Kapitel 7: Der Aufbruch

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• Vittorius •

In meiner Brust tobt noch immer der Zorn, weil diese Leute mit meinem Spross wie mit einem Haufen Dreck umgegangen sind.

Und das sind die verdammten Eltern von Lucan!

Auf dem abgelaufenen Weg vor dem Grundstück packe ich Lucan an den Schultern und fange seinen Blick ein. Er gibt sich stark, ich sehe aber deutlich, wie sehr ihn die Worte seines Vaters treffen.

„Du bist keine Enttäuschung, Lucan. Hast du das verstanden? Sieh mich an! Sie haben keine Ahnung von dem, was du täglich geleistet hast, hörst du?", rede ich ihm nun gut zu.

Was jetzt kommt, erstaunt mich. Ich sehe förmlich, wie er eine Mauer um sich zieht und er schiebt meinen Griff zur Seite. Meine Augenbrauen heben sich ein Stück, denn Lucan schiebt sich nun an mir vorbei und geht weiter.

„Kümmert euch um euren Kram", sagt er.

Er ist so stark in dem, was er da tut. Ich sehe vor allem aber den verletzten Teil seiner selbst, den er penibel hinter dieser Fassade verstecken will.

„Drei Zusammenschlüsse weiter kennt man uns nicht, dort suchen wir uns eine Bleibe für die Nacht", treffe ich dann als Aussage und folge ihm entlang des Weges.

Lucan sagt kein Ton und dieses Erlebnis muss er auch nicht jetzt aufarbeiten, wenn er das nicht will.

Schließlich gehen wir in guten Tempo die langen Pfade ab und laufen durch zwei Nachbardörfer, ehe wir beim dritten Dorf ankommen. Es liegt ein Stückchen weiter im Landesinneren, der Geruch des Meeres lässt schon nach.

Zaghaft klopfe ich an einer Tür eines Hauses, in dem noch Licht brennt. Lucan steht leicht schräg hinter mir, staunend sieht er mir dabei zu.

Das Familienoberhaupt öffnet die Tür und sieht mir skeptisch entgegen. Aber das lässt sich regeln.

„Verzeiht die späte Störung, ich suche für meinen Reisepartner und mich eine Bleibe für die Nacht. Gegen Bezahlung, natürlich. Habt Ihr einen Schlafplatz für uns?", frage ich betont freundlich nach und halte einen netten Betrag Taler in meiner offenen Handfläche.

Die Augen werden sofort groß und der Mann nickt. Und schon bittet er Lucan und mich ins Haus, er geht mit uns auch direkt in das obere Stockwerk.

„Macht euch keine Umstände, wir nehmen denselben Raum", sage ich, als ich die Lage der Räume hier bemerke.

Ehrfürchtig nickt der Mann und schon bekommen wir kurzerhand das freie Gemach, in dem zwei Betten ein Stück weit auseinander stehen. Hier nächtigen vermutlich sonst andere Familienmitglieder, die gelegentlich zu Besuch kommen.

„Mach es dir bequem, ich benötige keinen Schlaf mehr. Ich habe solange ein Auge auf die Umgebung", sage ich zu Lucan und lege mich zeitgleich in eines der Betten, um im Liegen gemütlich ein Buch zu lesen. Das krame ich noch aus der Tasche hervor, die nun neben meinem Bett liegt.

Lucan sieht dezent überfordert mit der ungewohnten Situation aus, aber er setzt sich auf die Matratze und starrt einen Moment lang in meine Richtung.

„Willst du vor der Nachtruhe auch noch was zum Lesen haben? Ich habe noch ein weiteres Buch dabei", biete ich dann freundlich nach.

Statt eine Antwort zu geben schüttelt er mit dem Kopf und rollt sich zur Seite, so liegt er nun mit dem Rücken zu mir. Er wirkt eh zunehmend müde und bei der Weichheit der Matratze lässt er dann sämtliche Hemmungen fallen. Genüsslich breitet er sich aus und schläft kurz darauf auch schon ein.

• Lucan •

Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so entspannt durchgeschlafen und sogar den Sonnenaufgang verpasst habe.

Prinz LucanWhere stories live. Discover now