16. Geldgeiler Waschlappen

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Jolly

Geldgeiler Waschlappen, Goldgieriges Würmchen, Rückgratloser Gierschlund... Mir fielen einige Bezeichnungen ein, die ich meinem Spiegelbild vorwerfen könnte, als ich mich am darauffolgenden Abend für die Veranstaltung fertigmachte. Mein Stolz war bereits einen Fingerhut breit davon entfernt gewesen, mich in den nächsten Flieger zurück nach Hause zu treiben, aber die Erinnerung an multiple monatliche Überweisungen von 10.000 Dollar waren lauter gewesen als mein Stolz.

Ich seufzte, während ich die Mascara Bürste zurück in die schmale Tube stopfte und klimperte ein paar Mal mit den Wimpern. Wenn mein launiger mafiöser Mitbewohner mich wie eine Handtasche behandeln wollte, die man einfach in den Schrank legte, bis man sie das nächste Mal ausführte, dann war das wohl so. Ich würde mir von seiner kalten Schulter ganz sicher nicht meinen zukünftigen Wohlstand ruinieren lassen. Nope.

Ich räumte mein Make-Up zurück ins Badschränkchen und blickte mich in dem marmornen Raum um. Eine Wand bestand aus Glas. Von der offenen Dusche oder von der Whirlpool-artigen Badewanne aus hatte man den besten Blick über die Skyline. Verhalten spielte ich am Saum meines Kleides und versuchte zu überschlagen, wie viele Monate ich Lucianos Handtasche spielen musste bis ich mir einen eigenen Mini-Spa als Bad leisten konnte. Vermutlich einige.

Um Punkt sechs Uhr kam Luciano die Treppe heruntergeschritten, die zu seinem kleinen Reich führte. Seine privaten Gemächer, zu denen er die Türen absperrte, wenn er ging. Was ich nicht zufällig wusste, weil ich direkt an meinem ersten Tag versucht hatte, einen Blick in sein Schlafzimmer zu werfen.

Ich erlaubte mir nur einen kurzen Seitenblick auf seine vom maßgeschneiderten Smoking perfekt umschmeichelte Figur und die elegante Fliege um seinen Hals – Pfff.

„Bereit?", fragte er.

„Was denkst du, warum ich hier stehe?", murmelte ich und unterdrückte ein Augenrollen.

Kurz bevor wir an der Tür seinen Apartments ankamen, spürte ich seine Hand unter meinem Kinn.

Mit angehaltenem Atem verfolgte ich, wie er sich zu meinem Ohr beugte.

„Ich wusste, dass du bleibst.", murmelte er und tätschelte meine Wange.

Eine seltsame Mischung aus Wut und Lust brannte durch meine Eingeweide und ich blieb lieber still, bevor ich etwas sagte, was ich bereuen würde.

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Von Zeit zu Zeit an meiner Champagnerflöte nuckelnd, ließ ich mich von Luciano durch die luxuriöse Abendgesellschaft navigieren, ließ Komplimente auf mich niederprasseln und stibitzte feine Canapés von vorübereilenden Tabletts. Angeblich sollte es heute noch ein Dinner geben und Reden geschwungen werden, aber bisher walzten wir nur durch die Lobby eines schicken Hotels und liefen Lucianos soziales Netzwerk ab, wie eine hungrige Spinne.

Ebenso wenig wie meine Lust sich beruhigt hatte, aufgrund des dauerhaften Ausblicks auf Luciano, so hatte sich auch meine Wut nicht beruhigt.

Nach einer halben Stunde angespannten Dauerlächelns, hatte ich die Faxen dicke.

„...ein wunderschönes Paar. Wie habt ihr beiden euch kennengelernt?", säuselte gerade irgendein Politiker, der uns beide abwechselnd musterte.

Bevor Luciano den Mund aufmachte, erhob ich aufbrausend das Wort: „Auf einer Cocktailparty. In einem Beachclub."

Ich spürte, wie Luciano sich neben mir anspannte und fuhr fort: „Ich habe mich sofort in seinen Hüftschwung verliebt, als er den Macarena getanzt hat."

Der glatzköpfige Parlamentarier blinzelte perplex, vermutlich, als er sich vorstellte, wie der einschüchternde Eisklotz vor ihm im Hawaiihemd die Hüften schwang. Er gab ein nervöses Lachen von sich und warf dem Don einen verwirrten Blick zu. Als sein Lächeln gefror und er die Augen senkte, als diese auf Lucianos trafen, wurde mir klar, dass ich den Bogen überspannt hatte. 

Ich spürte einen festen Griff an meinem Arm und Luciano schob mich wortlos aus dem Raum. Von der Eingangshalle aus zog er mich in einen leeren Flur und knallte mich fast gegen die Wand.

„Was zur Hölle, Jolly?", fuhr er mich an.

„Was denn, Schatz?", gurrte ich in einem letzten Anflug von Blödelei, hob spontan meine Hand und strich ihm über die Wange. 

Erst als meine Fingerspitzen über seine Haut fuhren, wurde mir bewusst, was ich gerade tat und der letzte Rest Sarkasmus in mir verpuffte. Ich hob meinen Blick in seine Augen und sah, wie sie sich einen Hauch weiteten. Kurz blickten wir uns an, während meine Hand Millimeter um Millimeter entlang seiner äußerst privaten Gesichtshaut rutschte und über seine Bartstoppeln, die mit dem Auge kaum sichtbar waren. Und auf unerklärliche Weise fühlte sich diese Geste wie das Intimste an, was sich je getan hatte. 

Dann schien Luciano sich zu fassen. Sein Blick verdunkelte sich und er schnappte mein Handgelenk und riss meine Hand runter.

„Ich bezahle dich nicht dafür, mich lächerlich zu machen.", knurrte er, „Reiß dich gefälligst zusammen."

Er drehte sich von mir weg und machte ein paar Schritte, bevor er stehen blieb.

„Komm."

Ich bewegte mich nicht.

„Luciano", Ich nahm einen tiefen Luftzug, „Könntest du aufhören mich herumzukommandieren? Das ist unverschämt."

Kurz hielt er inne, bevor er sich zu mir umdrehte und mich anstarrte.

Unverschämt?"

Er stieß einen Atemzug aus, blickte zur Seite und fuhr sich mit der Hand über die untere Gesichtshälfte, als könne er nicht fassen, dass ich etwas gegen seinen Befehlston hatte. So, als habe ich mich gerade darüber beschwert, dass er atmete.

Dann hielt er mir erneut seine Hand hin.

„Komm.",wiederholte er. Seine Augen fanden meine, „Bitte.", fügte er hinzu.



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Mafia 101 - LucianoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt