Der nächste Tag war angebrochen – genauso wie der gestrige: Der kühle Nebel hatte sich wie ein Schleier über Forks gelegt. Das fahle Licht der Sonne konnte sich kaum gegen die Wolkendecke behaupten. Und ich – nervös, unsicher, innerlich zerrissen – wie ich wieder auf dem Weg in die Schule war.
Auf ein Neues.
Nur war diesmal klar: Weglaufen und mich verstecken war keine Option. Heute musste ich mich den Cullens stellen. Ob ich wollte oder nicht.
Die Fragen in meinem Kopf – wie ich mich den Cullens gegenüber verhalten sollte – versuchte ich fürs Erste zu ignorieren. Stattdessen atmete ich tief durch, während mein Auto auf den vertrauten Schulparkplatz rollte. Fast automatisch wanderte mein Blick zu der Stelle, an der gestern Emmets Jeep gestanden hatte.
Aber nichts.
Keines der Cullen Autos war da.
Ich spürte, wie meine Schultern sich mit einem Mal lockerten – Erleichterung rauschte durch mich hindurch und ließ mich freier durchatmen. Doch gleich darauf folgte etwas anderes - eine dumpfe, stille Enttäuschung. So als hätte ich unterbewusst gehofft, sie würden da sein und auf mich warten. Mir zeigen, dass unsere Freundschaft ihnen etwas bedeutete.
Ich versuchte mir einzureden, dass sie mir nur Freiraum lassen wollten, nur um mich selbst im nächsten Moment zu fragen, ob ich eigentlich vollkommen übergeschnappt war. Sie waren Vampire. Vampire, die mich wochenlang von vorne bis hinten belogen hatten.
Und jetzt?
Jetzt hoffte ich allen Ernstes, dass sie um unsere vermeintliche Freundschaft kämpfen würden?
Verrückt.
Komplett verrückt.
Und doch war der Gedanke, Alice und Emmet aus meinem Leben zu streichen, irgendwie unvorstellbar.
Auch wenn sie... Vampire waren.
Mein Herz stolperte bei dem Wort, doch ich würde es früher oder später annehmen müssen. Wenn sogar die Quileute – ihre erklärten Erzfeinde – sie duldeten, was bedeutete das dann für mich?
Vielleicht... dass keine Gefahr von ihnen ausging?
Oder... dass ich die ganze Zeit recht gehabt hatte, ihnen zu vertrauen?
Ich stockte.
Sollte ich wirklich die Meinung und Einschätzung von Werwölfen als meinen persönlichen Maßstab nehmen?
Und was, wenn ich es nicht tat? Wenn ich mich von ihnen allen abwandte? Wen hätte ich hier noch, wenn ich all den übernatürlichen Wesen den Rücken kehren würde, die ich in den letzten Wochen unwissend in mein Herz geschlossen hatte?
Der Gedanke traf mich wie ein kalter Luftzug.
Etwa Mike und Eric? Die Vorstellung, meine Mittagspausen in Zukunft mit ihnen zu verbringen, erschien ehrlich gesagt furchteinflößender als jede Begegnung mit einem Vampir.
Bei dem Gedanken konnte ich mir ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen und gleichzeitig schüttelte ich die aufkommende Gänsehaut ab.
Ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich nach meiner Tasche griff und aus dem Auto stieg. Die feuchte Morgenluft schlug mir wie eine Wand entgegen. Widerwillig zog ich mir die Kapuze über den Kopf und stapfte in Richtung Schulgebäude.
Wie sehr ich mich in diesem Moment nach L.A. wünschte – dorthin, wo alles so leicht und unbeschwert gewesen war. Doch nichts war mehr wie früher.
Während ich alleine durch die Korridore unserer Schule schritt und mir den Weg zu meinem Spind bahnte, bemerkte ich erst, wie ungewohnt einsam es sich anfühlte. Kein helles Lachen von Alice, die mich sonst schon am Eingang empfing, immer in Begleitung des neusten Klatsch-und-Tratschs. Kein Emmet, der mich mit seinen Sticheleien schon nach fünf Minuten in den Wahnsinn trieb.
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If It Makes You Happy It Can't Be That Bad | Jacob Black
Fanfic[...] Vertieft in meine Gedanken, nahm ich erst nach wenigen Sekunden eine Gestalt oben an der Klippe wahr. Sie war so weit weg, dass ich gerade mal erkennen konnte, dass es sich um einen Mann handeln musste, welcher ebenfalls auf das Meer schaute...
