Wie es geschah

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Kapitel 68- Wie es geschah
Es war nun schon der 19. Juni und Josh war nun schon zwei Wochen in Amerika.
Ich arbeitete wieder bei Stan im Tattoostudio, hatte mittlerweile sogar seinen Bruder Kevin kennen gelernt.
Kevin und ich verstanden uns genauso gut wie Stan und ich.
Während ich auf Tour gewesen war, hatte ich fast schon vergessen, wie sehr ich meinen eigentlichen Beruf doch liebte.
Stans Bruder besaß ebenfalls ein Tattostudio, allerdings in New York City.
Er hatte versucht mich abzuwerben und einen Augenblick lang hatte ich darüber nachgedacht, doch ich hatte dann doch abgelehnt.
Wenn ich Interesse hätte, sollte ich mich einfach bei ihm melden, hatte Kevin nur gemeint und Stan hatte lachend behauptet, dass ich ihm gehören würde.
Kindsköpfe.
Von One Direction hörte ich recht wenig, was mich zum einen nicht störte und zum anderen dann doch traurig machte.
Klar, der Kontakt via SMS und Anruf war dann doch recht kostspielig von Amerika aus, aber ich fühlte mich fast so, als hätten sie mich vergessen.
Ich skypte ein paar Mal mit Will, mit Liam und mit Preston.
Liam erzählte mir, dass er eine alte Freundin wiedergesehen hatte in seiner freien Zeit und die beiden wohl zusammen waren, aber noch war das geheim.
Ich freute mich für ihn, auch wenn ich mich mal wieder fühlte wie eine Pfanne.
Mom hatte früher immer gesagt, dass es für jeden Topf einen Deckel gab.
Spätestens jetzt stand also fest, dass ich eine Pfanne war.
Mom war wütend in den letzten Tagen, wütend auf Dad und sogar wütend auf mich, wobei ich nicht wusste, was ich ihr getan hatte.
Sie schrie nur noch herum und ich rettete mich mit Dad vor ihr.
Josy verbrachte einige Tage bei ihrer Familie und würde erst am 29. Juni wiederkommen, Stacy hatte sie natürlich mitgenommen.
Als ich mit Dad vom Fußballspiel wiederkam, war Mom verschwunden.
Ein Zettel am Esstisch verkündete, dass sie für eine Weile bei ihrer Schwester wohnen würde.
Das hier war also ernsthaft problematisch.

***

Der 29. Juni kam und somit auch Josy und Stacy.
Wir wollten uns einen Frauenabend machen, dazu gehörten natürlich ein Barbiefilm für die Zeit, in der Stacy bei uns sein würde, und ein kitschiger Liebesfilm für die Zeit, in der meine Lieblingsnichte schon im Bettchen sein würde.
Nachmittags besorgte ich noch Getränke und Popcorn von Sainsbury's, erwischte gerade noch Dad, wie er aus der Haustür ging, als ich zurückkam.
„Wohin gehst du?", fragte ich ihn.
Er sagte mir, dass er sich mit einem Freund treffen würde.
Ich solle nicht auf ihn warten, er würde sich noch ein Fußballspiel anschauen und dann erst spät zurückkehren.
„Bis dann, Dad", sagte ich und war froh darüber, dass er glücklich zu sein schien.
„Bis dann, Prinzessin", erwiderte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn, ehe er in den Wagen stieg und losfuhr.
Der Frauenabend begann und nach fast zwei Stunden mit rosa Elfen, die aussahen wie Barbiepuppen, brachte Josy Stacy ins Bett.
Dann begann The Vow mit Channing Tatum.
Es war bereits nach Mitternacht, als ich schließlich ins Bett ging.
Eigentlich musste ich morgen arbeiten und somit auch recht früh aufstehen.
Gähnend zog ich mich um, zog die Bettdecke über mich und versuchte zu schlafen.
Ein Gefühl in mir hielt mich noch eine Weile wach, ich wusste aber nicht, was mir dieses Gefühl sagen wollte.
Vermutlich war ich einfach nur hungrig.
Seufzend stand ich noch einmal auf und schlich mich leise in die Küche.
Dort machte ich mir ein kleines Sandwich mit dem, was der Kühlschrank noch so her gab.
Gerade als ich in das Sandwich gebissen hatte, klingelte es an der Tür.
Herzinfarkt.
Beinahe ließ ich mein Essen fallen.
Schnell lief ich zur Tür, ehe Dad noch einmal klingeln konnte.
Er würde noch Stacy und Josy wecken.
Ich riss die Tür auf und nuschelte mit halbvollem Mund: „Mensch, Dad, klingel doch nicht so spät, die beiden schlafen scho-"
Ehe ich den Satz beenden konnte, erstarrte ich.
Vor mir stand nicht Dad.
Nein, vor mir standen zwei Polizisten.
„Sie sind eine Verwandte von Henry Devine?", wollte einer der beiden wissen.
Sie wirkten ernst.
„Ich bin seine Tochter, wieso? Hat er was angestellt? Ich schwöre, er ist einer der besten Menschen überhaupt! Sie dürfen ihn nicht einsperren", stammelte ich sofort panisch.
„Nein, das ist es nicht", meinte nun der zweite Polizist, „Dürfen wir vielleicht kurz herein kommen?"
Wir setzten uns an den Küchentisch und ich war so nervös, dass ich den Gedanken an meine mehr oder weniger fehlenden Kleidungsstücke, wie zum Beispiel meine Hose, einfach nicht beachtete.
„Miss Devine, wir haben schlechte Nachrichten an sie", sagte der braunhaarige Polizist.
Er war vielleicht Mitte zwanzig und sah betroffen aus.
Irgendwie war mir jetzt schon klar, was hier los war.
Ich wollte es nur nicht wahr haben.

***

*Joshs Sicht*
Wir waren heute im Jones Beach Theatre und würden hier später spielen, in etwa sieben Stunden vielleicht.
Gerade kam ich vom Soundcheck und setzte mich zu den anderen in Sarahs Küche, denn es war Zeit für das Mittagessen.
Anfangs war das ganze komisch gewesen, denn die Zeitverschiebung betrug fast einen halben Tag.
Gerade als ich mir Essen auf meinen Teller gemacht hatte und die erste Gabel zu meinem Mund führen wollte, klingelte mein Handy.
Wir waren hier alle wie eine Familie, ich kannte jeden hier seit einigen Jahren.
Wieso also sollte ich nicht wollen, dass sie meine Telefongespräche mithörten?
Es war Liza, die mich anrief, was mich überraschte.
Entweder sie wusste nicht, wie teuer das für sie sein würde oder es war ihr egal.
„Hi, Kleine", meldete ich mich und konnte mein Grinsen nicht verbergen.
Natürlich freute ich mich, wenn meine Schwester anrief.
Ich bemerkte die Blicke aller auf mir liegen.
Sie mochte Liza, das wusste ich und das merkte ich auch.
„Josh", schluchzte sie jedoch in mein Ohr, „Es ist etwas ganz Schlimmes passiert."
Ich wusste nicht, woran ich zuerst denken sollte.
War das Haus abgebrannt oder hatten sich Mom und Dad getrennt?
Würde sie deswegen so weinen?
War noch etwas Schlimmeres passiert?
War Josy okay?
Und Stacy?
„Was ist los?", flüsterte Preston mir zu.
Er saß mir gegenüber und musste meinen Gesichtsausdruck bemerkt haben.
Ich zuckte ratlos mit den Schultern und unterbrach Liza beim Weinen: „Was ist passiert, Liza?"
„Dad hatte einen Unfall. Er ist...Er ist..."
Sie konnte den Satz nicht beenden, das Wort nicht aussprechen, doch ich wusste, was sie meinte.
Mein Herz schien nicht mehr zu schlagen.
„Er ist tot?", keuchte ich auf.
Ich war überfordert mit der Situation.
Noch könnte es sein, dass ich das alles falsch verstanden hatte.
Dass das gar nicht Liza war, sondern sich jemand verwählt hatte.
Dass Dad am Leben war.
Dass alles in Ordnung war.
„Ja", antwortete Liza und weinte weiter.
Und das war der Moment, in dem mir alles schwarz vor Augen wurde und ich schließlich ohnmächtig wurde.
Dad war tot.

***

Ich war nicht fähig, am Abend beim Konzert zu spielen.
Stattdessen machten das Ashton und Justin für mich, die beiden teilten die Lieder auf, sodass sie das alles ganz gut spielen konnten.
Marco fand das nicht besonders gut, doch er schien es zu verstehen.
Am nächsten Tag flog ich nachhause.
Liza war ein Wrack, sie weinte durchgehend und sah schrecklich aus.
Es brach mir das Herz, sie so zu sehen.
Josy weinte ebenfalls, doch sie hielt das noch in Grenzen und konnte sich um Stacy kümmern.
Mir ging es natürlich alles andere als gut, aber ich musste für Liza stark sein.
Sie und Dad hatten immer diese besondere Beziehung zueinander gehabt.
Stacy war ebenfalls traurig, aber sie verarbeitete das ziemlich gut für ein kleines Kind.
Die Jungs sprachen mir ihr Beileid aus, riefen mich an und fragten mich, wie es uns allen ging.
Es war eine schwierige Zeit und ich war froh, dass ich bei meiner Familie sein konnte.
Am 11. Juli war meine Rückkehr zur Tour geplant.
Wir hatten Dad bereits am 7. Juli beerdigt, zwei Tage vor meinem Geburtstag.
Dieses Jahr war die Laune zu feiern nicht wirklich da, deswegen war es wie ein normaler Tag für mich.
Es war der Abend von meinem Geburtstag, der meine Entscheidung veränderte: Ich saß mit Josy im Garten, dachte über Dad nach.
Ich vermisste ihn.
Liza und Stacy waren schon im Bett, zumindest sollten sie dort sein.
Ich wusste, dass Liza Stacy manchmal erlaubte länger aufzubleiben.
„Josh, geh nicht", bat mich Josy und brach die Stille, „Bitte geh nicht. Ich will dich nicht verlieren. Stacy brauchte einen Vater, besonders dieses Jahr noch. Sie geht noch nicht in den Kindergarten, den Platz bekommt sie erst nächstes Jahr. Du kannst sie nicht alleine lassen. Und mich auch nicht. Bitte geh nicht."
„Wie sollen wir sonst Geld verdienen? Du arbeitest nicht und ich müsste mir einen anderen Job suchen. Der bei One Direction ist gut bezahlt, Josy. Du weißt, ich liebe dich. Und Stacy auch."
Ich sah sie aufmerksam an.
Sie seufzte, atmete tief durch: „Ich weiß. Versteh mich bitte nicht falsch, aber Henry hat dir doch Geld vererbt und wir könnten davon leben. Bitte. Ich will dich nicht auch verlieren."
Auch wenn es dunkel war, so konnte ich dennoch sehen, wie eine Träne sich den Weg über ihre Wange bahnte.
Sie weinte.
Wow, was für ein toller Mann ich doch war.
Brachte meine Freundin zum Weinen.
Ich legte meine Hand an ihre Wange und zwang sie so mich anzusehen.
„Hey, babe, wenn du nicht willst, dass ich gehe, dann werde ich bleiben."
Sie sah mich an: „Wirklich?"
„Wirklich."

*jetzt wieder Lizas Sicht*

@LizaDevineDrumsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt