Ich wollte nie erwachsen sein

81 5 0
                                    

*Wincent*
Auf eine Antwort musste ich nicht lange warten.
»Hey Schatz, ich bin unten am See. Ich komme gleich nach oben.«
Ich atmete durch. Schnell zog ich mir den erstbesten Hoodie und eine Hose an, strubelte nochmal schnell durch meine Haare, schlüpfte in meine Schuhe, nahm die Zimmerkarte und ging nach unten. Im Hotel war es noch ziemlich ruhig. Kein Wunder, es war ja auch erst kurz vor 7 Uhr. Schnellen Schrittes ging ich zum See. Vom weiten sah ich schon den Steg. Annemarie saß an der Kante und sah auf das Wasser hinaus. Die Sonne funkelte das Wasser an. Ein leichter Wind ging durch Annemaries Haare. Es sah einfach zu schön aus, wie sie da saß. Unbemerkt schoss ich ein Foto von meiner Freundin. Ich lief den Steg zu ihr und setzte mich neben sie. Sie musste mich kommen gehört haben. Denn sie drehte sich in meine Richtung, kurz bevor ich mich hinsetzte.
„Guten Morgen", flüsterte sie und drehte sich wieder Richtung Wasser.
„Guten Morgen mein Liebling." Ich gab ihr einen leichten Kuss auf ihre Wange. Sie schmiegte sich an mich und ich legte einen Arm um ihre Schultern.
„Du hast den Sonnenaufgang verpasst."
„Du hast mich auch nicht geweckt."
„Dich zu wecken, gestaltet sich ungefähr so, als würde ich Franzi probieren zu wecken. Unmöglich. Bis auf ein bisschen Gegrummel kam von dir nichts."
„Du lügst doch."
„Nein, tu ich nicht. Willst du es sehen?" Ann kramte ihr Handy raus und öffnete ihre Bildergalerie. Sie drückte auf Play und hielt mir ihr Handy hin. Zu sehen war ganz klar ich, tief schlafend. Ann bemühte sich wirklich mich wach zu bekommen. Erst fing sie an mein Gesicht ganz vorsichtig zu streicheln, dann küsste sie mich und zum Schluss gab sie mir eine Backpfeife.
„Eine Backpfeife, dein Ernst?"
„Du bist davon ja nicht mal wach geworden", lachte Ann.
Ann stand vom Bett auf und filmte nach draußen. Zu sehen war ein wunderschöner Sonnenaufgang.Mist, da hatte ich echt was verpasst.
„Morgen komm ich mit, versprochen." Wir saßen bestimmt noch eine Stunde am See und quatschten über alle möglichen Themen. Die Welt wurde langsam wach und so beschlossen wir frühstücken zu gehen. Nach dem Frühstück gingen wir ins Hotelzimmer und machten uns für den Tag fertig. Da das Wetter heute traumhaft war, beschlossen wir eine kleine Wanderung zu machen. Zwei Norddeutsche in den Bergen. Das konnte was werden.
„Wollen wir die Handys im Hotel lassen?", fragte ich Ann.
„In Anbetracht der Tatsache, dass wir hier zum ersten Mal sind und wandern gehen wollen, würde ich das Handy gerne mitnehmen. Nur für den Fall der Fälle, dass wir zwei uns verlaufen."
„Okay hast recht, aber dann Handy auf Flugmodus, der Tag gehört uns und der Natur."
„Damit kann ich leben."
Wir zogen also unsere beiden Handys vom Strom und schalteten es auf Flugmodus. An der Rezeption fragten wir, wo man gut wandern gehen konnte. Die nette Frau gab uns eine Karte mit und zeigte uns einen schönen Weg. Dieser Weg soll nach oben auf einem Berg führen und dort soll es ein nettes Restaurant geben. Also hatten wir jetzt ein Ziel. Der Weg war wirklich schön und auch gut ausgeschildert. Der Weg führte zuerst an einem kleinen Bach entlang und wenig später durch einen Wald. Oben angekommen sahen wir schon das Restaurant. Zusammen schlenderten wir zum Eingang und suchten uns einen Platz aus. Hunger hatten wir beide noch keinen, aber wir bestellten uns etwas zu trinken. Auch hier oben war nicht viel los und wir konnten einfach wir sein. Ich genoss es total mit Ann normale Dinge zu tun. Es tat nicht nur mir gut sondern auch Ann. Die stressige Zeit, wo wir aufpassen mussten, wo und wie wir uns küssten oder ansahen, fing bald mit der Sommertour wieder an. Ich hoffte, dass es nach dem Jahr Pause um meine Person wieder besser wurde. Nachdem wir ausgetrunken hatten bezahlte Ann die Getränke und wir machten uns auf anraten des Personals wieder auf dem Weg ins Hotel. Für den später Nachmittag war ein Unwetter angekündigt und wir hatten beide wenig Lust da hinein zu geraten. Gerade, als wir auf den letzten Metern des Waldweges waren, fing es aus dem nichts an zu stürmen und zu regnen. Noch waren wir vom dichten Wald geschützt, so genossen wir die ersten Tropfen, die auf unsere Haut landete. Als wir den Wald verließen sahen wir die dicken Regenwolken. Wie ein Wasserfall entleerte sich die erste Wolke über uns.
„War klar, dass wir beide es nicht rechtzeitig nach Hause schaffen würden", lachte Ann.
„Komm mit, ich habe eine Idee." Ich zog Ann mitten in die Regenwolke und fing an zu tanzen.
„Was machst du da?"
„Ich wollte schon immer mal mit der Liebe meines Lebens im Regen tanzen, los komm."
Meine Hände wanderten automatisch zu Anns Hüften, zärtlich zog ich sie an mich ran. Ihre Arme legte sie locker auf meine Schultern und überkreuzte diese leicht. Kurzerhand hob ich sie hoch. Ann schlang ihre Beine um meine Hüften. Meine Hände rutschen tiefer, so dass ich sie gut festhalten konnte. Ich drehte uns im Kreis, bis mir schwindelig wurde. Ann schaute mir tief in die Augen. Ihre Augen waren selten so dunkel wie heute. Sie strich mir meine nassen Haare zärtlich aus meinem Gesicht.
„Das war eine schöne Idee von dir", flüsterte sie gegen meine Lippen.
Schließlich überwand sie die letzten Millimeter und küsste mich zuerst zaghaft. Doch je stärker der Regen auf uns herunter prasselte, umso fordernder wurde auch unser Kuss. Noch nie hatten wir uns so in der Öffentlichkeit in einem Kuss verloren, wie hier und jetzt. Ohne den Kuss zu unterbrechen, ließ ich meine Freundin runter. Meine Finger suchten automatisch einen Weg unter Anns Top. Ann grinste in den Kuss hinein. Die Stimmung zwischen uns, war schon lange nicht mehr so aufgeheizt wie heute. Zeitgleich beendeten wir den Kuss.
„Scheiß auf erwachsen und vernünftig sein. Ich will dich hier und jetzt", keuchte Ann.
Ich musste schmunzeln und sah mich suchend um. Im Augenwinkel sah ich nicht allzu weit weg und etwas geschützt eine kleine Bank. Immer wieder küssend, dirigierte ich meine Freundin zur Parkbank. Gerade als meine Freundin mir die nasse Hose runterziehen wollte, fing es heftig an zu donnern. Geschockt, aber auch ein klein wenig enttäuscht schauten wir uns an und anschließend nach oben in den Himmel. Der nächste Blitz schlug in die Bergkette gegenüber ein.
„Merkt dir, wo wir aufgehört haben. Lass uns schnell rein", raunte ich ihr ins Ohr.
„Ist glaube ich sicherer." Ann ging einen kleinen Schritt rückwärts, so dass ich genug Platz hatte, mich wieder anzuziehen und sie probierte ihren BH unter ihrem durchnässten Top wieder zu schließen.
„Komm ich helfe dir." Sie drehte sich um und ich schob das Top so gut es ging nach oben, um den BH zu schließen. Anschließend zog ich das Top nach unten und gab Annemarie einen Kuss in ihren Nacken. Ann drehte sich zu mir um und unsere Lippen fanden wieder automatisch zueinander. Der nächste Blitz und Donner ließ uns aufschrecken.
„Na los, lass uns reingehen." Ich griff nach Anns Hand und zog sie mit mir. Wir rannten die letzten Meter zum Hoteleingang. Völlig atemlos kamen wir am Hotel an. Die Gäste an der Rezeption schauten und von oben bis unten an.
„Hallo Frau de Groot, Hallo Herr Weiß wir hatten uns schon Sorgen gemacht, dass sie sich in dem Unwetter verlaufen haben."
„Nein, alles gut. Wir sind nur etwas spät von der Hütte nach unten gelaufen und wurden erst auf den letzten Kilometer vom Unwetter überrascht."
„Warte, ich reiche Ihnen ein Bademantel." Wollen Sie sich vielleicht bei uns im privaten Spa Bereich aufwärmen? Laut Liste ist noch ein Bereich mit Sauna, Whirlpool und einem angrenzenden Ruheraum für zwei Personen für heute frei." Ich sah Ann an und sie nickte.
„Gerne."
„Gut, dann trage ich Sie für den gesamten Nachmittag und Abend ein."
„Vielen Dank."
„Ich gebe Ihnen gleich den Schlüssel mit, dann brauchen Sie gleich nicht mehr hier vorbei, sondern können gleich dorthin gehen."
Annemarie und ich bedankten uns und liefen zuerst zum Fahrstuhl, um uns für den restlichen Tag umzuziehen.
Die Wärme tat uns beiden gut. Wir genossen den restlichen Tag im Spa-Bereich. Abends bestellten wir uns Essen aufs Zimmer, da wir keine Lust hatten, unsere Bademäntel wieder durch normale Kleidung zu tauschen. Und so wie wir uns kannten, waren die Bademäntel als Kleidung eh nicht von Dauer.
Die restlichen Tage liefen ähnlich ab. Wir genossen unseren Kurztrip in vollen Zügen. Für uns beide war klar, wir brauchten hin und wieder eine Auszeit vom Alltag. Mit Ann machte das Reisen Spaß.
Viel zu schnell waren wir am Münchener Flughafen angekommen und ich musste mich von meiner Freundin verabschieden.
„Tschüss, mein Schatz. Ich muss mich beeilen. Ich melde mich, wenn ich gelandet bin."
„Mach das. Ich vermisse dich jetzt schon."
„Ich dich auch. Aber es sind ja nur zwei Tage. Sonntagabend sehen wir uns ja schon wieder. Fahr vorsichtig."
„Hast du alles?"
„Ne, du fehlst. Aber ich habe den Haustürschlüssel, Geld und mein Handy. Mehr brauche ich nicht. Alles andere liegt doppelt zu Hause."
„Bald bin ich auch wieder bei dir." Ich gab Ann noch einen Kuss und sie stieg aus dem Auto aus. Ich wartete noch einen Moment bis sie im Flughafen verschwunden war.
Die Fahrzeit verging wie im Flug. Zumindest in den ersten 7 Stunden. Ich telefonierte mit meiner Familie und meinem besten Kumpel. Natürlich musste ich versprechen, bald mal wieder nach Hause zu kommen und Ann mitzubringen. Die letzten Stunden und die letzten Kilometer wollten gar nicht vergehen. Ich entschied mich nochmal eine letzte Pinkel Pause zu machen. Als ich wieder mit einem Kaffee bewaffnet ins Auto stieg, klingelte kurz darauf das Telefon.
„Hallo Anna, was gibt's?", fragte ich meine Managerin.
„Wo bist du?"
„Auf der Autobahn", beantwortete ich ihre Frage wahrheitsgemäß.
„Wie auf der Autobahn?"
„Ich komme gerade aus Bayern zurück, aber ich bin gleich da."
Kurz stellte ich mir vor, wie Ann meine Managerin wäre. Dann würden wir zusammen hier sitzen und ich hätte keine Anna, die unnötig stress schiebt.
"Bayern? Wincent, tickst du nicht mehr ganz sauber? Du musst fit sein. Wie lange brauchst du noch? In anderthalb Stunden hast du ein Interview."
„Anna, beruhig dich. Ich bin in knapp einer Stunde da."
„War das wirklich nötig, so weit weg zu fahren?"
„Das war nötig. Wir brauchten einfach ein bisschen Paarzeit nur für uns beide."
„Gut dann bis gleich, gib Gas."
„Bis gleich."

Wir sind mittendrin Where stories live. Discover now