42 - Montag

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MADDIE
Mit einem Spatz sprang ich aus der Bahn und eilte quer über die Straße. Wie immer war der Verkehr die reinste Katastrophe.

"PENNER!", schrie ich und schlug einmal auf die Motorhaube des Autos, worauf der Autofahrer erneut hupte. Beinah hätte mich dieser Vollwichser umgenietet. Ich zeigte dem Fahrer meinen Mittelfinger und setzte meinen Weg fort.

Genervt quetschte ich mich zwischen den parkenden Autos vorbei und steuerte auf die Eingangstür zu. "Ey, Maddie!", rief plötzlich jemand. Abrupt blieb ich stehen und wirbelte herum, sodass mir die Haare ins Gesicht peitschten. Schnell wischte ich sie mir aus dem Gesicht, um wieder freie Sicht zu haben.

"Hey", meinte Aiden zur Begrüßung und zog mich in eine Umarmung. Sofort beruhigte ich mich ein wenig. "Hast du irgendwas gehört?", fragte er zögernd und hielt mich eine armbreit von ihm weg. Ich schüttelte nur traurig meinen Kopf und schaute zu Boden.

Kopfschüttelnd zog mich Aiden erneut in eine Umarmung. Ich vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge und umklammerte ihn mit meinen Armen. Ich brauchte jetzt einfach jemanden, der mir halt bot. "Ich versteh ihn nicht...", murmelte Aiden und fuhr mir durch die Haare. "Er liebt dich. Er liebt dich über alles und dennoch verschwinden er einfach. Selbst mich hat er nicht angerufen", meinte er und strich mir beruhigend über den Rücken.

Okay, Schluss mit dem sentimentalen Kram!

Ich riss mich von Aiden los und fuhr mir einmal durch die Haare. "Wir sehen uns", verabschiedete ich mich von ihm und ließ ihn stehen. Ich steuerte auf die Eingangstür zu und rückte meine Tasche zurecht. Gehetzt eilte ich die Stufen nach oben und stieß die Tür mit einem Ruck auf.

Wenn er heute in der Uni nicht auftauchen würde, würde ich zu ihm nach Hause gehen und ihm dort den Arsch aufreißen. Egal wo, ich würde es tun. Dieser Flachwichser konnte sich auf was gefasst machen...

...

Wütend stieß ich die Eingangstür auf und stampfte die Treppenstufen nach unten. Natürlich musste mir auch noch der Wind in die Haare fahren und absolut zerstrubbeln. Genervt fuhr ich mit durch die Haare und versuchte sie in eine einigermaßen passable Form zu bekommen.

Ich atmete einmal laut aus und ließ mich auf einer der Stufen fallen. Gedankenverloren starrte ich geradeaus und beobachtete die Tauben. Jedes Mal, wenn ich welche sah, musste ich anfangen zu grinsen. Sie sahen einfach immer viel zu lustig aus, wie immer mit dem Kopf nach vorne und wieder nach hinten gingen. So musste ich wahrscheinlich auch aussehen, wenn ich mit Kopfhörern und einem meiner Lieblingslieder durch die Stadt lief.

Ungewollt bogen sich meine Mundwinkel ein bisschen nach oben. Es war jedoch nicht von langer Dauer, denn bereits nach wenigen Sekunden holte mich die Realität wieder ein.

Dieses kleine miese Wichser-Arschloch hatte sich seit gestern morgen kein einziges Mal mehr gemeldet.

Nichts. Reeeeeeein gar nichts.

Missmutig ließ ich meinen Kopf auf meine Knie fallen und ließ ihn dort liegen.

Ich verstand es einfach nicht. Überhaupt nicht. Erst war er der beste Freund, den man haben könnte und dann... dann war er wieder so... so wie jetzt halt. Einfach beschissen. Doch warum?

Traurig hob ich meinen Kopf wieder und und stützte ihn auf meinen Händen ab. Meinen Ellenbogen wiederum platzierte ich auf meinen Knien.

Immerhin hatte sich inzwischen die ganze Trauer und Enttäuschung in Wut und Hass umgewandelt. Damit kam ich wesentlich besser klar. Wenn Jeff mir jetzt auch nur über den Weg laufen würde, ich schwör, ich würde ihn in der Luft zerreißen. Seine Aktion war einfach komplett für den Arsch. Sowas machte man einfach nicht, wenn man zumindest etwas Anstand hatte. Aber das war bei Jeff ja wohl nicht der Fall.

So traurig es auch war, aber ich konnte so nicht weitermachen. Ständig gab es irgendwelche Missverständnisse oder Lügen. So konnte man kein vernünftiges Vertrauen aufbauen. Und ohne Vertrauen keine Beziehung. So einfach war das.

Seufzend erhob ich mich, fuhr mir einmal durch die Haare und schwang meine Tasche über die Schulter.

Ich hatte noch ein Hühnchen zu rupfen...

Wenn er zu feige war in die Uni zu kommen, müsste ich halt bei ihm Zuhause vorbeischauen....

...

Wütend hämmerte ich gegen die Wohnungstür. Diese Arschgeige wollte partout nicht aufmachen. Wenn er nicht aufpasste, würde ich die Tür eintreten.

"Jeff!", rief ich erneut und klopfte ununterbrochen gegen die Tür. War der Arsch schwerhörig oder einfach nur zu faul?! Mit einem Mal stoppte ich in meiner Bewegung. Vielleicht war er ja auch gar nicht da oder ihm war was zugestoßen. Oh, mein Gott! Daran wollte ich gar nicht denken.

Hektisch fischte ich meine Handy aus meiner Hosentasche und wählte Aidens Nummer. Er musste Jeffs Schlüssel ja schließlich haben. "Ja?", ertönte am anderen Ende der Leitung.

Moment!

Das 'ja' war jetzt aber nicht nur durch den Hörer gekommen. Verdutzt schaute ich mich um. Okay, vielleicht hatte ich auch einfach Halluzinationen.

"Ähm, ja. Wo bist du?", fragte ich ihn. "Auf dem Weg zu Jeff", antwortete Aiden. Ich hielt in meiner Bewegung inne und schaute über das Treppengeländer nach unten.

Ha! Ich hatte doch keine Halluzinationen.

"Na, dann komm mal hoch", meinte ich grinsend und legte auf. Keine fünf Minuten später stand mir Aiden auch schon gegenüber. Ich riss ihm die Schlüssel aus der Hand und schloss hastig die Wohnungstür auf. Da die Tür klemmte, rüttelte ich etwas an ihr und stolperte schließlich recht unelegant in die Wohnung. Ich richtete kurz meine Haare und sah mich dann in der Wohnung um.

Okay, Zuhause war er schonmal nicht.

Aiden schob sich an mir vorbei und lief ins Schlafzimmer, während ich mich im Wohnzimmer sowie in der Küche umsah. Vielleicht fand ich ja irgendwelche Beweise für eine neuenFlamme oder Hinweise auf sein Verschwinden. Ich hoffte natürlich keine Beweise zu finden.

Plötzlich kam Aiden ins Wohnzimmer gestürmt und sah mich alarmiert an. Sofort sprangen in meinem Kopf alle möglichen Alarmglocken an. Was zur Hölle war passiert?

"Seine Reisetasche ist weg", platzte es aus ihm heraus. Entgeistert schaute ich ihn an. Okay, das musste ich erstmal verdauern. Wohin um alles in der Welt war Jeff verschwunden?

"Sein Aftershave ist ebenfalls weg", meinte Aiden. "Genauso wie ein paar seiner Klamotten", fügte er hinzu. Okay, jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Jeff war ohne auch nur irgendjemanden was zu erzählen verreist.

Doch wohin und aus was für einem Grund?

...

Erschöpft schaltete ich den Fernseher aus und fuhr mir einmal durchs Gesicht. Aiden und ich hatten Jeffs gesamte Wohnung auf den Kopf gestellt und dennoch nichts gefunden. Nicht einmal auf unsere Anrufe und Nachrichten hatte er reagiert. Langsam machte ich mir wirklich Sorgen. Was, wenn ihm wirklich was zugestoßen war? Ach, daran wollte ich gar nicht denken.

Schnell wischte ich den Gedanken beiseite und erhob mich vom Sofa. Müde schlich ich mich ins Schlafzimmer. Ich schaltete meine Nachttischlampe an und ließ mich vorsichtig aufs Bett nieder. Schließlich wollte ich Jazzy nicht wecken.

Nachdenklich fuhr ich mir in die Haare und blickte aus dem Fenster.

Warum war Jeff weg?

Warum hatte er mich belogen?

Und vor allem wo zur Hölle steckte er?

All diese Fragen schwirrten mir im Kopf herum. Schon den ganzen Tag versuchte ich darauf antworten zu bekommen und noch immer hatte ich keine Ahnung. Ich verstand es einfach nicht. Von jetzt auf gleich war in meinem Leben wieder alles vollkommen auf den Kopf gestellt. Konnte nicht einmal etwas glatt laufen?

Ich seufzte einmal und ließ meinen Blick an der Wand entlang schweifen bis etwas meine volle Aufmerksamkeit auf sich zog. Wie erstarrte blickte ich auf den Kalender. Es traf mich wie ein Keulenschlag und zwar mitten in die Fresse.

Morgen war der siebzehnte, der siebzehnte Mai.

Ihr Todestag...

sure neverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt