105 - ansprechen - David

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- Montag, 22.07.2024 - Who Knew/P!nk -

"Das kann doch nicht euer Ernst sein! Konzentriert euch, verdammt nochmal!" Ich schluckte. Heute war einfach der Wurm drin im gesamten Training. Wir waren alle müde und ausgelaugt vom gestrigen Spiel und die meisten hatten abends noch länger gemacht, um die drei Siege ein wenig zu 'feiern'. Entsprechend wach waren wir auch gerade im Morgen-Training und man konnte es uns sichtlich anmerken. Vielleicht ein Drittel der Bälle kamen überhaupt aufs Tor und die meisten Spielzüge und Trickpässe gingen in die Hose. Ich hatte heute bislang keinen einzigen Ball gehalten, weil meine Reaktion schlichtweg zu langsam war. Wenn ich Alfred wäre, wäre ich auch angepisst von unserer Leistung heute.

Und prompt, als ich den Gedanken zu Ende gedacht hatte, seufzte auch Alfred frustriert auf und ließ verlauten: "Okay, das hat keinen Sinn. Macht mal kurz eine Trinkpause. Ich denk mir was Neues aus." Erleichtert atmete ich auf und gesellte mich wie automatisiert zu Justus, der gerade neben Renars seine Wasserflasche inspizierte. Einige Meter weiter von uns hatte sich Juri zu Julian gesellt und Martin und Luca hatten sich auf den Weg zu Liv gemacht. Wie sollte es auch anders sein... leise knirschte ich mit den Zähnen.

Ich wollte eigentlich schon seit Tagen mit Liv reden, aber sie blockte mich gerade konstant ab. Wie auf Knopfdruck lachte Liv laut auf und ich konnte mir ein Augenverdrehen nicht verkneifen. "Die zwei sind ja schon richtig dicke miteinander...", raunte mir Justus mit einem genervten Unterton in der Stimme zu. Inzwischen war auch er nicht mehr ganz so begeistert von der Idee, dass Martin mit Liv anbandelte. Endlich hatte auch er erkannt, dass Liv... anders war, seit sie den Großteil ihrer Zeit mit Martin und Luca verbrachte. Sie war zwar immer noch sie und schien glücklich, aber magisch setzte sie ihre Prioritäten anders. Sie erzählte mir nicht mehr von ihrem Tag, wenn wir uns über den Weg liefen. Sie war schon beinahe schüchtern, was ihr eigentlich gar nicht ähnlich sah.

Das konnte natürlich auch daran liegen, dass sie gerade hoffnungslos überarbeitet war, aber trotzdem hätte ich sie nicht so eingeschätzt, als dass sie mir oder Juri aus dem Weg gehen würde. Und den Anschein hatte ihr Verhalten gerade. Ich vermisste sie, ich vermisste meine beste Freundin und ich konnte Justus ansehen, dass es ihm genauso ging. Instinktiv nickte ich als Reaktion auf Justus' Aussage.

Dann glitt mein Blick weiter, hinüber zu Juri, der Liv und Martin hinterherschaute wie ein verletztes Rehkitz. Ich konnte aus seinen Augen herauslesen, dass er diese 'Freundschaft' - oder was auch immer das war - für alles andere als gut verhieß. Und wenn ich das von hier aus, aus über zehn Meter Entfernung sehen konnte, konnten das die anderen sicher auch sehen. Ich schluckte leise. Allerdings hatte auch Julian Juris Reaktion mitbekommen und redete beinahe augenblicklich im Flüsterton auf ihn ein.

Ein kleines, dankbares Lächeln schob sich auf mein Gesicht. In den letzten Tagen war mir Juri ein wenig aus dem Weg gegangen, und das, obwohl wir uns ausgesprochen hatten. Irgendwie verstand ich das zu einem gewissen Grad auch, auch wenn es die gesamte Lage nicht wirklich einfacher machte. Stattdessen hatte Juri in Julian anscheinend eine Vertrauensperson gefunden, die er so dringend gerade brauchte. Seufzend wandte ich mich also wieder Justus und Renars zu.

Keine Minute später wurden wir auch schon wieder von Alfred in die Mitte der Halle gerufen. Das "Martin, du auch! Liv, mach deinen Job!", das Alfred an seine Aussage noch hinten dranhängte, ließ mich hinter vorgehaltener Hand grinsen. Es tat den zwei auch mal ganz gut, ein wenig zurechtgewiesen zu werden. Und Alfred hatte Recht – Martin war in der letzten Zeit deutlich abgelenkter als sonst. Und auch Liv sollte langsam mal wieder ihrer Rolle hier im Team nachkommen, und die sah ich definitiv nicht darin, dass sie mit meinen Teamkollegen flirtete.

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"David, hast du kurz Zeit?" Ich wandte mich um und sah Julian direkt in sein Ruhe ausstrahlendes Gesicht. Ich nickte und bedeutete Justus, dass ich später nachkommen würde. "Was gibt's?", fragte ich, obwohl ich schon einen Instinkt hatte, worüber er sprechen wollte. "Ich wollte mit dir über Juri reden." Warum hatte ich das schon drei Meter gegen den Wind gerochen? Ich nickte und ließ mich auf der Bank nieder. Wir hatten noch einige Minuten, bis die Frauen trainieren würden.

121 km/h /// Juri Knorr ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt