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"Das bedeutet aber nicht, dass jeder so ist, wie deine abartige Familie. Mein Bruder wusste bereits, dass du für ihn kommen und ihn umbringen würdest. Und trotzdem hat er mich dazu gezwungen, ihm zu versprechen, dass ich dich beschützen würde", erklärt er, während er mir mit diesem wuterfüllten Blick direkt in die Augen sieht.

Als ich meinen Mund öffne, um ihn zu fragen, was er damit meint, unterbindet er das sofort, indem er es bereits erklärt.

"Er wusste, was du in diesem Leben für eine Rolle spielen würdest. Genau aus diesem Grund hat er mir dieses Versprechen aufgedrückt. Domenico wusste alles über dich und hätte ganz einfach verschwinden können. Und trotzdem hat er es für das Beste gehalten, es einfach geschehen zu lassen", erklärt er weiter und umfasst meinen Hals etwas fester.

Jetzt rühre ich mich endlich und lege meine Hände über seine große Hand, welche meinen Hals vollständig bedeckt.

"Nach seinem Tod habe ich mich nach dir erkundigt. Ich habe all seine Informationen über dich verschlungen, bis ich so fasziniert von dir war, dass ich dich unbedingt selbst kennenlernen musste", erklärt er mir und zieht mich noch etwas näher an sich heran.

"Die Art, wie gründlich du deine Aufträge erledigst und auch alles andere an dir, hat mich so unfassbar in den Bann gezogen. Seit Jahren habe ich dich schon im Auge und trotzdem hattest du keinen blassen Schimmer."
Da liegt er vollkommen richtig.

Ich wusste es nicht und habe nichts bemerkt.

Mit einem Mal lässt er vollständig von mir ab, ehe er einfach aus dem Bett steigt und mich dann mit der Schulter etwas bei Seite stößt.

"Die Art, wie du mich immer wieder mit dieser scharfen Zunge abgewiesen hast, war eigentlich ziemlich scharf", erklärt er, als er durch den Raum geht und das Messer vom Boden aufhebt.

Sofort schnappe ich mir instinktiv das Messer zu meiner Rechten und halte es fest in meinen Händen.

"Aber dann mitten in der Nacht bewaffnet in das Haus einzubrechen, in dem meine Nichte lebt, geht definitiv zu weit", erklärt er, als er sich zu mir umdreht.

Er betrachtet mich stumm, scheint meine vollständige Erscheinung nur so in sich aufzunehmen und kommt dann stumm auf mich zu.

Ich gehe einen Schritt zurück, stoße dann aber direkt gegen das Schränkchen.

Direkt vor mir bleibt er stehen und hält mir seine rechte Hand entgegen.

Für einen kurzen Moment weiß ich nicht, was er von mir will, doch dann macht es klick, also hebe ich zögerlich die Hand und reiche ihm das Messer.

Normalerweise würde ich das niemals tun, da ich nun unbewaffnet vor einem Mann stehe, welcher zwei Messer in den Händen hält.

Doch irgendwie scheint es gerade das richtige zu sein.

Er dreht sich um, geht wieder durch den Raum und legt beide Messer hoch auf ein Regal, ehe er sich erneut zu mir dreht und die Arme vor der Brust verschränkt.

Trotzdem bleibt er an Ort und Stelle stehen.

"Es ist dein fünfundzwanzigster Geburtstag", sagt er, was mich vollkommen aus der Bahn wirft.

Ich ziehe die Brauen zusammen und versuche mich wieder aufrecht hinzustellen, doch meine Knie zittern aus einem mir unerklärlichen Grund.

"Hm?", ist das einzige, was ich herausbekomme.

"Der Vertrag, den dein Großvater vor etlichen Jahren unterschrieben hat. In diesem Vertrag stand, dass, sollte jemals eine Tochter anstatt eines Sohnes geboren werden, sie zu ihrem fünfundzwanzigsten Lebensjahr die gesamte Familie kontrollieren würde."
Perplex starre ich ihn an und versuche alle Puzzleteile zusammenzusetzen.

Das Gespräch zwischen Ramon und Joshua.

Die Worte von Avion.

Ricos ständige Hilfe.

Verzweiflung breitet sich in meiner Brust aus, ehe ich mir durch das dunkle Haar fahre, welches ich auf dem Weg hier hin erst geöffnet hatte, weil es viel zu kalt für eine Hochsteckfrisur war.

Dabei lasse ich mich unbedacht auf das Bett fallen und blicke zu Boden.

"Dein Vater versucht verzweifelt dich zu verheiraten", erklärt er weiter, während ich nur ganz nebenbei seinen Worten lausche.

"Wenn er ein niedriges Mitglied der Mafia findet, welches er kontrollieren kann, könnte er noch inoffiziell der Kopf der Salvatore bleiben. Du hast ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht, als du diesen Mann damals einfach umgebracht hast. Dein Vater hat dadurch nicht nur eine Menge Geld verloren, sondern auch mehr Zeit und Möglichkeiten."
Sofort reiße ich den Kopf nach oben und sehe ihn schockiert an.

"Er hatte mich an diesen Kerl verkauft?", frage ich ihn laut, weshalb er mir sofort einen mahnenden Blick zuwirft.

Da er recht hat, senke ich sofort den Kopf und blicke wieder zu Boden.

"Ich habe jedes Mal versucht, dir zu helfen, aber du konntest mir einfach nicht vertrauen", sagt er, weshalb ich wütend aufstehe und auf ihn zugehe.

"Ich wurde von meiner eigenen Familie gefoltert und gebrandmarkt und dann kommst du mir mit solchen Argumenten? Wir stehen in dem Haus deines Bruders, den ich umgebracht habe, falls es dir entgangen ist. Ich habe keinen verfluchten Grund gehabt, dir zu vertrauen, Nathaniel", sage ich wütend, aber in einer ruhigen Stimmlage.

Er löst die Arme vor seiner Brust und legt mir seine Hände an die Schultern.

"Ich habe dir etliche Gründe gegeben. Nicht ein einziges Mal, habe ich dich angelogen", macht er mir klar, als er mir tief in die Augen sieht, um seinen Standpunkt noch zu vertiefen.

Wenn man es genau nimmt, hat er nicht ganz Unrecht.

Immerhin hat er mir sogar von der verfluchten Kamera in meinem Zimmer erzählt.

Ich atme tief ein und lasse den Kopf wieder fallen, ehe er seinen Daumen an mein Kinn legt, nur um es dann anzuheben.

"Wenn er dich bis zu deinem Geburtstag nicht verheiratet hat, wird er dich verschwinden lassen, Amara", haucht er mir leise entgegen, was mich plötzlich wieder an die Worte von Avion erinnert.

Nathaniel lügt nicht.

Dem bin ich mir inzwischen mehr als nur bewusst.

"Und was soll ich tun? Wenn er herausfindet, dass ich es weiß, wird er mich doch erst recht einfach umbringen lassen", sage ich leise und kann nicht glauben, dass ich vor Nathaniel Santos stehe und ihm meine Gedanken und Sorgen offenbare.

"Lass mich dir helfen. Es sind nur noch drei Wochen, die du überstehen musst. Dann bist du fünfundzwanzig und kannst selber entscheiden, was du tun willst", sagt er und streicht mir dabei eine lose Strähne hinter das Ohr.

Ich zögere, sehe ihm dabei direkt in die Augen und dann nicke ich, ehe ich etwas sage, das ich vielleicht bereuen könnte.

Aber nur vielleicht.

"Ich vertraue dir mein Leben an."

Passionate VengeanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt