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AMELIA

Die Zeit auf der Yacht war schön. Es hat sich angefühlt wie Urlaub, den ich genießen konnte. Auf dem Wasser vor der Stadt, habe ich mich frei gefühlt, auch wenn ich das nicht war. Ich werde nie mehr ganz frei sein. Vielleicht sollte ich das akzeptieren. Ich kann es nur einfach nicht.
Wenn mich die Polizeischule von Scotland Yard eins gelernt hat, dann ist es, nicht aufzugeben. Egal wie verzwickt die Situation sein mag. Das konnte ich in der Vergangenheit sowohl auf meinen Job als auch mein Leben anwenden. Seit ich in Sergios Schusslinie geraten bin, hat das allerdings aufgehört. Von einem skrupellosen Mörder zum nächsten geschleppt zu werden, hat einiges damit zu tun. Trotzdem ist das Bild, was sich mir gerade bildet, traumhaft schön.

Es regnet. Wie an einem normalen Tag im April, geht ein Schauer auf die Stadt hinab. Seit unserem Ausflug zur Yacht sind einige Tage vergangen. Nach unserer Rückkehr, hat Timéo sich mehr denn je seiner Arbeit gewidmet. Keine Ahnung, was er da unten mit Quentin treibt. Mir bleiben nur die Hausmädchen und die sind nach wie vor äußerst schweigsam. Langsam zweifle ich daran, dass sie mich überhaupt richtig verstehen.
Es ist einsam hier für mich. Den ganzen lieben Tag rumzusitzen, fühlt sich falsch an. Ich will so gern zurück, auch wenn ich London in diesem Moment nicht vermisse. Dort wird es grau und kalt sein. Hier ist es immerhin warm.
Seufzend sinkt meine Stirn gegen die kühle Scheibe. Das große Fenster, vor dem ich im Wohnzimmer stehe, beschlägt, als ich meinen Atem dagegen hauche. Tropfen perlen am Glas hinab. Ich sehe zu wie sie in der Bodenrinne versickern. Nicht mal die Männer sind zu diesem Wetter draußen und patrouillieren im Garten. Ich weiß ohnehin nicht, was dieser Aufriss soll. Eines aber ganz genau - und zwar das hier was gewaltig stinkt. Was treiben die da unten?
Neugierig drehe ich mein Gesicht über die Schulter hinweg. Ein Hausmädchen biegt gerade in die Küche ab. Sonst bin ich allein.

Neugierig umrunde ich das weiße Sofa, steige die wenigen Stufen hinauf aus dem abgesenkten Couchbereich hinaus. Leise Musik spielt wie jeden Tag in den Räumen der Villa. Mozart, glaube ich. Das Gedudel wirkt beruhigend, aber manchmal wünschte ich mir, es wäre einfach komplett still. Aber dann gehe ich in mein Schlafzimmer und schließe die Tür.
Ich weiß nicht, wieso ich dachte, dass es anders wird nach der Hochzeit. Timéo hat mich bis jetzt noch nicht gezwungen, in einem Zimmer mit ihm zu schlafen und das ist auch gut so. Ich würde es nicht ertragen. Ja, auf der Yacht haben wir viel unanständigere Dinge getan. Aber das war anders. Der Moment hat es hergegeben. Jetzt fällt es mir wieder schwerer, nicht an das, was in London passiert ist, zu denken. In Momenten, in denen ich allein bin, strömt manchmal alles flutartig auf mich ein.

In den Fluren der französischen Villa, ist es so still, dass ich meine nackten Füße auf dem polierten Boden hören kann. Die glänzenden Hochglanzfliesen sind nicht so kühl wie das erste Mal, als ich nach meiner Ankunft auf sie trat. Dennoch können sie nicht verbergen, was sich unter dem Haus befinden muss. Die Kälte kriecht aus den Gewölben ins Haus.
Neugierig biege ich in Richtung der Kellertreppe ab. Die Wände werden von Gemälden geschmückt, die alle feinsäuberlich nebeneinander von der Decke hängen. Die Angelschnur, an denen sie befestigt sind, sieht man kaum. So schaut es aus, als würden sie vor der Wand schweben. Ich will gar nicht wissen, wie viel die gekostet haben müssen. Wenn er so viel wie in Paris für diese Dinger ausgegeben hat, na dann muss sein Portemonnaie geblutet haben. Wenn es das überhaupt jemals hat. Es sieht nämlich nicht so aus. Er ist steinreich.

»Buh.«
Erschrocken wirble ich herum und fasse mir ans Herz. Der Idiot steht hinter mir und hat mir das Wort ins Ohr geflüstert. Ich schlage auf seine Brust ein. »Man Timéo! Ich habe fast einen Herzinfarkt erlitten!«, schnauze ich ihn an und schlage nochmal auf seine Brust ein. In seinem blöden Outfit, dem hellen Hemd und der schwarzen Hose, steht er belustigt vor mir, als wäre er sich keiner Schuld bewusst. Idiot!
»Wirst es überleben, chérie. Glaubst du nicht, dass ich es ziemlich interessant fand, als mir einer der Männer erzählte, dass du in den Gängen rumspukst?«
Ich schnappe nach Luft. »Du überwachst mich«, stelle ich nüchtern fest. Meine verschränkten Arme dienen als Schutz vor ihm und vor allem, vor meinen Gefühlen. Er vertraut mir nicht.
»Nein chérie, das ganze Haus wird überwacht. Bei den Schätzen, die es hier gibt, ist das nur logisch, oder kleine Polizistin?«
Seine Antwort klingt tatsächlich plausibel. Zu plausibel für meinen Geschmack.
»Ach ja? Von denen hab ich hier noch nichts gesehen, Napoleon. Wo steckt die Beute von deinen Raubzügen?«
Für eine Sekunde ändert sich der Ausdruck in seinen Augen, doch er weicht so schnell wie er gekommen ist. »Zuerst-« er schaut an mir hinab, »ziehst du dir ein paar Schuhe an, chérie. Ich will dich nicht tragen müssen, weil deine Füße kalt werden.«
»Solange ich dich nicht tragen muss, Napoleon.« Ich klopfe ihm im Vorbeigehen auf die Schulter. Dann ziehe ich mir eben Schuhe an. Wenn mich das schlauer werden wird, tue ich was er sagt. Ich bin gespannt, was er mir zeigen wird.
»Hast du mich fett genannt?«, ruft er mir hinterher. Ich lache leise, und antworte nicht mehr, auch wenn er hinter mir läuft. Das lasse ich mal so stehen.

King of Marseille | 18+Where stories live. Discover now