Chapter 22

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Ich wachte davon auf, dass mir etwas flauschiges übers Gesicht fuhr. Grummelnd drehte ich mich zur Seite. Doch es ließ nicht locker. Fell kitzelte mich an der Nase und ich nieste. Genervt wollte ich mir ein Kissen über den Kopf ziehen, griff aber nur in Gras. Verwirrt und mit immer noch verschlafen geschlossenen Augen tastete ich um mich, bis meine Hand diesmal an weiches Fell stieß. Nun blinzelte ich doch desorientiert in das helle Sonnenlicht und hielt mir eine Hand vors Gesicht. Verstört musterte ich die Kratzer darauf und versuchte mich zu erinnern, was passiert war. Und vor allem wo ich war. Erst als wieder Fell an meiner Seite entlang strich, sah ich mich überhaupt um und erschrak. Im Kreis um mich herum lagen lauter mittelgroße, fellige Körper und schliefen. Erst als ich bemerkte, dass es Wölfe waren, beruhigte ich mich. Keine Werwölfe, wilde Wölfe. Sie mussten mich gefunden haben, als ich mich aus dem Wasser gerettet hatte...aber wie war ich dort heraus gekommen? Meine Erinnerungen waren nur noch lückenhaft. Außerdem befanden wir uns jetzt ein gutes Stück vom Sumpf entfernt. Ich runzelte die Stirn und musterte die verschiedenfarbigen Pelze erstaunt. Hatten sie mich hierher gezogen? Langsam wurde ich wirklich noch verrückt. Ich strich einem grauen Wolf sanft übers Fell und dieser hob müde den Kopf und öffnete seine Augen einen Spalt breit. Dann legte er ihn zurück auf seine Pfoten und schnaufte. Das sollte wohl sowas wie 'Lass mich schlafen!' bedeuten. Ich seufzte. Mein Körper fühlte sich an als wäre ich damit einen Marathon gelaufen, und schmerzte an jeder Stelle. Außerdem war ich halb nackt, da meine Klamotten größtenteils zerrissen waren, voller Schlamm, zerschrammt und wollte nur noch Nachhause. Erst einmal verwandelte ich mich wieder in meine Wolfsgestalt und weckte damit wohl die restlichen schlafenden Wölfe. Ich wusste nicht, ob sie mich verstanden oder nicht, ehrlich gesagt hatte ich bisher echte Wölfe erst ein paar Mal zu Gesicht bekommen, da sie normalerweise unsere Gesellschaft mieden. Aber ich versuchte ihnen das mitzuteilen, was ich sagen wollte: Danke. Sie blickten mich an, einige gähnten herzhaft und dann trat ein großer brauner Wolf vor, scheinbar der Alpha des Rudels. Er näherte sich mir langsam und entspannt, scheinbar darum bemüht mich nicht zu verscheuchen. Er stieß mich mit seiner Schnauze an und ich winselte. Seine großen, fast gelben Augen blickten mich wissend an, und es schien fast als würde er nicken, obwohl das verrückt war, er war ja ein Wolf.
Jedenfalls legte er den Kopf in den Nacken und heulte einmal laut, und die Wölfe sprangen auf. Anscheinend Zeit zum weiter ziehen. Manche schnupperten zum Abschied noch einmal kurz an mir oder sahen zurück, aber innerhalb weniger Momente waren sie allesamt wieder im Wald verschwunden und ich war allein. Seufzend machte ich mich also auf den Rückweg und dachte über diese Begegnung der dritten Art nach. Sehr seltsam, aber die Nerven mir darüber den Kopf zu zerbrechen hatte ich gerade nicht.

Trotz meines Muskelkaters und der Tatsache, dass ich mich einmal fast im Wald verlaufen hätte, erreichte ich noch vor Mittag, zumindest gefühlt, das Haus. Draußen schien alles wie leer gefegt und ich setzte mich demonstrativ vor die Terrassentür. Um mich zu verwandeln fehlte mir gerade die Lust und ich konnte Mike und Ray im Wohnzimmer erkennen, also kratzte ich an der Glastür. Zuerst kam keine Reaktion. Dann hob Ray den Kopf, schoss hoch und ließ überrascht das Buch, das er gerade eben in der Hand gehalten und angestarrt hatte, vor Schreck versehentlich auf Mikes Fuß fallen. Dieser jaulte auf und begann Ray zu beschimpfen und ich knurrte leise. Wenn sie es nicht bald hinkriegen würden, diese verdammte Tür zu öffnen, würde ich durch die Glasscheibe springen, Splitter im Fell hin oder her. Ich hatte für heute einfach genug. Außerdem machte ich mir schon die ganze Zeit Sorgen um Randall. Wo war er? War ihm etwas passiert?
Endlich schaffte Ray es bis zur Tür und schob mir diese auf. Ramponiert wie ich war stapfte ich ins Zimmer und schüttelte mich erst einmal. Schon stürmten beide auf mich ein, als auch Mike mitbekommen hatte, dass ich vor ihm stand. "Wo bist du gewesen, Dess? Gehts dir gut? Was ist da draußen passiert?", redeten die beiden durcheinander. Dass ich ein Wolf war und ihnen nicht antworten konnte, störte sie reichlich wenig.
Vom Lärm angezogen füllten innerhalb von wenigen Minuten Mitglieder der ganzen beiden Rudel das Zimmer. Emma fiel mir um den Hals, Mina genauso und sogar Lucien war hier (Nate und Amber nicht) und musterte mich besorgt, redete auf mich ein und ich verstand in dem ganzen Chaos kein Wort. Immer noch war ich ein Wolf, und ich hatte erst vor diesen Zustand zu ändern, wenn ich mich in einer funktionsfähigen Dusche befand. Aber die einzige Person fehlte, die ich gerade jetzt suchte. Randall. Ich winselte und biss Leroy, der mir gerade im Moment am nächsten war, ins Hosenbein. Dann starrte ich ihn eindringlich an und hoffte, dass er verstand. Er scheuchte die anderen ein Stück weg, beugte sich zu mir herunter und strich mir über den Kopf. "Was ist los?"
Wieder winselte ich und gab dann ein leises Jaulen von mir, während ich den Kopf den Raum absuchend hin und her bewegte. Da schien ihm ein Licht aufzugehen. "Suchst du Randall? Er war doch mit dir unterwegs, richtig?" Erleichtert nickte ich und hechelte nervös. Er sah mich mit diesem Blick an, der mir gar nicht gefiel. Seine Stimme war leiser als zuvor und belegt, als er antwortete. "Er ist oben. Scheinbar hat ihn eins dieser Dinger draußen im Wald gejagt und ziemlich fies zugerichtet. Er kämpft, Dess. Wir tun alles für ihn was möglich ist. Bis eben war Emma bei ihm, jetzt wurde sie von Ciara abgelöst. Es sieht nicht wirklich gut aus, Süße..." Sein Blick war nach unten gerichtet und mich überkam das Bedürfnis, wegzulaufen. Aber ich riss mich zusammen. Ohne den Rest des Rudels eines weiteren Blickes zu würdigen, verschwand ich im Bad. Ich brauchte jetzt erst einmal eine heiße Dusche und musste mich sammeln, sonst würde ich nur durchdrehen und das würde weder mir noch Randall helfen. Ich brauchte einen klaren Kopf. Also verwandelte ich mich, warf meine zerfetzten Klamotten in den Müll und ließ das warme Wasser über meine Haut fließen. Meine Tränen wurden zusammen mit Schlamm und Blut fortgespült.

Müdigkeit wollte irgendwann von mir Besitz ergreifen, doch ich ließ es nicht zu und stellte die Dusche aus und trocknete mich vorsichtig ab. Meine kleineren Wunden verheilten bereits, heute Abend würde wahrscheinlich nichts mehr von ihnen zu sehen sein. Ich zog mir eine Jogginghose und ein Shirt über, dann lief ich langsam nach oben. Die Fragen der anderen konnten warten, wenigstens noch eine kurze Weile, Randall nicht. Ich musste wissen wie es ihm ging. Also blieb ich vor der einzigen Tür stehen, hinter der ich Geräusche vernahm und zögerte, die Hand zum Klopfen erhoben. Ich hatte eine scheiß Angst dieses Zimmer zu betreten. Eine scheiß Angst davor, was mich wohl erwarten würde.

Wolf Pack - Completely InsaneWhere stories live. Discover now