Das wird schief gehen

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Erschöpft lasse ich meinen Stift sinken. Das ist die schlimmste Klausur, die ich je geschrieben habe. Unsere Pädagogiklehrerin sammelt die Klausurbögen ein und sofort flüchten die ersten Schüler aus der Klasse. "Wir sehen uns in der Mensa?", fragt mich Zoey. "Hmm", brumme ich lediglich. Dann lasse ich meinen Kopf auf die Tischplatte fallen. Wie konnte ich nur die Klausur vergessen. Passiert doch jedem Mal. Meine Hände, die immer noch schwitzig von der Aufregung sind, wische ich an meiner dunkelgrünen Jeans ab. Dad reißt mir hoffentlich nicht den Kopf ab. Wegen einer schief gelaufenen Klausur? Ein Seufzer entweicht meinem Mund. "So schlimm war die Arbeit doch gar nicht", nehme ich eine Stimme neben mir wahr. "Dafür, dass ich nicht mehr genau wusste wer Erikson ist und ich wahrscheinlich Freud mit Montessori verwechselt habe, ist die Arbeit wirklich super gelaufen", gebe ich sarkastisch zurück. Sei nicht so unfreundlich zu deinem Traummann. Was meint meine zweite Stimme jetzt schon wieder. Total gerädert hebe ich meinen Kopf. Einzelne Strähnen haben sich aus meinem Zopf gelöst und hängen mir mitten im Gesicht. Wahrscheinlich sehe ich so aus als wäre ich gerade aufgestanden. Verblüfft blicke ich direkt in Lucas Augen. "W-was?", bringe ich heraus und zeige mit meinem Finger direkt auf ihn. Sofort wieder zum Affen gemacht. "Ehm, hey." Unsicher lächelt mich der Blondhaarige an. Sonst ist er immer der Coole. "Hi?", antworte ich ihm etwas fragend. "Ja, ich hätte da mal eine Frage..." Dann spuck sie aus. Abwartend gucke ich Luca an. "Du machst doch immer meine Deutschhausaufgaben..." Zustimmend nicke ich, wenn auch ein wenig langsam. "Ehm..ja, denkst du, du könntest nicht für mich, sondern ehm mit mir die Aufgaben machen?", stammelt er mir entgegen. "So jetzt ist es raus", fügt Luca noch an und wuschelt sich einmal durch seine Haare. Aus einem mir nicht bekannten Grund fange ich leise an zu lachen. Irritiert sitzt er gegenüber von mir auf einem Stuhl und schaut mich mit einem undefinierbaren Blick an. Wahrscheinlich überlegt er gerade, ob du etwas intus hast. Dann schleicht sich sein mir allzu bekanntes verschmitztes Lächeln auf sein Gesicht. "Du denkst, ich meine das nicht ernst", stellt Luca fest. "Ich weiß nicht, was ich denke", gebe ich ehrlich zu. Du machst es immer schlimmer. "Also ich soll dir Nachhilfe geben?", vergewissere ich mich, ob ich ihn in etwa richtig verstanden habe. "So kann man das nennen, denke ich mal", stimmt er mir zu. Daraufhin lächelt Luca und entblößt zwei Reihen strahlend weiße Zähne. Automatisch schießen auch meine Mundwinkel in die Höhe. "Du sagst mir dann Bescheid?", erhebe ich mich fragend von meinem Platz. "Klar. Wie wäre es, wenn du mir deine Handynummer gibst? Dann schreibe ich dir." Keine gute Idee Joy. "I-ich besitze k-kein Handy", bringe ich heraus und verschwinde ohne ein weiteres Wort mit klopfendem Herz aus dem Klassenzimmer. Gut gerettet Joy. Durch ein heftiges Kopfschütteln versuche ich meine innere Stimme zu verscheuchen. Das wird schief gehen und dann fliegt Alles auf.

Mit einem immer noch stark klopfendem Herzen lasse ich mich neben Zoey nieder. Einmal im Monat kann ich ruhig in die Mensa gehen, um dort zu essen und mit Anderen zu reden. Wie es normale Menschen jeden Tag tun würden. Klappe. Nach einer kurzer Begrüßung schiebt sie mir einen Teller mit einem großen Stück Lasagne rüber. Mit einem 'Danke' fange ich sofort an zu essen. Das einzige Gericht, welches es wert ist, dass ich in die Mensa gehe. "Wie war deine Klausur?", erkundigt sich Zoey bei mir. "Frag nicht", brumme ich vor mich hin. Sie fängt an zu lachen und wieder fliegen ihre kleinen schwarzen Locken umher. "Wie geht es deiner Schwester?", bemühe ich mich um Smalltalk. Viel weiß ich eh nicht über Zoey. "Ganz gut." Sie lässt ihren Blick über die Schülermasse in der Mensa schweifen. "Sie muss jetzt nicht mehr auf Krücken laufen. Ihr Fuß ist schon wieder fast verheilt. Letztens ist sie allerdings beinahe erneut die Treppe herunter gefallen. Eigentlich wollte ich sie auslachen, aber sie hat mir gedroht, dass sie allen erzählt, dass ich mir letztens alle meine Bibi Blocksberg Kasetten angehört habe", erzählt sie mir etwas zu aufgedreht. Eigentlich wäre mir das von jeder anderen Person zu viel Information gewesen, aber ich mag den Lockenkopf. "Sag mal, warum schaut Luca dich schon wieder andauernd an?", wechselt sie das Thema. Erschrocken hebe ich meinen Kopf und schaue mit vollem Mund umher. Ein paar Tische von uns entfernt sitzt er mit Daniel und seinen anderen Freunden. Tatsächlich starrt er dich an. Als sich unsere Blicke treffen, lächelt Luca. Angestrengt versuche ich meine Lasagne unter zu schlucken. Immer noch lächelnd hebt er einen seiner Finger und Tipp an seinen rechten Mundwinkel. Bitte sag nicht...Du hast Soße dort. Peinlich berührt wende ich meinen Blick wieder auf meinen Teller und wische mir meinen Mund mit der Serviette ab. "Ich gebe ihm Nachhilfe oder sowas", beantworte ich Zoey ihre Frage. "Du machst was?", fragt sie ungläubig nach. "Ich gebe ihm Nachhilfe", wiederhole ich mich. "Hab ich schon verstanden." Dann frag doch nicht nach. Mit glänzenden Augen sieht sie mich an. "Wie cool!"
Man wird es sehen.

Distract me with your eyesWhere stories live. Discover now