Teil 3 - Feuerwerk

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"Yay! Matt! Du bist hier!" Aidens Jubelschrei ließ mich fast in Erics Arme springen. Gerade noch unterhielten wir uns leise, über Dinge wie Lieblingsbücher und Musik, entdeckten dabei erstaunliche Ähnlichkeiten und jetzt fegte der kleine Wirbelwind um ums herum. "Daddy das riecht super! Ich hab Hunger! Gibt's jetzt schon was? Können wir zuerst Encanto gucken?"

"Woa..." Lachend nahm Eric seinen Sohn auf die Arme. "Atmen nicht vergessen! Matt ist unser Gast und die springen wir nicht an! Und ja du hast lang geschlafen, daher können wir gleich schon essen. Jetzt gehst du dich aber erstmal frisch machen, kleine Schlafmütze!" Leicht schmollend akzeptierte Aiden einen Kuss seines Vaters und sah mich dann an. "Gäste dürfen entscheiden was wir gucken!" Der Kleine zwang sich geradezu dabei nicht noch mehr zu schmollen. "Encanto ist einer meiner Lieblingsfilme!", flüsterte ich ihm ins Ohr und erntete damit sein schönes Kinderlächeln.

"Du bist cool! Ich bin froh das Daddy dich als Freund hat!" "Aiden!" , Eric sah seinen Sohn warnend an, etwas das mich erst irritierte, sich aber klärte beim nächsten Satz seines Sohnes.

"Was denn Daddy? Ich bin cool damit zwei Dads zu haben, Sarah hat zwei Moms! Mach' kein Stress draus!" Aiden zwinkerte mir vorwitzig zu. "Daddy denkt immer er muss mich schützen! Aber wer meinen Dad nicht mag, weil er Männer mag, den mag ich einfach auch nicht!"

Kichernd hüpfte er davon als Eric ihm einen leichten Luftklaps auf den Po gab. "Ab ins Bad jetzt!" "Hihi...jaaa..und Matt? Nur kein Wort über Bruno!"

Ich konnte nicht anders und kicherte vor mich hin. "Dein Junge ist klasse!" "Danke. Erm...wegen...also..." Es war so ungewohnt Eric verlegen und unsicher zu sehen, dass ich mir einen Moment der stillen Beobachtung gönnte. Sein leicht dunklerer Hautton verbarg jedes sichtbare Zeichen der Verlegenheit, doch die Unruhe in seinen blauen Augen war seltsam vertraut. Hatte sie selbst oft gefühlt. In diesem Moment erst wurde ich mir bewusst, was genau Aidens Worte bedeuteten.

"Moment? Aiden meint einen romantischen Freund. Einen Partner. Du bist schwul? Aber...Aiden...wie...?"

"One Night Stand. Ich war damals in einer schlimmen Phase. Frisch von der Uni UND frisch verlassen, war ich nur auf Ablenkung aus. Einen Abend trank ich zuviel und schlief mit einer Touristin. 'No big Deal', dachte ich. Nur Sex. Für sie war es ja auch nur eine Nacht. Doch sechs Monate später stand sie schwanger vor mir. Nach dem ersten Schock war klar : ich werde zu meiner Verantwortung stehen. Ich freute mich sogar. Es war meine Chance auf ein leibliches Kind! Ich hätte sie sogar geheiratet, wenn sie es verlangt hätte. Ich wollte Aiden vom ersten Moment indem ich sein Herz unter meiner Hand fühlen konnte! Doch letztendlich wollte sie ihn nicht. Nur zwei Wochen nach seiner Geburt verschwand sie. Meldete sich nie mehr!"

"Verdammt! Wie kann man das nur tun? Sein eigenes Kind verlassen!"

"Ich weiß es nicht. Aber das ist der Grund, warum ich alles für ihn gebe!"

Sanft berührte ich seinen Arm. "Ich verstehe deine Sorge um Aiden. Aber dich selbst so zurückstellen, den harten Workaholic geben und keine Freundschaften oder gar eine Partnerschaft zulassen? Das darf nicht der Weg sein! Wann kommst du?"

"Ich bin erwachsen. Ich hatte eine schöne Kindheit und habe noch heute liebende Eltern!"

"Haben deine Eltern für dich ihr Leben aufgegeben? Meine Mom war alleinerziehend. Ich war ihr Ein und Alles. In meiner Teenagerzeit war das schwer. Da war immer das schlechte Gewissen und zeitgleich das Gefühl des Erdrücktwerdens. Das führte dazu, dass ich weit weg zum studieren ging und nur selten nach Hause kam. Erst im letzten Studiumsjahr konnte ich mit ihr darüber sprechen. Glaub mir : ein Kind braucht es nicht das man sein Leben aufgibt, ein Kind will dass das Elternteil glücklich ist!"

Er wich meinem Blick aus. "Ich will nicht, dass er leiden muss. Ein schwuler Dad mit einem Partner? Nicht alle Leute akzeptieren das."

"Das ist mir egal Daddy!" , unterbrach da Aidens Stimme unser Gespräch. Erschrocken sahen wir zu dem Kleinen, der offenbar entschieden hatte seinen Pyjama anzuziehen. Er kam auf uns zugerannt und Eric fing in sicher in den Armen auf. "Du bist der beste Daddy! Meine Mom hatte keinen Platz in ihrem Herz, aber du dafür umso mehr! Man muss stark sein, um so zu lieben. Du bist super stark!"

Gerührt beobachtete ich wie Eric seinen Sohn knuddelte und herzte, bis der kleine Mann sich kichernd wegen Daddys Drei-Tage-Bart beschwerte.

Eric lachte das schönste Lachen und verfrachtete Aiden an den Esstisch. "Was ist das überhaupt für ein Outfit?" "Wir machen eine Pyjamaparty! Ist gemütlicher! Du musst Matt einen leihen!"

Verdutzt blinzelte ich Eric an, der nur grinsend die Schultern zuckte. "Da kommst du jetzt nicht raus!"

So saßen wir kurze Zeit später in Pyjamas am Esstisch, genossen herrliches Essen und hörten Aiden zu der begeistert über Pläne und Wünsche für das neue Jahr sprach. Immer wieder trafen sich Erics und mein Blick, das Unausgesprochene zwischen uns tonnenschwer und doch kribbelig leicht.

Erst nach mehreren Disneyfilmen, Countdown und Anstoßen mit Kindersekt während glitzerndes, buntes Feuerwerk von überall her aufstieg, waren wir letztendlich allein. Aiden schlummerte erschöpft, aber glücklich.

"Danke dass du alles mitgemacht hast. Das bedeutet Aiden viel!"

"Und dir?" Erschrocken über mich selbst biss ich mir auf die Lippe.

"Ich wusste ja schon, dass du toll bist!"

"Was?"

"Mist. Hab...hab ich das laut gesagt? Verdammt! Ich bin so ein Idiot!"

Er verbarg sein Gesicht in den gepflegten Händen, die so oft in meinen Träumen über meine Haut gestreift sind. Vorsichtig griff ich nach ihnen, zog sie weg.

"Heißt das du magst mich? Also schon...?"

"Schon seit ich in der Agentur angefangen habe! Ja. Du warst aber vergeben und ich wollte sowieso keine Beziehung."

"Also war nicht nur Aiden der Grund dich zu verbergen! Du hattest Angst, ich könne auf die Idee kommen, dich zu verkuppeln!"

"Ja." , gab er kleinlaut zu. Er sah so niedlich verzweifelt aus, das ich schmunzeln musste.

"Schön dass du dich auf meine Kosten amüsierst!"

"Nicht schmollen!" , kicherte ich, strich einen Finger über seine leicht raue Wange. "Ich lache nicht über dich. Höchstens weil du so niedlich wirkst! Ich lache über die Absurdität des Lebens! Ich fand dich heiß! Die ganze Zeit, aber du warst so arschig! Es war einfacher mich hinter meiner unglücklichen Beziehung zu verstecken und mich gar nicht erst zu bemühen hinter deine Maske zu sehen. Aber mein Hirn hatte anderes vor und hat mir oft unanständige Träume von dir geschickt! Umso heißer diese waren, desto mehr wollte ich dich verabscheuen!"

"Unanständig?" , das Wort war nur ein Raunen an meinem Ohr. Sein Atem wanderte heiß über meinen Hals. "Wie unanständig?" Ich erschauderte unter der zarten Berührung seiner Lippen an meiner Wange, drehte mein Gesicht zu seinem.

"Soll ich es dir zeigen?"

Ein kurzer, doch tiefer Blick verband uns, ein Ruck ging durch uns. Wie Magnete zogen sich unsere Lippen an und ein weiteres Feuerwerk explodierte in mir.

Rainbow PatchworkWhere stories live. Discover now