Kapitel 3 - Cocktails für die Ladies

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Levy machte es mir leicht, meine Pläne für den Abend in die Tat umzusetzen. Er rief mich am späten Nachmittag an und teilte mir bedauernd mit, dass er noch ein extrem wichtiges Geschäftsessen hätte. Es würde demnach spät werden.

„Stört es dich sehr, wenn ich heute mit Mia ein bisschen feiern gehe?", fragte ich und kam mir dabei trotzdem vor wie eine falsche Schlange.
„Ach, ich hätte mich schon gefreut, wenn du mir das Bett vorwärmst, wenn ich nach Hause komme", witzelte er am Telefon, „aber, Quatsch, geh ruhig. Dann habe ich auch nicht so viel Druck nach Hause zu kommen."

Druck nach Hause zu kommen?

So empfand er das?

Ich ließ mich auf den Hocker fallen, der neben unserem Vintage-Telefontischchen stand. Gedankenverloren wischte ich mit den Fingerkuppen den Staub von den gußeisernen Verzierungen.
„Ava?", fragte er, als ich stumm blieb, „alles ok mit dir?"
Resigniert hob ich die Schultern, was er natürlich nicht sehen konnte.
„Ja, alles ok. Viel Erfolg dann heute Abend", sagte ich schließlich.

Mein Kummer darüber, dass Levy irgendwie anfing, sich ein Leben an mir vorbei aufzubauen, hielt jedoch nicht allzu lange an.

Unternehmungslustig öffnete ich den Kleiderschrank, der so geräumig war, dass, außer unseres französischen Bettes und zwei winzigen Nachttischen, kein einziges weiteres Möbelstück mehr Platz im Schlafzimmer gefunden hatte. Ich schob die unzähligen Bügel auseinander, um mir einen Überblick über die Garderobe verschaffen zu können, entschied mich für vier Blusen und drei Hosen und schleppte den ganzen Haufen ins Wohnzimmer.

Charles Darwin, mein Wellensittich, beäugte die ganze Aktion kritisch von seinem Vogelkäfig aus, auf dem er saß. Der kleine Kerl war uns letzten Sommer zugeflogen, hatte plötzlich völlig entkräftet auf dem schmalen Balkon gehockt und uns so hilfesuchend angesehen, dass Levy und ich uns einig waren, den gefiederten Besucher keinesfalls seinem Schicksal zu überlassen. Und so zog der Vogel bei uns ein, bekam einen Käfig zur Verfügung gestellt, der so gut wie nie geschlossen wurde und nahm seitdem rege an unserem Alltag teil.

„Weißt du, ich gehe wirklich nur, weil ich keine Lust habe, schon wieder alleine zu Hause zu hocken," erklärte ich ihm, während ich meinen neuen Spitzen-BH verschloss und in eine weiße, kurze Bluse schlüpfte.
Charles Darwin legte sein kleines Köpfchen schief und richtete sein eines schwarzes Stecknadelauge auf mich. Wenn ich genau hinsah, konnte ich mich darin spiegeln. Ein Bonsai-Spiegel sozusagen.

Ich zog die weiße Bluse wieder aus und probierte stattdessen eine mitternachtsblaue mit raffiniertem Ringer-Ausschnitt an. Die Form brachte meine geraden Schultern besonders gut zur Geltung. Ich kombinierte das Oberteil mit einer ausgestellten Levi's und weißen Chucks. Ein paar silberne Creolen machten den Look perfekt.

Charles Darwin startete einen kurzen Rundflug durch das Wohnzimmer und landete auf meiner Schulter.

„Mitnehmen kann ich dich nicht, am Ende würdest du wieder verloren gehen", gab ich zu bedenken, ließ ihn auf meinen Zeigefinger umsteigen und setzte ihn dann vorsichtig zurück in seinen Käfig.

Sorgfältig räumte ich die übrigen Kleidungsstücke wieder in den Schlafzimmerschrank, schaltete das Licht im Wohnzimmer und die kleine Flurlampe ein, bevor ich mich auf den Weg machte.

Der Schlüssel fiel mir zwei Mal aus der Hand, als ich ihn vom Schlüsselbrett nehmen wollte.
Liebe Güte Ava, dachte ich, vielleicht solltest Du doch besser zu Hause bleiben.

Als ich nach draußen trat, hatte der Himmel eine blaurote Färbung angenommen. Ein leichter, warmer Wind wehte mir entgegen, und mich überkam eine solche Lust, heute Abend feiern zu gehen, dass ich mich sofort wieder schuldig fühlte.

Die Sanduhr der Träume Where stories live. Discover now