9. Don

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Jolly

Nachdem Luciano und ich uns vom Hochzeitspaar weggedreht hatten, um anderen Gästen eine Audienz zu ermöglichen, kam ein Mann im hellgrauen Anzug und mit ernster Miene auf uns zugeschritten.

„Don", sprach er Luciano an, „Es gibt Neuigkeiten zum South-Bay Hafen. De Rocco hat sich gemeldet."

Luciano nickte.

„Entschuldige mich.", murmelte er mir zu und ließ mich stehen, um dem Mann aus dem Saal zu folgen.

Zurück blieb ich in einem Raum voller fremder Menschen und einem Wort im Kopf. Don. So hatte der Mann Luciano genannt. Und ich hatte genug Gangsterfilme gesehen, um zu wissen, dass als ‚Don' der Kopf einer gewissen Verbrecherorganisation mit italienischen Wurzeln bezeichnet wurde. Dass sich bisher jeder außer Matteo geradezu unterwürfig gegenüber Luciano verhalten hatte, verdichtete meinen Verdacht. 

Langsam drehte ich mich im Kreis, ließ meinen Blick über die glänzende wohlhabende Gesellschaft schweifen. Warum waren die Männer hier größtenteils Muskelberge und wo kamen die ganzen Narben her? Ich schüttelte den Kopf und stieß ernüchtert meinen Atem aus. Was auch immer das hier war. Wer auch immer Luciano war konnte mir letztendlich egal sein. Für heute war er mein Freund und ab morgen eine aufregende Erinnerung. Das war alles.

Schnell verließ ich die Mitte des Saals und steuerte eine alte Freundin an, die ich am Rand des Raumes entdeckt hatte. Sie war eine gute Bekannte, die man auf fast allen Partys traf und die einen nie im Stich ließ – die Bar. 

Ich setzte mich auf einen ledernen Barhocker, leicht benommen von der Erkenntnis, dass ich heute Abend anscheinend die Begleitung eines Mafia- Bosses war. Ich lachte in mich hinein und schüttelte ungläubig den Kopf. Das war selbst für mich ganz schön wild und ich hatte schon viel Blödsinn getrieben in meinem Leben.

„Was darf es sein, Schönheit?", fragte der Barkeeper mit eingeübtem Lächeln.

„Cosmopolitan.", orderte ich prompt.

Ich zog das Ding in wenigen Zügen weg. Okay, vielleicht war ich doch angespannter, als ich zugab. Nach meinem dritten Hochprozentigen, trat eine Frau neben mir an die Bar. Sie war eine ältere Dame, hatte aufwendig frisierte braune Locken und trug ein elegantes weißes Cocktailkleid. Ein weißes Kleid als Gast auf einer Hochzeit zu tragen musste man sich erstmal erlauben. 

Sie bedachte mich mit einem geringschätzigen Blick, der zwischen mir und meinem Getränk hin und her wechselte. Als ob sie wusste, dass ich über die Stränge geschlagen hatte. Meine Sympathie für diese Frau hatte bereits Bodenlevel erreicht, bevor auch nur ein Ton gesagt worden war.

„Moet Chandon Rosé.", bestellte sie und der Kellner schob ihr ein prickelndes Glas Champagner rüber.

Ich ruckelte auf meinem Stuhl hin und her und versuchte mich aufzurichten, um ihrem kalten Blick die Stirn bieten zu können. Dabei stieß ich gegen meinen halbvollen Cosmopolitan, dessen gesamter Inhalt sich auf ihrem weißen Kleid entlud.

Die Frau gab einen entsetzten Ton von sich und begutachtete den großen Alkoholfleck auf ihrer Abendgarderobe mit geweiteten Augen.

„Was fällt dir ein? Unfähiges Gör!", fauchte sie.

„Das nächste Mal vielleicht einfach kein weißes Kleid auf anderer Leute Hochzeit tragen.", zischte ich zurück.

„Das ist beige, du ungebildetes Miststück!"

„Was ist hier los?", ertönte Lucianos tiefe Stimme hinter uns.

„Diese unverschämte Frau hat ihr Getränk über mich ausgeschüttet und ist auch noch frech geworden!", zeterte die Dame aufgebracht und deutete auf mich.

Mafia 101 - LucianoWhere stories live. Discover now