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(Warnung: Zucker, purer Zucker ❤️)

Blaubeerherz schlich vorsichtig durch das hohe Gras, die Halme kitzelten ihre Nase und sie schaffte es gerade so, ein Niesen zu unterdrücken. Mit zusammengekniffenen Augen setzte sie eine Pfote nach vorne, den Schweif dicht an ihren Körper gepresst und die Ohren vorausschauend angelegt.

Sie hatte einen wichtigen Auftrag, den sie erfüllen musste, denn es hing der ganze Tag davon ab. Endlich erspähte sie ihr Opfer und presste sich dichter ins Gras. Auf keinen Fall durfte sie ihre Beute aufscheuchen, sonst wäre die Vorbereitung vollkommen umsonst gewesen.

In einem großen Bogen schlich sie um ihren baldigen, jedoch noch ahnungslosen Fang herum und brachte sich in Position. Auf den vom letzten Regen noch feuchten Boden gedrückt, wartete sie auf eine Regung ihrer Komplizen, die sich um sie herum im schwankenden Gras verteilt hatten.

Blaubeerherz warf einen kurzen Blick zur Schlucht und ihr Inneres zog sich bei dem Gedanken freudig zusammen, endlich wieder Fisch kosten zu können, nun, da der Wasserfall bald wieder vollständig aufgetaut war.

Die ersten Rotaugen waren bereits zurück, aber die großen Beutetiere, die sie im letzten Blattfall erlegt hatten, brauchten das wärmere Wasser, was erst in der späten Blattfrische kommen würde.

Ein Jaulen ertönte und blitzschnell richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf die Geschehnisse vor sich. Safranwind, die vor einem halben Mond ihre Kriegerprüfung bestanden hatte, rannte Seite an Seite mit Fuchsjäger durch die langen Halme und verfolgte den fliehenden Kater, der ihr nur einige Katzenlängen voraus war.

Schnurrend sprang auch die graue Kätzin los und kam ihrem Gefährten zur Hilfe. Der verführerische Duft von erlegtem Kaninchen stieg ihr in die Nase und sie verstand, Safranwind und der dunkelrote Kater hatten die Beute längst erwischt, jagten jedoch nun den mächtigen Krieger.

„Abendlicht, nenn mich noch einmal klein und ich zieh dir dein Fell über die Ohren!", knurrte Fuchsjäger während der Hetzjagd erbost und Blaubeerherz schnaubte belustigt, spürte allerdings, wie ihr schnell der Atem ausging. Furcht kroch in ihr Herz, denn es war lange her, dass sie Schwierigkeiten beim Atmen gehabt hatte.

Keuchend ließ sie sich ins Gras fallen und atmete tief ein und aus, im aussichtslosen Versuch, mehr Luft in ihre Lungen zu bekommen. Endlich wurden die schwarzen Punkte, die sich vor ihren Augen gebildet hatten, weniger und sie konnte sich aufrichten.

Hoffentlich hatte Abendlicht ihre kurze Schwäche nicht mitbekommen, sonst würde er sie zu Schwarzwasser ziehen und dafür sorgen, dass sie sich drei Sonnenhoch schonte. Doch Blaubeerherz wollte ihren Körper endlich wieder an seine Grenzen bringen, die zufriedene Erschöpfung eines anstrengenden, aber erfolgreichen Tages spüren.

Sie war es leid, vorsichtig zu sein und nur Aufgaben zu erledigen, die nicht zu anstrengend waren. Safranwind, Minzduft und Salbeiblatt waren nun endlich zu Kriegern ernannt worden und sie wusste, ihre Jungen waren so weit, auf eigenen Pfoten zu stehen.

„Blaubeerherz, was ist los?", miaute eine sanfte Stimme hinter ihr und erschrocken fuhr sie herum, doch dann erkannte sie ihren Gefährten. Abendlicht tappte ohne ein weiteres Wort zu ihr herüber und presste sich an ihren Pelz, schenkte ihr Zuneigung.

„Ich möchte das nicht. Nicht schon wieder. Ich werde wieder fast acht Monde in der Kinderstube gefangen sein, ohne die Möglichkeit, unsere Jungen aus den Augen zu lassen."

Sie drückte ihre Schnauze an die Schulter ihres Liebsten und ließ kraftlos den Kopf sinken. Die Kätzin kannte das Gefühl, keinen Atem für die kleinsten Dinge zu haben, nur zu gut. Ihre letzten Jungen hatten ihr alles abverlangt und sie hatte lange gebraucht, um sich von der Anstrengung zu erholen, die ihre Geburt mit sich gebracht hatte.

Liebevoll schob sich eine Pfote unter ihr Kinn und sie blickte hoch, direkt in die warmen Augen Abendlichts. Sanft schnurrend lehnte er sich an sie und fuhr ihr mit der Zunge über das Fell, während er leise vor sich hin murmelte. Nur langsam konnte sie Worte im unverständlichen Ton, den er anschlug, erahnen.

„Blaubeerherz, ich habe eine Lösung", verkündete er auf einmal stolz und die Kätzin musste bei dem Anblick, der sich ihr bot, unwillkürlich lächeln. Der Hellorangene saß vor ihr, die Brust herausgestreckt und ein aufgeregtes Funkeln in den Augen. Es kam ihr vor, als seien sie gerade erst in den Höhlen angekommen, wie in der schicksalhaften Nacht, als Abendlicht ihr das neue Lager gezeigt hatte.

Er wirkte wieder wie der Schüler, in den sie sich vor so langer Zeit verliebt hatte. Und mit einem Mal wusste sie, was immer er für eine Idee gehabt hatte, sie würde sie sich anhören.

Der Krieger hatte wohl ihren entschlossenen Blick bemerkt und begann sofort: „Meine Liebe, ich freue mich unglaublich. Aber ich weiß, dass die Geburt von Safranwind, Salbeiblatt und Minzduft anstrengend war und ihre Erziehung noch anstrengender. Jetzt übernehme ich den Teil in der Kinderstube, das ist nur gerecht. Wenn unsere Jungen entwöhnt sind, kümmere ich mich um sie und du kannst deine Kriegerinnentätigkeiten wieder aufnehmen."

Der Kätzin klappte das Maul auf vor Überraschung. Was wollte er tun? Ihren Posten in der Kinderstube übernehmen? Würde er das wirklich?

„Blaubeerherz, du bist das Beste, was mir je widerfahren ist, ich mache das sofort, wenn es dir guttut", murmelte der Kater mit einem liebevollen Blick und sie schmiegte sich überwältigt an ihn.

Bevor die baldige Königin sich versah, hatte sie die Wanderung der Sonne in Richtung ihres Wassernests verpasst und nur noch ein Schimmer Tageslicht war am Horizont zu entdecken. Abendlicht hatte sich neben ihr zusammengerollt, seinen Kopf auf ihrer Schulter abgelegt und war noch im Tiefschlaf versunken.

Den grauen Pelz gegen die abendliche Kälte aufgestellt, wartete sie geduldig, bis ihr Gefährte sich rührte und seine bernsteinfarbenen Augen öffnete. Ihr Magen war jedoch nicht so nachsichtig und grummelte laut, was den Krieger aufschrecken ließ.

Ihr Gefährte verzog das Gesicht und gähnte mit weit aufgerissenem Maul. Seine Schwanzspitze zuckte unruhig und Blaubeerherz erkannte an der altbekannten Geste, dass er nun wirklich wach war. Und Abendlicht hatte, genau wie sie auch, Hunger.

„Lust auf eine Mitternachtsjagd?", fragte der Kater sie lächelnd und sie antwortete nicht einmal mehr, sondern sprang bereits in Richtung Wald. Der Fluss war noch zu kalt, aber glücklicherweise hatte der WolkenClan ihnen ein Stück Wald überlassen, in dem der FlutClan kleine Nager jagen konnte.

Die Kätzin übernahm die Führung, war sie doch die bessere Jägerin an Land. Zur alten Birke wollte sie, denn dort gab es die besten Wühlmäuse im gesamten FlutClan-Territorium. Doch kaum war sie in einen schnelleren Lauf gefallen, ging ihr die Luft aus.

„Das ist doch zum Mäusemelken", fluchte sie leise und wurde langsamer, während Abendlicht sie besorgt ansah. Sie schüttelte nur den Kopf und ließ den Schwanz hängen. Bei ihrer ersten Trächtigkeit hatte es auch so begonnen, sie war schwächer, langsamer und träger geworden, während ihr Bauch immer weiter anschwoll.

Blaubeerherz ließ sich von ihrem Gefährten stützen, obwohl sie nicht so schwach hatte wirken wollen. Es saß ihr noch tief in den Knochen, dass sie wieder Junge erwartete und bald drei Monde in der Kinderstube verbringen durfte.

Sie schob sich vorsichtig an einigen Zweigen vorbei, um kein Geräusch zu verursachen, das Beute verscheuchte, doch der Anblick, der sich ihr bot, ließ sie zur Salzsäule erstarren.

Zwei Gestalten saßen dort im Mondschein, so eng aneinander geschmiegt, sie hatte sie fast für eine Katze gehalten. Blaubeerherz erkannte eine von ihnen, war er doch ihr bester Freund. Nur ein Wort verließ ihr Maul, dennoch schien es die unnatürliche Stille wie ein Donnerschlag zu unterbrechen.

„Schwarzwasser?"

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Theorien?

Die Lavendel-Chroniken: Teil 1-2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt