Teil 2 - Anders und doch gleich

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Staunend blickte ich mich in der kleinen, aber gemütlichen Wohnung um. Eine weitere Überraschung. Ich hatte gedacht, Eric habe eine große, modern und kühl eingerichtete Wohnung.

Doch er wohnte in Brooklyn, als Mieter einer Garagendachwohnung. Seine Vermieterin unterstützte ihn mit Aiden und er half ihr dafür im Alltag. Aidens Schule lag fußnah, ebenso wie eine U-Bahn Station. Alles war warm und freundlich eingerichtet. Das große Zimmer hatte er seinem Sohn überlassen und sich selbst im kleinen Zimmer eingerichtet. Das Bad war hell und sauber, die Wohnküche einfach bezaubernd in einem bunten, doch entspannten Hawaiistil.

"Aiden schläft gleich bestimmt ein. Dann kannst du dich auf den Weg machen!" , flüsterte Eric mir zu, während er mir eine Tasse Kaffee reichte. Ich blickte zu Aiden, der tatsächlich fast über seiner Tasse Kakao hing. Die blauen Augen fast geschlossen, stütze er seinen Kopf müde mit der Hand. Spielen im Schnee ist eben anstrengend!

"Wirfst du mich raus? Dabei hat dein Sohn mir so von Daddys Luau vorgeschwärmt!" Er hob seine linke Braue auf diese sexy Art, die mich bei der Arbeit so manches Mal zur Weißglut und in meinen Träumen zum Wahnsinn getrieben hatte. "Du hast doch bestimmt was Besseres vor, als Silvester mit einem Vater und seinem Sohn zu verbringen? Wir werden Disneyfilme gucken, zuviel futtern und morgen Bauchweh haben! Nicht besonders spannend!"

"Klingt perfekt für mich!" Sein Blick wurde noch skeptischer. "Hör' zu, du musst dich nicht verpflichtet fühlen. Aiden hängt sein Herz immer schnell an Leute. Es war nett, dass du ihm gezeigt hast, wie ein Schneemann gebaut wird..." "Ich würde nicht aus Pflichtgefühl bleiben!" , unterbrach ich ihn hastig. "Ich hatte Spaß wie lange nicht mehr! Und..." , entgegen meiner sonstigen so direkten Art, war ich verlegen und sprach leise, "...ich wäre sonst halt ganz allein."

Nun sah er nicht skeptisch, sondern überrascht drein.

"Ich hab mich erst im November endgültig von Joe getrennt. Es ist noch zu früh für mich ihn eventuell auf Parties zu treffen. Aber da wir fast nur gemeinsame Freunde haben..." , schulterzuckend sah ich ihn an. "Liebst du ihn noch?"

Die Frage war direkt, aber in seinem Blick lag mehr als normale Neugier. Er räusperte sich sogleich, "Verzeihung. Das geht mich nichts an."

"Ist okay. Nein. Liebe war es schon lange nicht mehr. Eher Gewohnheit. Trotzdem möchte ich ihn nicht jetzt schon wiedersehen. Unsere endgültige Trennung lief nach Monaten in einem On/Off Verhältnis, ziemlich heftig ab. Der Grund warum wir uns immer wieder trennten war mein Wunsch nach einer Familie. Ich wollte schon immer Vater sein. Doch Joe nicht. Es war eine schmerzvolle Reise bis zu dem Punkt an dem ich begriff, dass wir da niemals auf einen Nenner kommen werden."

"Das ist traurig. Du kommst gut mit Kindern klar, das konnte ich heute sehen!"

Eric lächelte leicht und legte den Finger auf den Mund, nickte rüber zu Aiden, der nun den Kopf auf den Armen liegen hatte und schlief. Vorsichtig nahm er seinen Sohn in die Arme und trug ihn hinüber in dein Kinderzimmer.

"Okay. Wenn du tatsächlich hierbleiben willst, hilfst du mir aber beim Vorbereiten!" Erstaunt sah ich zu wie Eric begann in der Küche zu werkeln. "Braucht der Herr eine extra Einladung?" "Bin ich nicht der Gast?" "Wenn dann bist du Aidens Gast, aber nicht meiner. Also schwing den Hintern hier rüber, ein Lūʻau ist Arbeit!"

Ich sprang auf und eilte neben ihn. "Was genau...?" "Lūʻau bedeutet erst einmal nur Fest. Es ist unser Wort für offizielle, nationale Feste, aber auch für familiäre Feste. Es gibt verschiedene Gerichte die serviert werden können. Wir können hier natürlich nicht stundenlang Fleisch in einem Imu -das ist ein Erdofen - backen. Aber man kann auch in modernen Küchen hawaiianisch kochen. Wir wickeln nun dieses Schweinefleisch in Bananenblätter ein und lassen es bis heute Abend im Ofen garen...", fasziniert sag ich zu, wie er die Stücke würzte und ausgiebig alles einmassierte, sie dann kunstvoll einwickelte und in den Ofen schob.

Letztendlich schnibbelte ich Salat, etwas das man kaum falsch machen kann, während Eric durch die Küche wirbelte.

Es war seltsam, wie normal es sich anfühlte an seiner Küchentheke Salat zu schnibbeln. Den ganzen Vormittag über hatten wir uns unterhalten. Er erzählte lebhaft von Hawaii, seinen Eltern und den kulturellen Unterschieden die ihm immer noch zu schaffen machten. Ich hatte einen gänzlich anderen Eric erlebt. Lustig, offen und so herzlich mit seinem süßen Sohn.

Und nun erlebte ich einen Eric der ein Stück Heimat für seinen Sohn und sich herbei zauberte, gänzlich anders als der strikte, super professionelle Visualdirektor wirkte, aber doch irgendwie auch vertraut in der Art wie ambitioniert und effektiv er zu Werke ging.

Rainbow PatchworkWhere stories live. Discover now