Wie sich das Schlechte aufhäufte

1K 55 6
                                    

Kapitel 77- Wie sich das Schlechte aufhäufte
Es war der neunte Oktober und wir waren bereits in Melbourne und Sydney gewesen.
Morgen würden wir dann in der CBS Canterbury Arena Christchruch spielen, doch heute stand erst einmal Kuchen an.
Der Anlass?
Mark Jarvis hatte Geburtstag.
Nachdem er uns dann alle zum Sport genötigt hatte, saßen wir alle nachdem Mittagessen zusammen auf dem Hotelflur und aßen Kuchen.
So langsam gewöhnte ich mich daran, dass man einfach auf dem Hotelflur sitzen konnte, auch wenn es extrem ungewöhnlich war.
Ich hatte das früher nie gemacht und ich war mir sicher, dass man auch als verrückt bezeichnet wurde, falls man das machen sollte, ohne dass man mit One Direction arbeitete.
Der Kuchen war ein Schokokuchen, was mir besonders deshalb gut gefiel, weil ich Schokolade liebte und weil ich gerade mal wieder meine monatlichen Fressattacken hatte.
Wie ich es doch manchmal hasste eine Frau zu sein.
Ich hatte Mark ein Bild von ihm selbst gezeichnet und ihm das geschenkt, da er mal gemeint hatte, ob ich ihm nicht eine Zeichnung von ihm anfertigen könnte.
Er hatte sich richtig darüber gefreut, nur leider nicht genug, um mich vom Training auszuschließen.
Lou schimpfte über ihre Figur, die ja angeblich schrecklich sei.
Morgen würde sie Geburtstag haben und das bedeutete, dass es mal wieder Kuchen geben würde.
Schrecklich.
Ob ich auch so werden würde, wenn ich erst einmal in ihrem Alter sein würde?
Niall und ich stopften uns voll mit Kuchen, einfach weil wir es konnten und wollten.
Er war so süß zu mir und mit jedem Tag, den ich mit ihm verbrachte liebte ich ihn ein Stück mehr, auch wenn das jeden Tag aufs Neue unmöglich zu sein schien.
Erst heute Morgen hatte er zu mir gesagt, dass das mit uns etwas ganz Besonderes sei.
Dass man das nie wieder finden würde und nie toppen könnte.
Mal wieder schleppte ich diese rosarote Brille mit mir herum.

***

Am 11. Oktober, einen Tag nach Lous Geburtstag, hatten wir frei.
Mir gefiel diese Tour, da wir ständig einen oder zwei Tage frei hatten, was bedeutete, dass es nicht so stressig wurde.
Zudem speilten wir meist in einer Stadt zwei- oder dreimal hintereinander, was dann auch bedeutete, dass wir immer in Hotels wohnten und nicht im Tourbus schlafen mussten.
Mein Rücken war deswegen extrem dankbar.
Ich war glücklicher denn je, auch wenn Josh mir so langsam auf die Nerven ging.
Er ließ mir keinen Freiraum, nervte wo es nur ging und stresste mich seit Neustem auch noch an, weil ich ja dies falsch machen würde und das und jenes und bla bla bla.
Wir hatten uns gestritten und zwar nicht nur irgendwie, sondern gleich richtig.
Er hatte mir allen Ernstes gesagt, dass ich nur noch nachhause kommen sollte, wenn ich meine Sachen abholen wollte.
Ansonsten bräuchte ich nicht mehr aufzutauchen.
Ich wusste, dass er es eigentlich nicht so meinte, aber irgendwie wusste ich auch, dass er es genau so meinte.
Er war Vater geworden und das bedeutete jede Menge Stress für ihn, das verstand ich ja, aber es tat trotzdem irgendwie weh.
Es tat verdammt weh.
Sein Verhalten war irgendwie erklärbar, aber nicht verzeihbar.
So kam es, dass ich jeden Kontakt zu ihm mied, denn wenn ich dann doch mal mit ihm sprach, kam nur Ärger dabei heraus.
Josy hatte versucht zu schlichten, doch das war gründlich schief gelaufen.
Ich war also umso mehr froh, dass ich mit Niall gerade so glücklich war.
Er war das einzige, das ich momentan noch hatte.
Klar war ich mit den anderen auch befreundet, aber das war eben nicht dasselbe.
Zudem würde ich die anderen vermutlich nach der Tour kaum noch sehen und das bedeutete, dass ich den Kontakt zu ihnen vermutlich mehr oder weniger abbrechen würde.
Ich würde also diesen Job hier an Josh verlieren, ich würde meine Freunde hier verlieren, ich hatte bereits meine Familie verloren und Niall wollte ich auf keinen Fall verlieren.
Dafür liebte ich ihn viel zu sehr.
Er war für mich da, verstand mich und zeigte mir seine Liebe, wo es nur ging.
Die Konzerte in der Vector Arena in Auckland am 12. und 13. Oktober boten mir Ablenkung, doch mein Blick war eigentlich nur auf Niall fixiert.
Er sah so verdammt gut aus und lächelte wie ein Idiot.
Ich war mir nicht sicher, ob man so etwas sagen konnte oder ob das total verrückt klang, aber er hatte eindeutig die süßeste Nase, die ich jemals in meinem ganzen Leben gesehen hatte.
Er lachte mich nur aus, als ich ihm am 13. Oktober nachdem Konzert davon erzählte.
Den 14. Oktober und auch den 15. Oktober verbrachten wir dann zusammen.
Niall ging es nicht besonders gut, er übergab sich und hatte Kopfschmerzen, also kümmerte ich mich um ihn, während die anderen alle in Melbourne unterwegs waren.
Wenigstens hatten wir die Fahrt von Auckland nach Melbourne schon hinter uns, so musste Niall nicht in diesem kranken Zustand auch noch im Bus sitzen.
„Danke", meinte er leise und sah ganz bleich im Gesicht aus, als ich ihm das Wasserglas reichte.
„Soll ich Marco sagen, dass du einen Arzt brauchst? Du siehst schrecklich aus", stellte ich fest.
Er versuchte zu lachen, sah dabei aber irgendwie so aus, als würde gleich seine zuletzt gegessene Speise wieder hochkommen: „Du siehst auch wunderbar aus, Liebes."
Liebes.
Wie konnte man nur so unglaublich süß sein.
Zugegeben, ich fand momentan einfach alles süß, was mit Niall zu tun hatte.
Seine Nase, die Kosenamen, die er mir gab, die Art, wie er mich ansah, und so weiter.
Er war einfach perfekt, das mit uns war einfach perfekt.

***

Ich hatte ihm dann doch einen Arzt organisiert.
Dieser hatte ihm Medikamente gegeben und schon am Abend des 16. Oktobers stand Niall dann mit einer gesunden Gesichtsfarbe und einem breiten Grinsen auf der Bühne in der Rod Laver Arena in Melbourne.
Mit 5SOS und One Direction hatte ich immer weniger zu tun, auch wenn ich ja eigentlich mit allen zusammenarbeitete und auch irgendwie mit ihnen zusammenlebte.
Niall und ich verbrachten noch so viel Zeit miteinander, wie es nur ging.
Noch immer hatte ich ihn nicht auf die Zeit nach der Tour ansprechen können, er war mir ausgewichen, wo es nur ging.
Das gab mir ein schlechtes Gefühl, eine böse Vorahnung.
Am 18. Oktober hatten wir mal wieder einen Tag frei und irgendwie war es zur Tradition geworden, dass ich an freien Tagen bei Niall war.
Und ja, es passierten auch nicht gerade jugendfreie Dinge.
Um genauer zu sein trieben wir es echt fast schon zu oft, auch wenn ich es kein bisschen bereute.
Es wurde immer schwerer, es vor den anderen geheim zu halten.
Sie kannten Niall ziemlich gut und auch ich war nicht mehr fremd für sie, also wurden sie teilweise echt misstrauisch, auch wenn niemand einen Beweis hatte oder es laut aussprach.
Ich war mir auch irgendwie sicher, dass sie es nicht wirklich glaubten, es uns nicht zutrauten.
Woran das lag, wusste ich auch nicht, aber ich hatte da irgendwie so ein Gefühl.
Der nächste freie Tag folgte nach drei Konzerten im Brisbane Entertainment Centre.
Die Konzerte fingen an mich zu langweilen, eins glich dem nächsten wie ein Ei dem anderen.
Nachdem Niall dann noch mit irgendeinem Künstler Songs schrieb, verbrachte ich mehr Zeit mit Harry.
Dieser erzählte mir vor allem perverse Witze, die ich dann leider auch noch lustig fand, was mir von Preston amüsierte Blicke einholte.
„Liza, Liza", machte er und schüttelte lachend den Kopf, worauf ich dann irgendwie rot wurde, aber immer noch weiterlachen musste.
Preston war mir auch ziemlich ans Herz gewachsen und ich wusste, dass ich es ihm auch war, auch wenn er es nicht so direkt sagte.
Gut, genau genommen machte er sich über mich lustig, aber er machte das auf eine liebevolle Art und Weise.
Ich bekam zwar mit, dass One Direction eifrig Songs schrieb, aber ich wusste nicht, über was oder wie diese klangen.
Es interessierte mich schon, auch wenn das ja eigentlich gar nicht mein Musikstil war.
Harry machte sich einen Spaß daraus mich zu ärgern, er begann immer mit Liam über neue Lieder zu reden, wenn ich dabei war, aber er deutete immer nur Dinge an, wie „Findest du das neue Lied, das wir gestern aufgenommen haben, nicht auch so gut?" und so Zeugs.
Er fing sich zwar immer Boxschläge gegen den Oberarm, aber das hielt ihn nicht besonders davon ab und schmerzhaft schien es auch nicht zu sein.
Mark brachte mir zwar bei unseren „Sportstunden", die meistens damit endeten, dass ich mich mehr tot als lebendig fühlte, auch einige Schläge gegen den Sandsack und gegen Pratzen bei, aber mir fehlte es eindeutig an Armmuskeln und diesen einen Nerv traf ich leider auch nicht.
So blieb Harry verschont und ärgerte mich weiter.

***

Der Tag des 23. Oktobers kam und somit auch das erste von vier hintereinander geplanten Konzerten in der Allphones Arena in Sydney.
Australien war wunderschön und vor allem Sydney gefiel mir besonders gut, was so langsam ziemlich jedes Mitglied der Crew mitbekommen haben sollte, denn ich schwärmte durchgehend davon.
In Sydney schien es verdammt viele Tattooshops zu geben oder es kam mir einfach nur so vor, ich war mir nicht genau sicher, aber so langsam hatte ich wieder Lust auf ein neues Tattoo.
Ich war mir aber nicht sicher, was ich mir stechen lassen sollte, also ließ ich es sein, da ich keine Lust hatte, eines Tages mit einem volltätowierten Körper aufzuwachen, bei dem ich Motive ohne Bedeutung hatte.
Es war ja Geschmackssache, aber für meinen eigenen Körper wollte ich einfach immer eine Bedeutung und Geschichte dazu.
Ich wachte morgens logischerweise im Bett neben Lou auf, welche mir ihren Arm irgendwie über Nacht ins Gesicht geschmissen hatte.
Allgemein lag die Mutter doch recht ungesund verdreht da, schien aber glücklich zu sein, wenn ich mal das Lächeln auf ihren Lippen genau betrachtete.
„Lou", stöhnte ich leise auf und warf einen Blick auf die Uhr.
Es war erst sieben Uhr morgens.
Allein die Tatsache, dass ich viel zu früh von alleine aufwachte, hätte mich warnen sollen, dass nichts Gutes folgen würde.
Tat sie aber nicht.
Stattdessen sah ich es als eine Art Motivation Sport zu machen.
Ja, Mark hatte an mir eindeutig eine Hirnwäsche durchgeführt, anders war das einfach nicht zu erklären.
Schnell stand ich auf und zog mich im Badezimmer um.
Auch wenn Lou schlief, fühlte ich mich unwohl unbekleidet in einem Raum mit ihr zu sein.
Da war ich schon immer ein wenig eigen gewesen.
Ich schlüpfte in eine kurze Sporthose und in ein Top, dann zog ich mir Sportschuhe an und machte mich mit Handy und Kopfhörern auf den Weg zu dem Fitnessstudio.
Vor meiner Zeit mit Mark Jarvis hatte ich nie wirklich darauf geachtet, aber nun wusste ich ganz sicher, dass die Art des Fitnessstudios im Hotel sehr viel über das gesamte Hotel verriet.
Es gab diese Studios, die ganz modern eingerichtet waren und in denen Mark sich wie im Himmel fühlte.
Meistens war das Hotel dann ebenfalls modern.
Dann gab es Studios, die waren recht durchschnittlich ausgestattet.
Diese befanden sich dann im Normalfall in Hotels, die ebenfalls durchschnittlich waren- für Fünf Sterne eben.
Schlecht eingerichtete Fitnessstudios schien es gar nicht zu geben, die „Bonzen-Hotels" waren alle auf ihre ach so sportlichen Gäste eingestellt.
Richtig komisch war das.
Da war man schon reich und konnte sich mit Geld Schönheitsoperationen, Freundschaften und sogar jüngere Geliebten kaufen und was machte man?
Man nahm das Geld und gab es für ein Zimmer in einem Hotel mit einem riesigen Fitnessstudio aus.
Ts, ts, ts.
Immer diese reichen Menschen mit ihren merkwürdigen Denkweisen.

***

„Was machst du denn hier?", verblüfft starrte mich Mark an.
Ich sah ihn nur kurz an, als wäre es das Normalste überhaupt: „Sport?"
Noch immer starrte mich der erwachsene Mann an, als wäre ich über Nacht zum Monster mutiert.
„Hey, schau nicht so!", rief ich ein wenig verärgert und beleidigt, „Ganz so unsportlich bin ich doch auch nicht!"
Noch immer starrte Mark so.
Ich verdrehte die Augen, stoppte das Laufband und stieg ab.
Der Trainer warf einen Blick auf die elektronische Anzeige des Sportgeräts: „Du läufst schon seit einer Stunde?"
Ehrlich gesagt hatte ich gar nicht auf die Zeit geachtet, aber jetzt, als er das so bemerkte und laut aussprach, spürte ich das Nachgeben meiner Beine.
Na geil.
„Richtig. Und ich könnte gleich noch eine laufen, so fit bin ich", behauptete ich trotz dem Wackelpudding-Beine-Gefühl.
Herausfordernd sah mich Mark an.
Mist.
Damit hatte ich nicht gerechnet.
Immer ich mit meiner großen Klappe.
So langsam sollte ich das doch gelernt haben, dass ich das lieber lassen sollte.
Verflixt nochmal, was tat ich denn jetzt, um meine Würde zu verteidigen?
„Guten Morgen", grüßte auf einmal jemand.
Ich fuhr erschrocken herum und blickte direkt in Sandys Gesicht.
Noch nie war ich mehr froh gewesen ihn zu sehen.
„Hey Sandy", rief ich und hoffte, dass Mark einfach vergessen würde, dass ich eigentlich noch ein wenig laufen sollte.
„Sandy", nickte dieser ihm zu.
„Und, was macht ihr denn hier? Also", er begann breit zu grinsen, „ich meine eher, was machst du hier, Liza?"
„Hey", rief ich und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust, „Ich bin eigentlich voll sportlich!"
„Ach so, ja klar", lachte mein Bandkollege und ich machte mich bereit ihn als Sandsack oder Pratze zu benutzen.
Von der Figur her eher weniger als Pratze, schätzte ich mal.
Ich verabschiedete mich von den beiden Männern, denn nun war Marks Aufmerksamkeit auf Sandy und dessen Trainingsplan.
Als ich zurück auf mein Zimmer kam, war Lou bereits nicht mehr in ihrem Bett.
Schnell zog ich mich im Bad aus, sprang unter die Dusche und genoss das eher kühle Wasser, welches für mich ziemlich ungewöhnlich war, da ich normalerweise nur warm duschte.
Heute war das nicht der Fall.
Erst das frühe Aufwachen, dann der Sport und nun das kalte Wasser.
Es war wie ein Wink des Schicksals, dass ich mal langsam auf etwas aufmerksam werden sollte.
Dass es mich warnen wollte.
Klappte nur leider nicht.

***

In einer hellblauen Jeansshort, einem Top, welches oben dunkelblau war und dann immer heller wurde, und schwarzen Chucks an meinem Körper, einer blau getönten Sonnenbrille auf meiner Nase und eine schwarze Ledertasche in meiner Armbeuge marschierte ich geradewegs Richtung Bühne.
Es gab einen Raum, bei dem Lou ihre Tasche abgelegt hatte, daneben würde ich nun auch meine legen.
Bei so vielen Menschen und so vielen Räumen musste man immer ein wenig darauf achten, wo man was ablegte.
Während der Tour hatte ich wohl schon die ein oder anderen, zum Glück belanglosen, Dinge verloren.
Vermutlich lagen Bleistifte und Radiergummis von mir in verschiedenen Ländern weltweit in den Backstagebereichen von Arenen und warteten nur darauf, dass ein Hausmeister oder eine Reinigungskraft sie einsammelte.
Der Soundcheck hatte bereits vor einer Stunde stattgefunden, jetzt saß ich eigentlich nur noch backstage irgendwo in einem Raum und zeichnete ein wenig.
„Ähem", räusperte sich jemand hinter mir.
Ich blickte auf und sah in Prestons freundlich lächelndes Gesicht.
Fragend zog ich meine linke Augenbraue in die Höhe.
Er hielt mir eine schwarze, längliche Schachtel hin.
Noch immer verstand ich nicht, was er mir sagen wollte, beziehungsweise was er mir nicht sagen wollte, denn ganz offensichtlich bemühte er sich nicht mit mir zu kommunizieren.
Er hielt mir die Schachtel so auffordernd hin, dass ich sie irgendwie nehmen musste.
Zögerlich und deutlich verwirrt las ich die Aufschrift: „clever PENCILS".
Ich öffnete die Schachtel vorsichtig und zu Tage kamen mehrere lange Bleistifte, die hinten jeweils einen weißen Radiergummi hatten, welcher mit goldgefärbten Metall an dem sonst schwarzen Stift befestigt war.
Auf jedem Stift stand noch etwas, direkt vor dem goldenen Metall: „The Boss", To Do Or Not To Do" und noch einiges mehr.
Fragend sah ich Preston an.
„Für dich", meinte er langsam und lächelte vorsichtig, „Ich dachte, du könntest sie vielleicht benötigen, wenn du immer zeichnest und so. Also auch bei deiner neuen Arbeit. Also deiner alten. Du weißt schon. Dann vergisst du diese Zeit nicht. Und mich auch nicht, aber wie solltest du auch, ich bin ja eh der coolste Typ, den du jemals treffen wirst."
Ein breites Grinsen breitete sich auf meinen Lippen aus.
„Danke", freute ich mich und sprang auf, schlang meine Arme um seinen breiten Körper.
Er tätschelte sanft, allerdings auch deutlich unwohl fühlend, meinen Rücken.
„Danke, Preston. Danke, danke, danke", sagte ich.
Wir lösten uns von einander und ich konnte fast schon hören, wie er erleichtert ausatmete.
Er war so verdammt lieb, auch wenn er irgendwie auch alles andere als lieb war.
Ich erinnerte mich an die ersten Tage, die ich mit ihm verbracht hatte.
Wie ich ihn gehasst hatte.
Wenn ich jetzt daran zurückdachte, konnte ich nur lachend den Kopf schütteln.
Damals hätte ich ihm am liebsten zwischen die Beine getreten, so wie er mich auch behandelt hatte.
Und jetzt waren wir so gut miteinander befreundet, dass ich mir das eigentlich gar nicht mehr so vorstellen konnte ohne ihn zu leben.
Er war kein Vaterersatz und auch kein gewöhnlicher „Freund" und erst recht kein Sugardaddy, oh nein, aber er war irgendwie wie ein viel älterer großer Bruder oder ein cooler Onkel, nur besser.
Es war komisch das so zu beschreiben, aber er gehörte mittlerweile zu meinem täglichen Leben dazu.
Der Breitling spähte recht auffällig auf meine angefangene Zeichnung.
„Wow, sind das...?", fragte er und deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger darauf, während er einen Schritt näher an den Tisch, auf dem der Zeichenblock lag, herantrat.
Ich nickte: „Ich wollte das so als Abschied zeichnen. Klappt aber nicht so ganz."
Preston überschüttete mich mit Lob, nannte mich gleichzeitig dumm und blind, aber das war okay.
Ich arbeitete seit einigen Tagen immer wieder an diesem Bild, es war ein Art Gruppenfoto von den wichtigsten Leuten hier.
One Direction hatte ich bereits gezeichnet, daneben standen 5 Seconds Of Summer und Camryn.
Lou hatte ich bereits angefangen, daneben würden dann Paul und Preston stehen.
Mark und Marco sollten auf die andere Seite der ganzen Gruppe, aber ich hatte auch sie noch nicht angefangen.
Sandy, Dan und Jon sollten, sowie auch ich, vor der Gruppe auf dem Boden sitzen.
Ich war mir nicht genau sicher, ob ich es noch rechtzeitig fertig machen würde, denn ich arbeitete immer nur einige Minuten daran und ließ es dann, aber ich hoffte es doch stark.
Immerhin hatte ich noch etwa zehn Tage Zeit, dann würde die Tour vorbei sein.

***

„Ich fand das Konzert gut", nuschelte Dan mit vollem Mund.
Auch ich griff noch einmal in die Tüte und krallte mir die letzten Skittles.
„Ihr fresst wie Schweine", stellte Sandy fest und Jon schüttelte nur grinsend den Kopf: „Und du siehst so aus, Sandy."
„Hey!"
Lachend saßen wir in Dans Zimmer, welches er sich mit Jon teilte.
Sandy war den ganzen Tag über schon ein kleines bisschen schlecht gelaunt, meckerte überall rum und hatte immer etwas auszusetzen.
Kurz gesagt war er schrecklich.
Schrecklicher als schrecklich.
Jon nutzte dies aus, um ihn zu ärgern, wo es nur ging.
Kleine Arschlöcher, alle miteinander.
Leise gähnte Dan auf und ich konnte an Sandys Blick erkennen, dass er ihm am liebsten irgendetwas vor den Mund gehalten hätte, da Dan selbst es nicht für nötig gehalten hatte.
„Oh, es ist schon spät", murmelte der „Unerzogene".
Ich warf einen Blick auf die Uhr, welche bereits sagte, dass es ein Uhr morgens war.
„Ich sollte mal rüber gehen", meinte auch ich und stand auf.
Sandy sprang fast schon stürmisch auf und verabschiedete sich ebenfalls, wünschte mir noch eine gute Nacht.
Als ich zu Lou ins Zimmer kam, schlief diese bereits.

***

Das zweite Konzert in Sydney war ähnlich wie das erste, was es fast noch langweiliger machte.
Kaum zu glauben, dass ich das jemals sagen würde, aber ja; Konzerte fingen an mich zu langweilen.
Es lag aber vermutlich nicht daran, dass ich Konzerte allgemein nicht mochte, sondern dass ich immer genau dieselben Dinge spielte und es eigentlich genau gleich ablief.
Das eine Lied wurde gespielt, dann sprach einer von den Jungs irgendwas, den Fans wurde erzählt, dass sie die besten Fans der Welt seien und so weiter.
Das typische Gelaber eben.
Nach dem Konzert ergatterte ich die Chance zu Niall ins Zimmer zu kommen.
Er telefonierte gerade, bemerkte mich gar nicht.
Dadurch, dass ich Paul die Zimmerkarte zu Nialls Zimmer aus der Tasche stibitzt hatte, wusste er auch nicht, dass ich hier einfach so reinkommen konnte.
Ich schloss die Türe leise hinter mir.
„Nein, Greg. So ist das nicht. Sie ist...Ich weiß auch nicht. Ich kann das nicht."
Ohne dass er einen Namen nannte, war mir irgendwie sofort klar, um wen es hier ging.
Nämlich um mich.
„Das funktioniert nicht. Ich muss dann zwischen den Fans wählen und zwischen ihr. Und ich kann doch nicht die Fans einfach stehen lassen. Ich weiß nicht, wie Zayn, Liam und Louis das machen. Ich hab keine Ahnung, aber ich kann das nicht."
Ja, es ging definitiv um mich.
Mal abgesehen davon, dass er jemandem von unserer Beziehung erzählte, während ich seinen Bruder hatte anlügen müssen, klang das hier irgendwie ziemlich negativ, fand ich.
Ich hörte leise Gregs Stimme am anderen Ende der Leitung: „Du wirst dich doch wohl nicht von ihr trennen wollen? Niall! Das wagst du nicht! Du wirst niemanden finden, der an sie herankommt, das ist dir doch klar."
„Ich weiß. Aber ich werde mich immer für die Fans entscheiden, egal was kommt."
Er drehte sich just in diesem Moment um und erstarrte, als er mich erblickte.
„Liza", entfuhr es ihm wispernd.
„Ich verstehe schon", entgegnete ich ganz ruhig.
Keine Ahnung, wie ich das schaffte.
In mir fühlt es sich an, als würde er gerade auf mich einstechen.
Schnell drehte ich mich um, schmiss ihm die Schlüsselkarte auf den Boden, ließ die Tür hinter mir ins Schloss fallen und rannte dann durch das Hotel.
Als ich den Hinterausgang endlich gefunden hatte, konnte ich die Tränen bereits nicht mehr zurück halten.
Ich war so dumm.
Ich war so verdammt dumm.
Was hatte ich auch gedacht?
Dass Niall für mich das Risiko eingehen würde Probleme mit den Fans zu bekommen?
Dass er für mich irgendein Risiko eingehen würde?
Offensichtlich würde er das nicht.
Und ich hatte mich so nach ihm gerichtet, hatte das Rauchen angefangen aufzugeben, auch wenn ich noch immer das Verlangen spürte und nicht stillen konnte, was echt unangenehm war.
Auch in diesem Moment, als ich leise schluchzend auf den Boden sank und mich gegen die Hauswand lehnte, wünschte ich mir einen einzigen Glimmstängel.
Nur einen einzigen.
Ich verfluchte mich selbst gerade, nicht nur Niall, sondern auch mich selbst.
Hatte ich nicht etwas Ähnliches schon mit David durchgemacht?
Wieso lernte ich denn nie aus meinen Fehlern?
Wieso lernte ich überhaupt nie etwas?
Wieso, wieso, wieso.
Ich war ein Idiot.
Und ich war verdammt dumm.
Meine Atmung wurde langsam unkontrolliert, ich bekam ziemlich schwer Luft.
Die Tränen liefen meine Wange herunter, als stände ich unter der Dusche.
Es war unglaublich, fast schon unmöglich.
Ich war mir sicher, dass ich mein Oberteil komplett mit meinen Tränen durchnässte, doch gerade war es mir total egal.
Selten hatte ich meine Gefühle so gehasst.
Es war wie eine Aufhäufung des Schlechten: Der Tod meines Vaters, das Verhalten meiner Mutter, die Streitereien mit Josh und nun Niall.
Ich konnte es gar nicht in Worte fassen, wie schlecht ich mich gerade fühlte.
Würde mich ein Auto nun umfahren, würde ich mich vermutlich beim Fahrer bedanken.
Gedanklich verfluchte ich Niall, aber ich verfluchte auch mich.

***

„Ach du Scheiße."
„Dir auch einen guten Morgen, Preston", erwiderte ich mit einem Lächeln, das so gefälscht war wie meine Louis Vuitton-Geldbörse vom Camden Market in London.
„Was ist denn mit dir passiert?", wollte auch Mark wissen.
Ich hatte die ganze Nacht kein Auge zugemacht, ich war nicht einmal mehr zu Lou ins Hotelzimmer gegangen.
Stattdessen war ich bis um kurz vor sieben Uhr draußen gesessen, also knapp fünf Stunden.
Nun saß ich seit etwa fünfzehn Minuten hier am Frühstückstisch und hatte mittlerweile vier Tassen Kaffee intus.
Mark, Preston, Paul und Marco setzten sich nun zu mir und alle vier beäugten mich kritisch.
„Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Liza?", fragte nun auch Marco.
Es verwirrte mich, dass er mich mal mit meinem Vor- und mal mit meinem Nachnamen ansprach.
„Ist was Persönliches", murmelte ich nur und schenkte mir Kaffee nach.
„Hast du überhaupt geschlafen?", wollte Paul wissen.
Ich fühlte mich wie bei einem Verhör bei der Polizei.
Paul war fast schon schlimmer als Josh, nur dass dieser eher gefragt hätte, bei wem oder mit wem ich geschlafen hatte.
„Nope."
Alle vier starrten mich etwas fassungslos an, unsicher, ob ich das jetzt ironisch gemeint hatte oder nicht.
Meine Tränensäcke waren vermutlich ein ganz kleines Bisschen angelaufen, ich war mir da nicht so direkt sicher, da ich nicht wirklich in den Spiegel geschaut hatte.
Meine Haare mussten auch ziemlich durcheinander sein, aber das war mir gerade sowas von egal.
„Was ist denn los?", wollte Preston wissen, welcher neben mir saß und nun ganz nah mit seinem Stuhl an meinen heran rutschte, sodass er nur wenige Zentimeter von mir entfernt war.
„Ist nicht so wichtig", entgegnete ich und nahm wieder einen Schluck Kaffee.
Keine Ahnung, wie ich durch den Tag kommen sollte.
„Wenn du die ganze Nacht kein Auge zu machst, ist es auf jeden Fall wichtig. Hey, du kannst mit mir über alles reden, das weißt du doch", sagte er zu mir und lächelte mich aufmunternd an.
Ich erwiderte das Lächeln schwach, schüttelte aber den Kopf.
Ich wollte ihm nicht erzählen, dass ich schon wieder Probleme wegen einem Jungen hatte.
Er hatte Ryan für mich verjagt, das mit Dave hatte er auch mitbekommen und Niall...
Nein, das musste er nicht auch noch wissen.
Ach Mann, ich sollte es einfach aufgeben, Kinder adoptieren und alleine leben.
Mal abgesehen davon, dass ich eine ziemlich schreckliche Mutter sein würde, war das gar nicht mal so ein schlechter Plan.

@LizaDevineDrumsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt