[v.] halloween challenge [ 🎃 5 🎃]

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Wolfgang schluckte bei diesen Worten. Das von einem Vampir zu hören, war keine leicht verdauliche Sache. Selbst, wenn es ein so gutaussehender Vampir war wie Vlad- was faselter er da schon wieder? Innerlich verpasste Wolfgang sich eine Ohrfeige.

Fragend hielt Vladimir ihm eine Nadel entgegen. Wo er die so schnell aufgetrieben hat ...

"Mach du das lieber", sagte er, übergab die Nadel und trat unsicher ein paar Schritte zurück. So hatte Wolfgang ihn ja noch gar nicht erlebt ... Aufmerksam betrachtete er nun die Nadel. Die dünne Spitze fing den flackernden Schein des Kaminfeuers ein und löste zwiegespaltene Gefühle in Wolfgang aus. Auf der einen Seite wollte er nicht von Mephistoteles in der Luft zerrissen werden, der wohl bald hier auftauchen würde. Aber ... es war eine Nadel. Die er sich selbst in seinen Finger stechen musste. Vorsichtig setzte er die Spitze auf seine Fingerkuppe und drückte. Sekunden verstrichen, in denen Wolfgangs Stirn sich in eine tiefe, konzentrierte Furchenlandschaft verwandelte. Nicht stark genug. Auch beim zweiten und dritten Versuch schaffte Wolfgang es nicht, sich zu überwinden.

Das Deckenlicht flackerte.

"Wolfgang", warnte Vladimir mit unheilschwangerem Unterton in der Stimme, "Mephisto wird jeden Augenblick hier sein. Ich kann ihn schon spüren."

Mit Panik in den Augen schaute Wolfgang sich bei diesen Worten nach Vladimir um, als auch ein vierter Anlauf ergebnislos blieb.

"Oh nein. Nein, nein, nein. Ich ... ich kann das nicht machen. Ich bin ein Vampir, schon vergessen?"

"Aber ... es geht nicht. Ich kriegs nicht hin!", rief Wolfgang aus, die aufkochende Panik in seiner Stimme nur mühselig unterdrückend, "Bitte! Es geht nicht anders!"

Die Flammen im Kaminfeuer dimmten sich.

Vladimir seufzte ergeben. Er kam auf den ängstlichen Journalisten zu und nahm ihm abrupt die Nadel aus der Hand, dann griff er nach Wolfgangs Finger und sah ihm fest in die Augen. Ihre Blicke verhakten sich ineinander, in Wolfgangs Bauch breitete sich ein seltsames Kribbeln aus. Konnte er Vladimir vertrauen? Er suchte die Antwort im kristallblauen Tief seiner Augen. Bevor er sie gefunden hatte, schloss der Vampir die Augen.

"Autsch", quietschte Wolfgang. Ein dunkelroter Blutstropfen quoll aus seiner Fingerkuppe. Als Vladimir die Augen wieder öffnete, waren seine Pupillen unnatürlich groß, geweitet wie ein schwarzer Abgrund, der die Iris des Vampirs beinahe vollkommen verschlang. Er leckte sich gefährlich über die Lippen, wobei seine spitzen Eckzähne zum Vorschein kamen.

Schnell schmierte Wolfgang den Blutstropfen auf das kalte Metall des Schlüssels und wich dabei einen Schritt von Vladimir zurück. Doch der Vampir folgte ihm, gefährlich nahe. Jetzt standen die beiden inmitten des Fünfecks aus weißen Linien. Nichts passierte, außer, dass der Vampir Wolfgang immer noch mit diesem seltsamen Ausdruck in den Augen musterte.

Plötzlich ging das Licht aus. Auf einen Schlag war es stockfinster. Wolfgang hörte nichts außer seinen eigenen Atem. Auf einmal spürte er kalte Finger an seinem Arm. Erschrocken zuckte er zusammen. Großer Gott, meine Naivität bringt mich um ...

Doch da begann der Schlüssel in Wolfgangs Hand zu glühen. Wärme breitete sich von dem zuvor eiskalten Metall in seinen Körper aus und die in den Schlüssel eingravierten Runen und Symbole begannen, in der Dunkelheit bernsteingolden zu glimmen. Mit jeder verstreichenden Sekunde wurde das schwache Glimmen zu einem Schimmern, einem Scheinen und schlussendlich erleuchtete es die Gesichter der beiden ungleichen Gestalten, wie sie zusammen, von Linien umschlossen, im Kaminzimmer standen. Beruhigt stellte Wolfgang fest, dass Vladimirs Pupillen wieder auf eine normale Größe geschrumpft waren.

"Je mächtiger der Dämon, desto stärker das Licht", flüsterte der Vampir ihm ins Ohr, "Halt jetzt still und gib keinen Ton von dir."

Plötzlich flammten alle Kerzen auf einmal auf. Das flackernde Licht spiegelte sich in den Augen des Vampirs wieder, der aufmerksam in die Dunkelheit lauschte. Warnend hob er eine Hand. Auf einmal war da eine ... Präsenz im Raum, die Wolfgang mit seinem Verstand nicht greifen konnte. Die Luft knisterte seltsam, als wäre sie elektrisch aufgeladen und alarmiert stellten Wolfgangs Nackenhaare sich auf.

WortnebelfetzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt