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„Da vorne ist er." Liliths sprach so leise sie konnte, es klang mehr nach einem zischen als nach richtigen Worten.
„Und dort kommt dein Onkel." Jacks Stimme war ebenso leise.
Schnell drückten sie sich alle tiefer in den Torbogen, sie hofften nicht gesehen zu werden.
„Ich muss mit diesem Mann reden, sorg dafür, dass keiner in den Stallungen uns belauschen kann. Ich will ihn nicht in meine Räumlichkeiten bitten." Ihr Onkel klang überheblich.
Ein kurzer Blickwechsel war nötig, dann folgten sie den Wachen schnell und leise. Sie umrundeten die Stallungen, duckten sich hinter einen alten Wagen als ein Wachmann seine Fackel aus einer der Luken steckte und den Bereich grob überprüfte.
„Nichts?"-„Nichts!" nicht lange nachdem die Worte der Wachen zu hören gewesen waren, huschten die drei Gestalten näher an den Stall. Die Türen würden wahrscheinlich bewacht werden, auch wäre es schier unmöglich ungesehen durch eine der Luken zu kommen. Sie alle sahen sich verzweifelt nach einer Möglichkeit den Stall zu betreten um.
Es war schließlich Carlo, der fündig wurde, eine Katze gab ihm den entscheidenden Tipp. Sie sprach von einem kleinen Fenster in mehr als eineinhalb Metern Höhe. Nur jemand schmales würde dort durchkommen, die Drachenjäger waren zum Glück schmal. Dünn und trainiert.
Ohne jeden Widerspruch oder jede Warnung überhaupt aufkommen zu lassen, kletterte Lilith, nach einem kurzen Blick ins Innere, schnell und Geschickt durch dir Öffnung ins Innere. Jack folgte ihr, sobald er gelandet war, hatte er auch schon seinen Dolch in der Hand. Erst dann ging er einige Schritte zur Seite. Lilith stand mit ähnlicher Haltung auf der anderen Seite des Fensters. Nach Carlos Landung einigten sie sich mit einigen Gesten darauf, dass sie sich hinter einem Haufen Stroh verstecken würden.
Kaum war nach ihrem Geraschel wieder Ruhe eingekehrt, als eine der Türen aufging. Mit einer Fackel ausgerüstet betraten Liliths Onkel und der Mann den Stall.
„Du wolltest mich sprechen." Die Stimme ihres Onkels klang kalt.
„Ja Sir das wollte ich. Wir sind gescheitert, wie Ihr wahrscheinlich wisst. Die Drachenjäger sind aufgetaucht, bevor wir Euren Auftrag ausführen konnten."
„Hättet ihr sie gleicht getötet, dann hättet ihr den Auftrag ausführen können. Aber du hast zugesehen, wie deine Männer das Mädchen vergewaltigen wollten."
„Als würdet Ihr das nicht wollen, sie ist eine richtige Schönheit. Außerdem wollte sie uns nicht verraten, wo die Kinder versteckt sind."
„Sie müssen aber sterben, ich werde erneut Männer deswegen los schicken. Ich sehe es nicht gerne, wenn meine Wünsche nicht erfüllt werden. Außerdem können sie mir schaden und das will ich nicht."
„Gebt mir diesen Auftrag erneut mein Fürst und ich werde es ihnen heimzahlen. Der Hof wird brennen, und das Mädchen wird sich wünschen nie geboren worden zu sein. Ich würde auch gerne dieses Mädchen, dass mich fast mit einem Pfeil getroffen hat töten, doch leider verbietet Ihr mir die Drachenjäger ausfindig zu machen." Lilith hörte ihren Onkel lachen.
„Du würdest sie nicht einfach so ermorden können, dafür ist ihre Ausbildung viel zu gut. Außerdem wird sie vielleicht nicht mehr lange ein Drachenjäger sein, ich habe schon einige geeignete Heiratskandidaten für sie gefunden."
„Ich hoffe Ihr vermählt sie mit einem alten, brutalen Mann, so etwas würde dieses Miststück verdienen. Sie hält sich für was Besseres." Lilith konnte Jacks Wut förmlich spüren, sie legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm.
„Da es ein Mann aus gutem Hause sein muss, wird es bestimmt nicht schwer werden ebenso einen zu finden, sie braucht endlich jemand der sie bändigt und ihr zeigt wie die Welt wirklich läuft."
„Wann gebt Ihr mir neue Männer um den Auftrag auszuführen?"
„In zwei oder drei Tagen, sobald die Drachenjäger nicht mehr hier sind werden keine dummen Fragen gestellt wenn plötzlich ein paar Männer verschwinden."
„Danke mein Fürst."
„Doch ich muss dich bitten, dich im Hintergrund zu halten. Nicht, dass meine Nichte dich noch erkennt und dumme Fragen stellt."
„Sie ist Eure Nichte?" der Mann klang entsetzt. „Das wusste ich nicht. Ich hätte nie so über ein Familienmitglied von Euch sprechen sollen."
„Das ist nicht weiter schlimm, sie verdient es."
Nachdem der Mann sich erneut entschuldigt hatte, verabschiedete er sich. Liliths Onkel sah sich noch einmal im Stall um, er war sich nicht sicher, aber er glaubte ein Rascheln gehört zu haben. Langsam ging der auf den Heuhaufen zu, wo sonst sollte sich jemand verstecken?
Die drei Drachenjäger hörten die näherkommenden Schritte, keiner von ihnen konnte die Angst vollständig verdrängen.
„Mein Fürst, der Hauptmann wünscht euch zu sprechen. Ein Bote kam und hat von einem brennenden Dorf erzählt." Jemand schien den Stall betreten zu haben.
„Drachen?"
„Nein, eher eine Gruppe Gesetzloser."
„Hatten sie den Auftrag dazu?"
„Nein, nicht das ich wüsste Sir."
„Ich werde sofort mit dem Hauptmann sprechen, und ihr sucht mir Meier und Sprei."
„Ja Sir."
Sie verharrten noch eine Weile schweigend, erst als sie sich ganz sicher waren, dass keiner mehr im Stall war, schaute sich Jack vorsichtig um. Die Luft war rein, kein Mensch war zu sehen. Schnell und so leise das Stroh es zuließ liefen sie wieder zum Fenster. Auch hier sah Jack vorsichtig nach draußen, bevor sie aus dem Fenster kletterten. Sie wechselten kein Wort als sie durch den Schatten über den Hof huschten. Erst als sie wieder durch einen der Gänge im Haus in welchem sie untergebracht waren gingen, beruhigten sie sich wieder. Aber nur so lange, bis sie mehrere Personen hörten die ihnen entgegen kamen. Die lauten Schritte und das scheppern der Rüstungen machte ihnen sofort klar, dass es sich dabei nicht um Drachenjäger handeln konnte. Panisch wechselten sie einen Blick, würde es Fragen aufwerfen, wenn sie um diese Uhrzeit durch die Gänge liefen? Vor allem wenn sie allem Anschein nach von draußen kamen?
Bevor sie eine Entscheidung treffen konnte, ging links von ihnen eine Tür auf. „Kommt." Theodors Stimme war leise. Schnell und erleichtert folgten sie seiner Aufforderung.
Allem Anschein nach, war dies ein Zimmer der Drachenjäger, ein Schild des Institutes lehnte an der Wand. „Der Meister hat mir aufgetragen, nach euch zu sehen. Nachdem wir zu den anderen zurückgegangen sind, wurden wir von eurem Ausflug nach draußen unterrichtet. Warum auch immer ihr nach draußen seid, es war vor allem von dir sehr dumm Lilith. Du weißt wohl am besten was dein Onkel zu dir gesagt hat, glaubst du er würde es einfach so hinnehmen, wenn er wüsste, dass du hier rumschnüffelst?" Er sah sie streng an. „Warum seid ihr raus und vor allem was habt ihr mitbekommen?"
„Ich habe einen der Männer gesehen, die den Hof angegriffen haben und wollte unbedingt wissen warum er hier ist. Wir haben ein komisches Gespräch zwischen ihm und meinem Onkel belauscht." Fing Lilith an zu erzählen. Zusammen mit den beiden anderen gab sie so gut wie möglich wieder was sie gehört hatten.
„Was glaubt ihr hat das Ganze zu bedeuten?" fragte Theodor als sie geendet hatten.
„Ich glaube sie wollen den Hof erneut angreifen und diesmal alle töten, doch ich verstehe nicht warum. Dort leben nur zwei alte Menschen und Kinder. Außerdem will Onkel mich unbedingt verheiraten und verhindern dass ich an der Expedition teilnehme." Wieder war es Lilith die als erstes das Wort ergriff.
„Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, aber ich habe eine Vermutung weshalb er diesen Hof zerstören will. Der Meister hat mir erzählt, dass die Tochter und der Sohn der dort lebenden hier sind. Die Tochter als Zofe der Fürstin und der Sohn als Soldat, richtig?" Lilith nickte. „Wir müssen mit ihr reden, oder mit allen beiden. Es ist unsere Aufgabe sie zu warnen, aber wir können nicht zu ihnen zurück reiten und sie beschützen. Ansonsten töten sie erneut einen Drachen, verstoßen wieder gegen das Gesetz und nehmen uns unseren Auftrag weg. Wir suchen jetzt den Meister auf und unterrichten ihn von der ganzen Sache."
„Werden wir ärger bekommen?" fragte Carlo vorsichtig.
„Nein, das bezweifle ich. Natürlich war eure ganze Aktion dumm und gefährlich, doch ihr habt etwas Wichtiges erfahren. Außerdem habt ihr keine Regel gebrochen."
„Warum tut er sowas?"
„Es gibt bestimmt so einiges über unsere Familie dass du nicht weißt Lilith. Er hat nach Kräften versucht, dich von allen Familienangelegenheiten fern zu halten, er ist das Familienoberhaupt und nimmt sich deshalb mehr raus als er sollte. Glaub mir, ich werde dir erzählen was du wissen möchtest, aber nicht solange wir hier in seinem Haus sind. Und Kopf hoch kleiner Drache, ich werde schon nicht zulassen, dass er dich einfach so verheiratet. Dazu hat er kein Recht, vor allem weil du ein Drachenjäger bist." Als Lilith noch klein war, hatten ihr Großcousin und auch andere Familienmitglieder sie immer ‚kleiner Drache' genannt', es war angenehm für sie, diesen Spitznamen erneut zu hören. Er erinnerte sie an schöne Tage, sich lächelte ihren Großcousin freundlich an. „Ich schaue ob jemand im Gang ist und selbst wenn wir jemandem begegnen, keiner wird euch Fragen stellen und wenn doch überlasst ihr mir das Reden, ok?"
Ja, Sir!" antwortete Carlo sofort, die anderen beiden nickten.
„Ich bin wahrlich kein Sir, ich bin nur ein einfacher Drachenjäger, ich bin auch kein Meister. Behandelt mich wie ihr die anderen behandelt. Bitte."
Sie liefen schweigend durch die Gänge und begegneten, zu ihrer Beruhigung, niemandem. Ein Teil der Drachenjäger saß immer noch im Saal in welchem sie auch gespeist hatten, der Meister war nun auch anwesend und unterhielt sich mit den anderen. Als sie den Raum betraten, sahen viele zu ihnen hin, die Meisten hatten wohl von ihrer Abwesenheit mitbekommen. „Du hast sie also gefunden Theodor: Wo ward ihr?" Mit diesen Worten des Meisters wurden sie begrüßt.
„Wir waren draußen." Antwortete Lilith ausweichend, außerdem war sie sich fast sicher, dass ihr Großcousin dem Meister Bericht erstatten wollen würde.
„Sie sind mir unten in die Arme gelaufen, wir haben uns vor den Wachen versteckt. Meister, sie haben dort draußen etwas mit angehört was euch interessieren wird."
„Setzt euch und erzählt es mir bitte. Ich habe eine schlimme Vorahnung, ich will sie eigentlich nicht bestätigt sehen."
Diesmal war es Jack der zu erzählen begann, wieder ergänzten die anderen beiden wichtige Details. Sie nahmen kaum wahr wie nach und nach die Gespräche im Raum verstummten und alle ihnen mehr oder weniger interessiert zuhörten.
Kaum dass sie geendet hatten, fingen die anwesenden Drachenjäger auch schon zu flüstern an, Lilith nahm sie im Hintergrund wahr, doch ihre Aufmerksamkeit galt dem Meister.
„Theodor, was denkst du von der ganzen Sache? Auch die Meinung von euch anderen interessiert mich. Sollten wir in diesem Fall eine Entscheidung treffen, so ist sie wichtig und sollte auf der Meinung von mehreren Personen beruhen." Der Meister sprach so laut, dass er die Gespräche der anderen Übertönte.
„Nun, Meister, ich habe den Verdacht, dass auf diesem Hof Bastarde des Fürsts leben, er will auf einmal, vielleicht aufgrund der Schwangerschaft seiner Frau, verhindern dass jemand von ihnen erfährt. Außerdem habe ich den Eindruck, dass er Gesetzlose in seinem Dienste hat, natürlich waren einige Soldaten Gesetzlos bevor sie ausgebildet wurden, aber in diesem Fall verhält es sich anders. Dieser Mann verstößt im Namen und im Auftrag des Fürsts gegen die Gesetze." Theodors Stimme klang ruhig, sachlich. Nicht so als würde er solche Dinge über seinen Cousin sagen.
„Lilith, unabhängig von Theodors Worten, was würdest du an meiner Stelle unternehmen? Ich frage dich dies jetzt, damit deine Meinung nicht durch das was du hier hörst verändert wird." Einige Augenpaare richteten sich auf Lilith.
„Ich würde noch morgen nach der Zofe und dem Soldaten suchen, den beiden aus dieser Familie die hier auf der Burg sind. Ich würde ihnen von allem erzählen, sie fortschicken, damit sie ihre Familie warnen und mit ihr verschwinden. Außerdem würde ich einige Drachenjäger mitschicken, damit sie die Familie in den Süden begleiten und sie beschützen. Mein Onkel und seine Machenschaften haben mit meiner Entscheidung nichts zu tun. Vielleicht bringen sie mich noch eher dazu diesen Menschen zu helfen und gegen ihn zu arbeiten."
Der Meister sah in die Runde der Drachenjäger, die meisten nickten zustimmend, Lilith hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, sie hatte sofort eine Entscheidung getroffen. Eine richtige Entscheidung. Außerdem, wies sie gewisse Fähigkeiten auf, die sie eines Tages zu einer guten Anführerin machen würde. „Nun, ich möchte jetzt gerne eure Meinungen zu der ganzen Sache hören."
Und dann fingen die Drachenjäger, einer nach dem anderen an zu reden. Der Meister hörte ihnen aufmerksam zu und gab das Wort an einen anderen weiter sobald sein Vordermann geendet hatte. Viele stimmten Lilith und Theodor zu, hatten ähnliche Vermutungen. Der eine oder andere forderte auch eine Strafe, das Verhalten des Fürsts sei nicht akzeptabel, mal solle doch bitte etwas gegen ihn unternehmen. An dieser Stelle schaltete sich der Meister ein, er wies darauf hin, dass sie hier waren um einen Drachen zu jagen, aber er versprach dem König und dem Großmeister von allem zu erzählen, wenn sie wieder in der Hauptstadt wären. Ein anderer schlug vor, dass der Meister, vielleicht zusammen mit Lilith, mit der Fürstin reden sollten, vielleicht würde sie ihnen etwas Interessantes erzählen.
Der Meister war sich in diesem Punkt noch unsicher, doch er versprach darüber nach zu denken. Er meinte, dass er mit ihr reden wollen würde, wenn sich die Gelegenheit dazu böte.
Noch lange saßen sie zusammen und redeten über die ganze Sache, als der Meister sie schließlich alle in ihre Betten schickte, waren sie zu einer Entscheidung gekommen.
Am nächsten Morgen würden zwei Drachenjäger zu dem Hof aufbrechen, sie würden die dort lebenden vor dem drohenden Unheil warnen, sie würden packen und dort warten, bis die beiden Familienmitglieder von der Burg bei ihnen würden. Dann sollten die Drachenjäger mit ihnen nach Süden reiten, erst einmal sollten sie bis zur Handelsstadt kommen, Malochim würde ihnen sicherlich helfen und ihnen eine geeignete Unterkunft besorgen. Sobald sie dann weiter reisen könnten, würden sie zur Hauptstadt aufbrechen, dort sollten sie im Institut Schutz suchen. Der Meister versprach ihnen einen Brief für den Großmeister mit zu geben, dies würde ihnen eine gute Behandlung sichern.
Sollte jemand nach dem Grund des Aufbruchs der beiden Drachenjäger fragen, so würde man dieser Person sagen, dass sie aus der Hauptstadt Nachricht hätten, dass es dem Vater des einen sehr schlecht ginge. Da man keinen einzelnen Drachenjäger durch das halbe Reich schicken wollte, vor allem keinen der sich große Sorgen macht, wurde er von einem zweiten Begleitet.
Beim Frühstück am Morgen, würde der Meister die anderen, schon schlafenden Drachenjäger in den Plan einweihen. Lilith und Theodor sollten derweil nach der Zofe und dem Soldaten suchen, sie beide warnen und dafür sorgen, dass sie die Burg, kurz nach den Drachenjägern verließen.
Als Lilith wenige Minuten später im Bett lag und einzuschlafen versuchte, schwirrten ihr die Worte ihres Onkels und des Mannes durch den Kopf. Vor allem die Worte die sie betrafen. Sie hatte Angst. Angst dass es ihrem Onkel gelingen würde, sie auf der Burg zu behalten und mit einem schrecklichen alten Mann zu verheiraten.


DrachenfeuerWhere stories live. Discover now