Kapitel 8 - Andenken

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Mit schmerzenden Gelenken und blauen Flecken kam Louis nach einem anstrengenden Tag spät nach Hause. Er hatte nicht nur am Morgen seine letzte Prüfung, für die er die letzten Tage und Nächte durchgelernt hatte, geschrieben, sondern auch den Nachmittag und ebenso den frühen Abend damit verbracht, den Abschlussrummel aufzubauen.

Seine Schule war in dieser Hinsicht anders, weil kein gewöhnlicher Ball zu Ehren des Jahrgangs veranstaltet wurde. Stattdessen sprach sich die Schule für eine weniger formelle Feier aus, zu welcher jeder so kommen konnte, wie man wollte. Somit gab es eine offizielle Abschlusszeremonie zur Übergabe der Zeugnisse und einen Wochenendsrummel zum Feiern und Spaß haben. Jeder war herzlich eingeladen.

Louis hatte es sich in keinem Schuljahr entgehen lassen, den Rummel der anderen Abschlussjahrgänge zu besuchen. "Puh, hatte ich unterschätzt, wie viel Arbeit das ist", murmelte er geschafft vor sich hin, als er die Anstrengung in seinen Knochen spürte. Er hatte es gerade so geschafft, aus seinen dreckigen und verschwitzten Klamotten heraus in etwas Bequemes zu schlüpfen. Die ganze Zeit über war er so auf die Abschlussprüfungen fixiert gewesen, dass er die Gefühle, die ihn seit dem Streit verfolgten, eine Zeit lang ausgeblendet hatte.

Die Prüfungen waren vorbei. Es gab nichts mehr zu lernen, keine Bücher zu wälzen, keine stundenlange Rechnerei und kein stumpfsinniges Herunterbeten von Vokabeln. Von diesem Tag an galt es nur noch zu hoffen, dass die Examina gut verlaufen sind. Louis hatte das erste Mal seit Wochen einen freien Abend für sich allein. Ihm wäre es vor einem Jahr nicht einmal im Traum eingefallen, freiwillig seine Nase in ein Buch zu stecken, und doch war es zu diesem Zeitpunkt das Einzige, was dabei half, die Situation aus dem Kopf zu bekommen und die Gedanken an ihn in den Hintergrund zu schieben. Er wollte ihn stolz machen, obwohl er ihn auf dem Schulflur nur peripher erblickte, während Louis seine Augen voller Sehnsucht von Harry kaum lösen konnte.

Er vermisste ihn.

Sein herzliches Lächeln, das die ganze Welt problemlos mit Licht versorgen konnte.

Seine Art, das Leben zu leben; so ehrlich, voller Optimismus.

Er sammelte die Steine auf, welche das Leben ihm in den Weg legte, statt davor stehen zu bleiben oder darüber hinweg zu steigen.

Er vermisste seine Stimme, obwohl er ihn ab und zu auf den Fluren sprechen hörte, aber das war nicht das, was ihm fehlte. Ihm wäre schon ein banales Gespräch über das Wetter recht gewesen. Alles war besser als diese bedrückende Stille zwischen ihnen.

Louis fehlte die Art und Weise, mit der er ihn belehrte und aufzog.

Die frechen Kommentare.

In Louis' Herzen riss plötzlich die alte Wunde, die er provisorisch mit Tesafilm geschlossen hatte, wieder auf, als er den ersten Gedanken an Harry fasste. Sein Kopf war das erste Mal nicht mehr damit beschäftigt, sich so viel Wissen wie möglich zu verstauen. Der Tomlinson erinnerte sich an den Aufräummarathon in ihrem gemieteten Lagerraum, bei dem er ihm geholfen hatte.

Sie wühlten sich durch die staubigen Ecken des chaotischen Raumes. Normalerweise hatte jede Familie einen Dachboden oder Keller, in dem Dinge verstaut werden konnten, doch im Hause Tomlinson war der Dachboden zu niedrig, um dort etwas abstellen zu können.

Johannah hatte ihren Sohn darum gebeten, die Kartons zu beschriften und etwas Ordnung in das Chaos zu bringen. Als er das Wort Ordnung hörte, kam ihm nur eine Person in den Sinn: Harry Styles.

Mit einer dicken grauen Schicht überzogen entdeckte Harry hinter den Kartons, auf denen mit einer dünnen schwarzen Linie die Aufschrift Weihnachtsbeleuchtung zu erkennen war, einen länglich gezogenen Koffer, den er mit seiner Hand von den Staubmilben befreite.

Louis x Harry - Ozean PerleDove le storie prendono vita. Scoprilo ora