ich sie. Mehr als alles andere auf der Welt. Sie gehört zu meiner Familie", antwortete ich und bekam wieder einen Kloß im Hals. Ich hatte alles versaut.
"Dann mach etwas daraus."
Wann war Shayenne denn so erwachsen geworden? Sie war doch meine kleine Schwester. Und plötzlich gab sie mir Beziehungstipps.

*Annemarie*
Der Arbeitstag war heute noch mehr Quälerei als sonst und ich konnte mich kaum konzentrieren. Das fiel auch Tobi auf, der mich bereits eine Stunde später zu einer Pause verdonnerte.
"Was ist denn los mit dir?", fragte er, als wir auf dem Parkplatz standen.
Frische Luft war einfach die beste Idee, denn ich hielt es drinnen kaum aus.
"Nichts." Ich wollte ihn nicht unnötig mit meinen Beziehungsproblemen belasten.
"Irgendwas ist doch los. Nun rück schon raus mit der Sprache."
"Nur ein bisschen Stress", gab ich zu.
"Mit deinem Freund?"
Ich erwiderte nichts.
"Vielleicht kann ich dir helfen."
"Ich komme klar", sagte ich etwas härter, als ich wollte. "Sorry", schob ich noch direkt hinterher.
"Schon okay. Weißt du, was mir an solchen Tagen immer hilft?"
"Was denn?"
"Ablenkung. Wie wäre es zum Beispiel hiermit..." Tobi nahm sein Handy aus der Tasche, tippte eine Weile drauf herum und begann vorzulesen.
Ein Anruf von Sven unterbrach uns und Tobi ging wieder ins Büro. Ich atmete noch einmal tief durch und sah im Augenwinkel kurz etwas, was meinen Atem stocken ließ. Hatte ich mir das jetzt eingebildet? Wenn nicht, warum war er hier?
Diesen Fragen konnte ich erst nach Feierabend auf den Grund gehen und so kehrte ich an meinen Schreibtisch zurück. Da meine Konzentration eh nicht vorhanden war, beschloss ich gegen 14 Uhr, einfach Feierabend zu machen.
Auf dem Parkplatz stehend fiel mir dann ein, dass ich gar kein Auto hatte. Deshalb nahm ich mein Handy heraus, scrollte zwischen zwei Kontakten hin und her und wählte schließlich.
"Hey Ann, wie kann ich helfen?"
"Mats, kannst du mich von Arbeit abholen?"
"Wieso? Ist was passiert?"
"Hab Feierabend."
"Jetzt schon?" Mein Mitbewohner klang echt überrascht.
"Ja. Bringt nichts, hier zu bleiben."
"Mhm. Gib mir zehn Minuten, okay?"
"Danke."
Mats legte auf und ich setzte mich einfach auf die Treppenstufen. Sollten die anderen doch blöd schauen. Mir war im Grunde sowieso schon alles egal heute, was nicht Wincents und meine Beziehung rettete. Bei den Gedanken an Wincent stiegen mir schon wieder Tränen in den Augen. Schnell schloss ich meine Augen und atmete tief durch. 15 Minuten später bog ein Auto viel zu schnell auf dem Parkplatz ab. Was ein Idiot. Das ist ein Krankenhaus, dachte ich mir. Als das Auto näher kam, wusste ich direkt, wer es war. Wincent. Was macht er denn hier? Und wo war Mats?
Ich öffnete die Beifahrertür. Wincent sah mich verbissen an.
"Einsteigen". pampte er mich bestimmend an.
"Du bist ja immer noch nicht besser drauf als heute morgen."
Er murmelte etwas in seinem nicht vorhandenen Bart. "Wenn du noch undeutlicher sprichst, verstehe ich es bestimmt."
"Ich wollte mich eigentlich entschuldigen, aber du scheinst ja ein neues Glück bereits gefunden zu haben", sprach er nun deutlicher.
"Ich habe was?", schrie ich ihn an.
"Dein neues Glück gefunden. Herzlichen Glückwunsch, Ann."  Der hatte sie doch nicht mehr alle!  Ungläubig schüttelte ich meinen Kopf.
"Das stimmt doch gar nicht."
"Ich weiß doch genau, was ich gesehen habe. Du hast gelacht. Du sahst glücklich aus." Daher wehte der Wind. Er war es doch, als ich mit Tobi heute Mittag draußen stand. "Wincent. Aussteigen. Wir klären das Hier und Jetzt." Ich war gerade dabei wieder auszusteigen, doch Wincent verriegelte die Türen und startete den Motor.
"Was soll das? Ich will das mit dir klären!"
"Ich auch. Aber nicht hier." Ich war gespannt, wo er nun hin fuhr, denn meine Wohnung lag in die andere Richtung. 20min später und einem endlosen Schweigen kamen wir auf einem kleinen Parkplatz an. Wir beide stiegen aus. Hier war ich noch nie. Ich hoffte er kannte sich aus. Und egal wie das hier ausgehen würde, ich hoffte er nahm mich wieder mit zurück.
Wincent steckte sich seine AirPods in die Ohren.
„Ach Mensch Wince, warum machst du uns das so schwer?", flüsterte ich. Ich wusste, er hörte mich nicht. Stumm gingen wir nebeneinander einen kleinen Berg hoch. Ich hatte eine Vermutung, wo er hin möchte, denn mittlerweile hatte ich meine Orientierung zurück. Hier war ich schon oft joggen. Nur kam ich von der anderen Seite. Wo er lang lief, war es steil und zum Teil richtig rutschig. Ich gab mir größte Mühe, nicht auszurutschen. Oben angekommen bewunderte ich die wunderschöne Aussicht. Von hier konnte man über die Stadt schauen. Wincent saß auf einer Bank. Er sah mich an und gab mir zu verstehen, dass ich kommen sollte. Ich atmete einmal tief durch und ging auf Wince zu. Jetzt kam wohl der Moment. Hop oder Top. Ich setzte mich mit etwas Sicherheitsabstand neben Wincent. Er hatte immer noch seine Kopfhörer drin. Vorsichtig drehte ich mich zu ihm hin.  War er wirklich soweit zu reden? Oder hat ihn Mats dazu gezwungen? Nach einer gefühlten Ewigkeit nahm er die Kopfhörer raus.
„Ann", hauchte er mir entgegen. Er klang gebrochen.
„Wince."
„Was ist zwischen uns nur passiert?"
„Ich weiß es nicht, aber was ich weiß, dass ich nicht mehr ohne dich leben kann. Das haben mir die letzten Stunden gezeigt."
„Aber du wirktest so glücklich heute Mittag. Ich dachte, du bist bereits über uns hinweg."
„Über uns würde ich niemals hinweg kommen. Tobi hat mir Flachwitze erzählt. Irgendwann musste ich halt lachen. Aber glücklich war ich nie. Ich vermisse dich. Wir brauchen uns doch."
„Aber du hast etwas viel besseres verdient, als mich."
„Ohne dich wäre ich nichts...."
„Das stimmt doch gar nicht Ann", unterbrach mich Wincent. „Du bist so eine starke, tolle Frau. Jeder Mann wäre froh dich zu haben. Ich kann dir gar nichts zurückgeben. Mit mir erlebst du nichts als Ärger."
„Wincent, lüg dich verdammt nochmal nicht ständig selber an. Wir brauchen uns. Ich brauche dich und du brauchst mich. Wir sind uns nicht immer einig, aber das muss auch gar nicht. Ich liebe es mit dir über mehr oder weniger sinnlose Dinge zu diskutieren. Wir geben uns gegenseitig den Halt, der der andere gerade verloren hat. Und guck mal, was wir in der Kürze der Zeit schon alles erlebt haben. Einige Paare erleben das nicht in 10 Jahren Beziehung und ich möchte kein Ereignis von diesen vermissen. Ich kann mir nicht vorstellen, irgendwann von dir getrennt zu sein. Wince ich weiß nicht, was ich sonst noch sagen soll, um dich zu überzeugen. Ich liebe dich und wenn dich das nicht überzeugt, tätowiere ich mir es gerne auf meine Stirn", sagte ich voller Verzweiflung. Wincent schien zu überlegen.
„Also heißt das du willst weiter mit mir zusammen sein?"
„Mich wirst du nicht los. Nie mehr. Zusammen schaffen wir alles. Wenn wir miteinander reden und ehrlich zueinander sind." Vorsichtig berührte er mich am Arm. Ein wohliger Schauer durchströmte meinen Körper. Wie sehr hatte ich das vermisst.
„Ich liebe dich Ann. Ich war so ein idiot. Danke das du so hartnäckig geblieben bist. Wenn ich nochmal in so etwas rein rutsche, dann knall mir bitte eine, so dass ich so schnell wie möglich wieder zur Besinnung komme, okay?", sprach Wincent liebevoll. Die letzten Worte bekam ich gar nicht mehr richtig mit. Ich war einfach glücklich.
„Ich bin angekommen bei dir und angekommen bei mir", flüsterte ich leise.
„Ohja, das bin ich auch. Danke für alles, Ann. Ich lass dich nicht mehr gehen. Vielleicht sollte ich mir genau das tätowieren, dann kann ich es mir immer wieder vor Augen halten, sollte ich es mal wieder vergessen."
„Ich will auch nie wieder gehen. Und nun küss mich endlich."
Wincent grinste über beide Ohren. „Nichts lieber als das."
Unsere Lippen knallten mit voller Sehnsucht und Verlangen aufeinander. Wie sehr hatte ich das vermisst. Nie würde ich von seinen Küssen genug bekommen. Umständlich setzte ich mich halb auf Wincents Schoß. Jeder Abstand war mir zu viel. Ich konnte und wollte ihn nie wieder hergeben.
"Wollen wir langsam wieder zurück?", fragte Wincent mich. Augenblicklich klammerte ich mich mehr an meinen Freund.
"Keine Angst, mein Schatz, ich renne nicht nochmal weg."
"Das will ich auch hoffen."
Ich stand auf und zog Wincent direkt mit.
"Diesmal lässt du mich aber nicht alleine nach unten gehen. Ich hatte schon Angst, hinzufallen."
"Sorry, ich musste meine Gedanken sortieren. Ich hatte Angst, dich bereits verloren zu haben."
Er reichte mir seine Hand und zusammen gingen wir wieder Richtung Parkplatz. Wir beide schwiegen. Es war eine angenehme Stille.
Endlich hatte ich meinen Wincent wieder. Zärtlich drückte ich seine Hand.
"Alles gut, mein Schatz?", fragte er mich.
"Ja, jetzt schon.", hauchte ich.
"Wollen wir ein bisschen Musik hören? Bevor wir gleich ins Auto steigen, muss ich glaube ich erst meine Gefühle wieder beruhigen, sonst bin ich so beflügelt, dass ich den nächsten Blitzer bestimmt übersehe", lachte Wince.
"Gerne. Nicht, dass ich mein Chauffeur verliere. Aber kein Metal, okay?"
"Dann such du aus." Er reichte mir sein Handy und einen Airpod. Kurz überlegte ich und entschied mich schließlich für One Direction. Kurz bevor wir am Auto ankamen, fing das nächste Lied an zu spielen. Ich blieb wie angewurzelt stehen und auch Wincent bewegte sich nicht mehr. Direkt stiegen mir Tränen in den Augen. Ich merkte, wie Wince mich von der Seite beobachtete. Langsam drehte ich mich zu ihm um. Er sah mir direkt in meine Augen.
Dachte er etwa genau das gleiche wie ich? Meine Hand lag immer noch in seiner. So standen wir auf einem Parkplatz mitten im Berliner Grunewald, gefesselt von einem Song, der uns direkt aus der Seele sprach.
"Jetzt verstehe ich die Texte erst so wirklich", sprach ich leise zu Wince, als das Lied zu Ende war. Ich nahm meinen Kopfhörer raus und Wincent tat es mir gleich. Wir brauchten keine weitere Musik.
Wincent zog mich zum nächsten Baum. Ich war wie in Trance. Als nächstes spürte ich, wie Wince mich hoch hob und gegen den Baum drückte. Ich umklammerte ihn an seiner Hüfte mit meinen Beinen. Meine Arme lagen locker über seine Schultern. Unsere Lippen fanden automatisch zueinander. Der Kuss war aufregend und unkontrolliert. Wincent biss mir immer wieder vorsichtig auf meine Lippen. Er entlockte mir damit ein Stöhnen. Er grinste in den Kuss hinein.  
"Nicht hier", war das einzigste, was ich nach einiger Zeit von Wincent vernahm. Zärtlich brachte er den Kuss zu Ende. Wir richteten unsere leicht verrutschten Klamotten und gingen wieder zum Auto zurück.
"Wince?" Ich nahm sein Gesicht vorsichtig in meine Hände, bevor ich weiter sprach. "Sie wissen zwar jetzt von uns, jedoch wissen sie rein gar nichts über uns. Und das wird so bleiben, das verspreche ich dir. Das ist unser Leben." Wincent nickte tapfer. Er brauchte nichts zu sagen. Sein Schluchzen und die darauf folgenden Tränen verrieten mir, dass er es nun auch endgültig verstanden hatte. Vorsichtig küsste ich seine Tränen weg, bevor wir ins Auto stiegen und nach Hause fuhren. Als Wincent und ich die Wohnung betraten, saß Mats sichtlich abwartend auf der Couch.
"Hey ihr beiden, wie ich sehe, lebt ihr noch und habt euch Gott sei Dank wieder vertragen Das hätte ich keine Sekunde länger ausgehalten. Wir hatten alle schon Angst, dass unsere kleine Überraschung für morgen ins Wasser fällt."
"Überraschung? Wir haben morgen doch frei", konterte mein Freund.
"Nicht ganz. Seit morgen um 7 Uhr abfahr bereit. Jogginghose reicht", lachte Mats.
"Okay", war das einzige Wort, welches Wince erwiderte.
"Wir stellen uns einen Wecker. Mats ich wünsche dir noch einen schönen Abend. Wince und ich gehen in mein Zimmer. Gute Nacht." Eilig zog ich Wincent hinter mir her.

*Mats*
»Alarmstufe Rot, Mayday Mayday. Hat jemand eine Bleibe für heute Nacht? @Franzi, deine Wohnung? @Wincent: Man kann euch hören. ICH WILL SCHLAFEN!«
»@Mats 1. Du glaubst doch nicht wirklich das Wincent das jetzt liest und 2. hast du etwa keine Oropax?«
»Nein. Also Franzi, bekomme ich deine Wohnung?«
»Denk dran, ab morgen bist du die beiden los...Das schaffst du. Und Toi toi toi.«
»@Franzi, danke für deine Mithilfe. Liebe ich. NICHT.«

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