Anfang

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1 Monat später

Das Ypsilon-Klasse-Kommandoshuttle setzte mit einem dumpfen Geräusch auf der von schwarzem Feinstaub übersäten Landeplattform auf. Vor der Kulisse des gewaltigen dunkelgrauen Turmes, der hoch in den blutroten Himmel ragte, wirkte es wie ein Insekt. Als die Rampe mit einem Zischen auf dem Boden absetzte, wirbelten schwarze Staubwolken auf. Noch bevor sie sich gelegt hatten, verließ eine in dunkle Kleider gehüllte Person das Shuttle. Es war lange her, dass jemand die Festung aufgesucht hatte. Der unbekannte Besucher hatte die Kapuze tief in die Stirn gezogen und blieb einen Moment am Fuße des kolossalen Gebäudes stehen. Außerhalb des Schiffes war es beinahe unerträglich heiß. Er wischte sich erste Schweißperlen von der Stirn, zögerte. Dann ließ er seine rechte Hand wieder unter seinem Umhang verschwinden, der sich über seiner linken Hand leicht wölbte. Ben blickte einen Moment zu Boden, wo sich der Staub langsam auf seine Stiefel legte. Er tastete mit den Fingern über den Gegenstand in seiner Hand. Letztlich gab er sich einen Ruck, erklomm die wenigen Stufen und öffnete die Schwere Flügeltür mithilfe der Macht.

Im Inneren des Turmes schlug ihm eine angenehme Kühle entgegen. Entweder ein Teil des klimatischen Systems hatte die Jahrzehnte der Vernachlässigung überstanden oder die Mauern waren so gebaut wurden, dass das Gebäude auf natürlichem Wege immun gegenüber der erstickenden Hitze des Planeten war. Anstatt sich umzusehen, marschierte er teils von Erinnerungen geleitet teils intuitiv einen finsteren Gang hinab, ehe er in einem großen Raum landete. Hinter den verrußten Scheiben dampfte und brodelte es. Er konnte vage ein rotes Glimmen am Horizont erkennen. Am Ende des Raumes führten einige Stufen auf eine Plattform hinauf. Ben setzte sich widerwillig in Bewegung. Eine Düsternis drückte auf sein Herz, ohne ihn zu überraschen. Er kannte ihren Ursprung, war darauf vorbereitet gewesen. Dennoch haderte er nun damit. In den Wochen seit seiner Verlobung hatte es einige Unterfangen wie dieses gegeben. Er wollte seine Vergangenheit konfrontieren, wollte der Anführer sein, den Rey und seine Mutter in ihm sahen, wollte mit gutem Beispiel vorangehen, sodass ihm die Erste Ordnung folgen würde, wenn es darum ging, über alte Wunden hinauszuwachsen. Tief in seinem Inneren wusste er, dass er es nicht um Rey's Willen oder seiner Mutter zuliebe tat — keine der beiden wusste, dass er hier war. Vielmehr versuchte er, selbst Frieden zu finden, was sich bei jedem Vorhaben erneut als eine Herausforderung erwies. Du erwartest zu viel, zu schnell, hatte Rey erst kürzlich tadelnd zu ihm gesagt. Glaubst du wirklich, Schocktherapie ist der beste Weg? Er verstand ihre Zweifel, doch die Wahrheit war, dass er es hinter sich bringen wollte. Es gab so viel zu tun! Er wollte sich neben den allmählich anlaufenden Verhandlungen, der Hochzeit, der Ersten Ordnung, seiner Beziehung zu Rey und zum Widerstand nicht auch noch mit Phantomen seiner Vergangenheit herumschlagen müssen... Vielleicht war es unausweichlich, aber so lange ihm Dinge in den Kopf kamen, die er sofort erledigen könnte, folgte er dem Instinkt. Er seufzte leise. 

Ben stieg langsam die Treppen nach oben. Von der Plattform aus überblickte er schließlich die Vulkanlandschaft, an der sich seit seinem letzten Besuch mit Snoke nicht viel geändert hatte. Ihm lief ein Schauer über den Rücken, als er daran dachte. Damals war er aufgeregt gewesen. Er hatte das Gefühl gehabt, einen intimen Blick in das Leben seines Großvaters zu werfen, als er in der Kommandozentrale gestanden und den majestätischen Sessel gesehen hatte, der einst Vader gehört hatte. Als er seinen Blick nun durch den Raum wandern ließ, fühlte er nichts als Verwirrung angesichts der verzerrten Wahrnehmung, die er damals gehabt hatte. In diesem Raum war nicht viel von seiner ursprünglichen Wirkmächtigkeit zu spüren. Finsternis. Verfall. Dieser Ort war ein Testament der Vergänglichkeit, wie so viele andere Orte in der Galaxis auch.

Rechts von ihm führte eine Tür auf einen Balkon hinaus, aber es war angenehmer, die Umgebung von innen in Augenschein zu nehmen. Von beiden Seiten der Burg fielen Lavaströme in die Tiefe, ehe sie sich in einigen hundert Metern Entfernung zu einem breiten Fluss vereinten. Schwarze Hügel aus Kies und rußige Felsen trotztem den glühenden Strömen und erinnerten an Grind bei einer Wunde, die niemals völlig heilte. Hier und da waren Gebäude errichtet wurden, ragten Pfähle aus dem Boden und standen Maschinen am Rande des Lavaflusses — aber sie alle hatten schon lange jegliche Funktion verloren. Ben's Griff um das Ding in seiner Hand verstärkte sich. Er hatte nicht vor, lange zu bleiben. Entschieden zog er sich den Umhang zurecht, dann trat er durch die Tür nach draußen auf den Balkon. Die Hitze schlug ihm wie eine Warnung entgegen. Kurzerhand löste er die Kapuze und fuhr sich mit einer Hand durch sein bereits schweißverklebtes Haar. Er lief auf den Rand des Balkons zu, von dem man über ein altes, rostiges Geländer in die feuerrote Tiefe blicken konnte. Gleißende Lavaströme warfen ihr grelles Licht auf die ansonsten düstere Umgebung, ohne sie wirklich zu erhellen. Er hatte so viel über den Planeten gelesen. Es war eine seiner Lieblingsbeschäftigungen als Junge gewesen. Einer der wenigen Vorzüge der Arbeit seiner Mutter war der Zugang zum Senatsarchiv und den diversen Datenbanken gewesen, der mit einer Stellung als Senatorin einherging. Zwar hatte der Sturz der Republik Historikern, die sich mit dieser Episode befassten, das Leben schwergemacht. Doch gab es dennoch Berichte, die die Regime-Wechsel überstanden hatten, und er kannte sie alle. Er wusste, dass Mustafar ein Schauplatz in der Tragödie gewesen war, die die Jedi zu Fall gebracht und den Imperator auf den Thron gehoben hatte. Er spürte es. Ben war gekommen, um dieses Kapitel der Geschichte endlich zu beenden. Zuvor hielt er jedoch einen Moment inne, schloss die Augen und versuchte sich zumindest ansatzweise vorzustellen, wie es damals gewesen sein mochte. Die Geburt eines Monsters. Ein tragischer Unfall? Bilder offenbarte die Macht ihm nicht, aber er identifizierte schnell eine Reihe an Emotionen, die er bereits bei seiner Ankunft gespürt hatte: Finsternis, Schmerz, Kummer, Leid, Zorn, Verrat, Verderben — Tod. Sie waren allgegenwärtig. Er atmete sie mit der flimmernden Luft. Er schmeckte sie auf seinen vor Hitze trocken gewordenen Lippen. Sie schienen fast greifbar zu sein.

Eine neue ÄraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt