Kapitel 5: Das Erwachen

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• Vittorius •

Nichtsahnend sitze ich am warmen Lagerfeuer und beobachte die loderne Flamme, die schon bald nach einem neuen Holzscheit verlangen wird, da falle ich fast vom Pferd.

Zumindest würde ich das, würde ich auf einem Sitzen.

Lucan öffnet allen Ernstes seine Augen und das scheint ihn genauso zu überraschen, wie mich. Er regt sich leicht, blickt sich blinzelnd um und kneift dann die Augen zusammen. Mit Mühe und Not schält er sich zeitgleich aus der Decke und hält seinen Arm vor seine Augen.

Ich bin sofort bei ihm und bin direkt maßlos überfordert. Verflucht, was mache ich denn jetzt?

Darauf bin ich nicht vorbereitet!

„Lucan! Du hast es überlebt! Du hast mein Vampirgen überlebt! Du bist jetzt, was ich bin! Lucan, du bist ein Vampir! Lucan! Sieh mich an, Lucan!", kommt es voller Begeisterung aus mir heraus.

„Schreit woanders herum! Ihr seid so laut! Und scheiße, es ist so immens hell!", sagt er dann mit leicht rauer Stimme, als sei er heiser. Seine Augen kneift er immer wieder zusammen, genauso, wie er bei Geräuschen zusammen zuckt.

Ich ignoriere vollkommen was er sagt und ziehe ihn einfach in eine feste und innige Umarmung. Mich erleichtert und erfreut es so sehr, dass ich mich nicht beherrschen kann. Ich drücke sogar seinen Kopf fest an mich, als wäre er noch ein Kleinkind.

Nach ein paar Minuten merke ich erst, wie sehr ihn das zu beruhigen scheint. Er verharrt so, genau, wie ich auch verharre.

Und dann nehme ich das erste Mal bewusst dieses innere Band wahr, was Lucan und mich verbindet. Wieder weiß ich aus tiefstem vampirischem Instinkt heraus, was das bedeutet:

Es ist das Meister-Sprössling-Band, was sich zwischen uns beiden ausbildet. Unbewusst akzeptiert er mich so als seinen Meister und ich ihn als meinen vampirischen Nachkommen.

Wie ein Sohn, nur nicht auf biologisch-familiärer Ebene.

„Mein Vampirsohn", kommt es dann gerührt aus mir heraus.

„Was? Ihr spinnt doch! Ich nenne euch sicher nicht Vampirvater, das könnt Ihr knicken!", protestiert Lucan sofort.

Interessanterweise löst er sich aber nicht und versteckt sich weiter in meiner Umarmung, seine Augen sind sogar geschlossen.

„Geht das wieder weg?", will Lucan nach kurzem Moment des Schweigens nun wissen.

„Der Vampir in dir? Nein, der bleibt. Zumindest ist das bei mir so, du bist der erste andere Vampir", erwidere ich.

„Das meine ich nicht, ich meine diese heftige Blendung, sobald ich in die Nähe der Sonne schaue. Und ich höre den reißerischen Strom des Flusses bis hier! So werde ich nie wieder schlafen können!", erklärt Lucan dann leicht angespannt.

Dunkel erinnere ich mich an meine Verwandlung in einen Vampir. Besser erzähle ich ihm vorerst nicht davon, nicht, dass es ihn noch abschreckt. Außerdem schmerzt diese Erinnerung zu sehr und ich weiß nicht, ob ich bereit dazu bin, das mit jemandem zu teilen.

„Es wird eine Weile dauern, aber es wird besser. Das feine Gehör und die schärfere Sicht wird aber bleiben, mit der Zeit lernst du damit umzugehen", berichte ich in aller Ruhe.

Sonderlich beruhigen tut es ihn nicht.

• Lucan •

Jetzt hänge ich in den Armen eines erwachsenen Mannes und verstecke mich vor diesen wahnsinnig lauten Geräuschen und dem hellen Strahl der Sonne. Aber alles andere bringt mich um den Verstand und solange der Adelsarsch keine Anstalten macht das lösen zu wollen, sage ich nichts.

Prinz LucanWhere stories live. Discover now