Naja. Jedenfalls zum Teil. Lucien war weg, als ich Nachhause kam, und ich war mir nicht sicher ob ich enttäuscht oder erleichtert sein sollte. Dafür brach das Chaos aus, in etwa zwei Minuten nachdem ich mich im Wohnzimmer zurückverwandelt hatte. "Dess! Gott sei dank bist du da!", kam mir ein panisch aussehender Nick entgegen. Seine blonden Haare waren total zerzaust, als ob er erst vor kurzem aus dem Bett gefallen wäre. Normalerweise hätte ich jetzt gegrinst und ein Kommentar darüber fallen lassen, aber sein ernster Gesichtsausdruck alarmierte mich und hielt mich davon ab. "Was ist passiert?", fragte ich sofort. "Nate und Mike. Komm schnell", sprudelte es aus ihm hervor und ich rannte ihm hinterher. In der Küche hatten sie anscheinend ein provisorisches Lazarett aufgebaut und ich hörte meinen Ex schon von Weitem fluchen. Das halbe Rudel wuselte in dem Raum herum und obwohl die Küche eigentlich relativ geräumig war, fühlte ich mich eingeengt. Emma packte mich am Arm und zerrte mich zur Seite, gerade als ich einen brüllenden Nate, eine heulende Amber neben ihm und einen genervt die Zähne zusammen beißenden Mike in der Mitte des Trubels ausgemacht hatte. "Was zur Hölle geht hier schon wieder ab wenn man mal eine Sekunde lang nicht Zuhause ist?", fragte ich an meine beste Freundin gerichtet und sie verdrehte die Augen. Sie sah noch ziemlich vernichtet von letzter Nacht aus, zerstörte dunkelrote Haare und Augenringe als hätte sie drei Tage lang nicht geschlafen. "Nate und Mike waren im Wald und haben sich gestritten. Nichts Neues. Nur, dass sie diesmal von einem Werwolf angegriffen wurden." Ich starrte sie an. "Was? Wie sah er aus? Fellfarbe? Jemand, den wir von den Grenzübertritten her kennen?" Sie unterbrach mich und fuchtelte wild mit den Händen um mich endlich zum Schweigen zu bringen. "Du hast mir wohl nicht richtig zugehört. Von einem WERWOLF! Keinem Rudelwolf. Das soll so ein Vieh wie aus einem schlechten Horrorfilm gewesen sein. Auf zwei Beinen und zottelig. Mit rot leuchtenden Augen." Sie brach in ein minimal hysterisches Lachen aus und mir war danach, einzustimmen. Oder mir die Kugel zu geben. "Du verarschst mich doch, Mädchen." Sie sammelte sich. "Ich wünschte es wäre so. Aber das haben uns BEIDE bestätigt. So verrückt es auch klingt." Mein erster Gedanke war Nate eine reinzuhauen. Aber da dieser schon jetzt schimpfend und offenbar Schmerzen leidend am Boden lag und zudem Mike seine Geschichte bestätigt hatte... Und die zwei waren sich normalerweise nie einig. Also musste etwas Wahres dran sein. "Die Hexe von Kathrina", sprach ich aus, was wir wohl beide dachten. "So ein Miststück." Ich schob mich durch meine Meute hindurch, bis hin zu meinen offensichtlichen Zeugen. Nate lag mit bloßem Oberkörper auf den weißen Fliesen und blutete diese sehr effizient voll. Trotz meiner Probleme mit ihm machte ich mir Sorgen. Emma folgte mir auf dem Fuß und ich konnte die tiefen Krallenspuren sehen, die sich in Nates Fleisch gefressen hatten. "Scheiße", rutschte es mir heraus und Nate verzog das Gesicht zu einer Grimasse. "Danke. Das habe ich jetzt gebraucht", presste er unter Anstrengung hervor. Ich schnaubte und grinste halb. Gut, so schlecht konnte es ihm also noch nicht gehen. Ich kniete mich hin und begutachtete seine Verletzungen. Jemand hatte versucht, grob das Blut wegzuwischen, aber davon kam genug nach, um die Arbeit wieder erfolgreich zunichte zu machen. Lange konnte er hier also noch nicht liegen. Amber heulte immer noch und ging mir damit gewaltig auf die Nerven. "Okay, alle raus aus der Küche außer Emma, Mike und Amber. Aber pronto!", knurrte ich das Rudel an, das auf und ab rannte wie aufgescheuchte Hühner. Schnell lichtete sich das Chaos und Emma reichte mir ein nasses Handtuch. Endlich Platz zum Atmen. Vorsichtig wischte ich noch einmal das Blut weg und sah abwartend zwischen Mike, Nate und Emma hin und her. "Emma, haben wir noch irgendwas Hochprozentiges da, was wir gestern nicht vernichtet haben? Das kein Tequila ist?" Sie zögerte, nickte dann aber. "Vodka steht noch im Schrank..." "Gut, hol mir den. Aber schnell, bitte." Dann sah ich zu Mike. "Bist du auch verletzt?"
"Nur ein paar Kratzer", winkte er ab und ich zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts und wandte mich wieder Nate zu. "Die leichte oder die harte Tour?", fragte ich ihn seufzend. Er stöhnte. "Fuck. Mir egal. Das, was schneller verheilt, sollte uns ein Kampf bevorstehen." Ich zuckte die Schultern. "Okay. Dann die harte Tour." Emma kam mit dem Alkohol wieder und ich schraubte den Deckel auf. Zuerst hielt ich ihn Nate an den Mund und er blickte mich fragend an. "Du wirst ihn brauchen, glaub mir", gab ich trocken die Antwort. Also nahm er einen kräftigen Schluck und hustete leicht. Dann kippte ich die Flasche und ließ großzügig einen Teil des durchsichtigen Inhalts über seine Brust fließen. Er zischte, knurrte und kämpfte mit sich selbst. Aber das half alles nichts, die Wunde musste desinfiziert werden. Wer weiß was für ein Monster ihn angegriffen hatte. Dann stand ich auf und lief zum lodernden Kamin. "Sicher, dass du das willst?"
"Jetzt bring es endlich hinter dich, Desiree!", fauchte er schon fast und ich hielt einen Eisenstab solange ins offene Feuer, bis er glühte. Danach beeilte ich mich. Eilig drückte ich das brennend heiße Ding nacheinander auf seine Verletzungen, brannte sie aus. Und Nate wurde ohnmächtig.Kurz darauf - Nate befand sich nun unter Ambers Aufsicht in ihrem Schlafzimmer, immernoch friedlich in seiner Bewusstlosigkeit versunken - stand ich nur noch mit Mike in der Küche und starrte ihn böse an. Ich verschränkte die Arme und reckte störrisch das Kinn vor. "Zeig sie mir." "Ich weiß nicht, wovon du redest..." Ich knurrte. "Du bist verletzt. Und jetzt spiel das nicht runter! Ich rieche das Blut bis hierher." Mürrisch blickte mich der Teddy vor mir an. "Das sind nur ein paar Kratzer."
"Gut. Dann hast du ja sichernichts dagegen, mich diese 'Kratzer' mal sehen zu lassen." Er verdrehte die Augen, stand aber immer noch nicht vom Stuhl auf. "Es ist nichts, wirklich."
"Keine Chance", hielt ich dagegen und er seufzte resignierend. Ich hatte gewonnen.
Von wegen ein paar Kratzer! Sein komplettes Bein sah aus wie zerschreddert und es dauerte ziemlich lange, bis ich ihn wieder zusammen geflickt hatte."Okay. Jetzt solltest du mir wenigstens nicht auf dem Weg in den Flur verbluten." Mike seufzte. "Gut, ich schätze mal...danke." Ich nickte nur knapp und richtete mich wieder auf. "Also, was ist passiert?" Er verschränkte die Arme hinterm Kopf und legte seinen Fuß auf einem der anderen Stühle hoch. Kurz verzog er dabei das Gesicht, fasste sich dann aber wieder. "Nate und ich waren draußen und haben uns gestritten. Er meinte, uns wäre doch die Kriegserklärung vollkommen egal, und wir wollten das ganze Rudel ins Chaos stürzen, ohne ihn zu fragen...naja, ich habe ihn ziemlich angeschrien und er stapfte wütend weiter in den Wald hinein...und da hörten wir ein Knurren. Dess, du kannst dir das gar nicht vorstellen. Kein normales Knurren. Es klang wie etwas Uraltes, Böses. Mir hat es sämtliche Nackenhärchen aufgestellt." Er erschauderte bei dem Gedanken. "Und dann kam es aus dem Wald. Bestimmt zwei Meter groß, auf zwei Beinen wie ein Mensch, und haarig. Der Kopf hatte entfernte Ähnlichkeit mit dem eines Werwolfs, aber man oh man. Dieses Ding hat mir mit seinen Krallen eine scheiß Angst eingejagt und mich schlägt so leicht nichts in die Flucht. Im nächsten Moment hat es sich auch schon auf Nate gestürzt." Er schüttelte den Kopf. "Es war sogar schneller als ein Werwolf. Es hat Nate seine Klauen quer über die Brust gezogen und als ich mich gegen es geworfen habe, hat es mich gebissen und mein Bein so zugerichtet. Ich dachte mir schon, scheiße, das wars jetzt, aber dann hat es ein Geräusch gehört und in den Wald geblickt. Sofort hat es von mir abgelassen und ist in die Richtung davongerannt. Als wäre es zurückgepfiffen worden. Frag mich nicht wie wir es dann noch zurückgeschafft haben, aber irgendwie sind wir hier einigermaßen heil angekommen." Ich starrte ihn an und versuchte das gerade gehörte zu verarbeiten. Was zur Hölle züchtete Kathleen da in ihrem Bau, oder stammte das Viech gar nicht von ihr und ihrer Hexe und hatte einen vollkommen anderen Ursprung? Ich wusste nicht, welche Möglichkeit mir mehr Angst machte.
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Wolf Pack - Completely Insane
WerewolfEin Rudel Werwölfe zu beaufsichtigen ist in etwa so, als wäre man Kindergärtnerin, nur mit mehr Zähnen und Fell, versteht sich. Und als weibliche Alpha ist die ganze Sache noch schlimmer, vor allem wenn der Kerl, mit dem du dieses Chaos eigentlich f...