17.

381 31 0
                                    

17.

„Drachenjäger, noch einen Tag werden wir hier bleiben, noch zwei Nächte werden wir hier schlafen. Heute haben wir schon einiges Herausgefunden, doch wir werden Morgen noch nicht aufbrechen." Die meisten Drachenjäger waren bereits fertig mit Essen, der Meister hatte sich erhoben und sprach zu ihnen allen. „Wann genau der letzte Drachenangriff war, können wir nicht genau sagen, ich schätze allerdings, dass er noch keine Woche her ist. Der Drache um den es sich anscheinend handelt, ist ein ausgewachsener, grüner Drache, mit gelben und blauen Schuppen. Noch wissen wir nicht sicher, ob es sich hierbei um ein Männchen oder ein Weibchen handelt, auch wissen wir noch nicht genau, um welche Art es sich handelt. Wenn es ein Bergdrache ist, dann könnte es schwerer werden ihn zu finden, ein Stachelbuckel dagegen wäre wesentlich leichter auszumachen." Der Meister sah in die Runde, sie alle kannten die einzelnen Drachenarten, wussten wo sie meistens lebten, wie sie aussahen, was sie fraßen, wie groß und alt sie wurden.
„Es ist ein Männchen, ein Spitzschweifmännchen." Nuy sah gelangweilt von ihren Fingernägeln auf. Sofort richtete sich der Blick aller Drachenjäger auf sie.
„Du kennst dich mit Drachen aus?" fragte der Meister interessiert und skeptisch.
„Ich komme aus dem Norden, habe die meisten Jahre meines Lebens bisher hinter den Bergen gelebt. Außerdem kann ich lesen, die Literatur über Drachen ist sehr interessant." Nuy erwiderte den Blick ohne mit der Wimper zu zucken.
„Hast du diesen Spitzschweif gesehen?"
„Mehr als einmal, wobei das letzte Mal schon etwas länger her ist. Er ist ein außergewöhnliches Tier, allein durch seine Schuppen. Ich habe nur wenige Drachen gesehen, die grüne und blaue Schuppen haben, eigentlich nur ihn. Er ist ein Einzelgänger, ein aggressiver Zeitgenosse, er sucht Streit und tut was er will."
„Nuy, das reicht." Die Stimme kam vom Scheunentor, die Hofbesitzer hatten die Scheune betreten und der Mann wies seine Enkeltochter mit strenger Stimme zurecht.
„Lassen Sie sie nur erzählen, es ist interessant was sie alles weiß." Der Meister lächelte den beiden beschwichtigend zu.
„Sie ist ein Kind." Sagte nun die Frau.
„Es ist schon etwas länger her, dass ich das letzte Mal von einem Spitzschweif gehört habe. Ich selber bin noch keinem begegnet, nur einem Stachelbuckel und einem Seedrachen, einen Bergdrachen habe ich aus einiger Entfernung gesehen und ein Himmelsgleiter ist über uns hinweg geflogen. Ich glaube es wäre von Vorteil, so viel wie möglich über diesen Drachen zu erfahren, immerhin sind wir dann vor unliebsamen Überraschungen sicherer."
„Der Spitzschweif ist ein kleines Monster, er ist jähzornig und wurde von seinen Artgenossen verstoßen. Als er gerade aus seinem Ei schlüpfte, versuchte einer der Händler ihn mit zu nehmen, er befestigte eine Kette an seinem Hals. Ein Teil dieser Kette ist dort immer noch. Die Kette hatte Widerhacken, sie konnten vom Drachenfeuer nicht entfernt werden. Vielleicht ist er deshalb so geworden. Soweit ich weiß, haben die Soldaten schon mehrmals versucht ihn zu töten, ihn zu finden war für sie aber erstmal auch ein Problem, ihr Anführer, der Fürst, hat wohl seine Lektionen nicht gut gelernt. Immerhin dachte ich immer, dass Drachenjäger genau über die einzelnen Drachenarten Bescheid wüssten. Er hat mehrere Gruppen seiner Soldaten verloren und kam zwei Mal auch nur ganz knapp davon. Sie haben den Drachen verletzt, ihn dadurch nur noch wütender gemacht, die Menschen auf der anderen Seite der Berge wissen, dass es für den Drachen das Beste wäre, wenn er getötet werden würde. Der Drache selbst weiß es bestimmt auch, aber er kann sich nicht selber töten, das verhindern seine Anfälle. Diese Anfälle treiben ihn über die Berge. Die anderen Drachen wollen ihm den Dienst auch nicht mehr erweisen, er hat einen jüngeren Drachen grundlos getötet, obwohl es nicht zu einem Zweikampf kam. Sie meiden ihn alle." Der alte Mann sah keinen der Drachenjäger an während er mit emotionsloser Stimme erzählte.
„Der Handel mit lebenden Drachen ist seit Jahrhunderten verboten." Warf einer der Drachenjäger nach einer kurzen Pause ein.
„Die Drachenjagd steht auch nur den Drachenjägern zu, meint ihr, dass interessiert den Fürsten? Die Menschen auf der anderen Seite der Berge wissen sich auch zu wehren, sollte ein junger, wild gewordener Drache ihre Dörfer angreifen, so wehren sie sich. Sollte ein Drache hierbei getötet werden, dann ist das nun einmal so. Wenn sie keine andere Möglichkeit mehr wissen, dann schicken sie nach euch." Nun war es die Frau die sprach.
„Töten der Fürst und seine Männer nur Drachen die dem Reich geschadet haben?" Wollte Theodor wissen.
„Durchaus nicht, sie sind schon losgezogen um ein Nest zu plündern. Die ganze Gruppe ist dabei gestorben, aber sie haben drei frisch geschlüpfte Drachen, ein Jungtier und ein Weibchen getötet. Keines dieser Tiere hat die Berge je überquert oder in Richtung des Reiches verlassen, sie lebten friedlich in ihrem Tal, haben keinem etwas getan. Nicht einmal den Händlern die dieses Tal passierten." Nuy klang aufgebracht.
„Ihr wisst alle so viel über die Drachen, woher?" der Meister klang freundlich.
„Dort wo wir herkommen, leben die Menschen noch Seite an Seite mit den Drachen. Man respektiert sich gegenseitig und hilft wo man kann. Manchmal kommen verletzte Drachen in die Menschendörfer und die Menschen dort helfen den Drachen. Früher war es auch weiter im Süden so, aber dann wurden die Drachen vertrieben. Man erzählt sich im Norden viel, und dort dürfen die Kinder durch die Gegend laufen so viel sie wollen, so erfährt man einiges was man sonst nicht mitbekommen würde." Die Frau strich Nuy liebevoll über den Arm. „Dort lernt jeder Kämpfen, manche Diebe aus dem Süden denken, dass die Menschen im Norden reich sind, Drachengold haben. Deshalb überfallen sie die Menschen." Natürlich hatte jeder der Drachenjäger schon vom Drachengold gehört, sie alle wussten, dass dies eigentlich nicht existierte.
„Könnt Ihr euch denken, was der Fürst mit diesen Drachenmorden bewirken will?" Fragte Lilith vorsichtig.
„Man munkelt, dass er die Drachen ausrotten will. Die Menschen auf beiden Seiten des Gebirges glauben es."
„Das würde den Untergang unseres Reiches bedeuten."
„Das ist nicht sicher Nuy." Ihr Großvater sah sie streng an. „Auch die Drachen haben davon gehört, sie sind weniger erfreut deswegen."
„Werden sie uns angreifen, wenn wir in die Berge gehen um den Drachen zu suchen?" der Meister klang besorgt.
„Ihr Drachenjäger wisst doch so viel über die Wesen die ihr jagt, deshalb sollte euch bewusst sein, dass sie sehr intelligent sind. Sie können euch Drachenjäger durchaus von einfachen Soldaten unterscheiden. Euch werden sie nichts tun, sie wissen wahrscheinlich sogar weshalb ihr hier seid, sie werden euch eher dabei helfen diesen abtrünnigen Drachen zu töten. Die Soldaten des Fürsten dagegen würden nicht weit kommen, die verschiedensten Drachen behalten den Rand des Gebirges im Auge, sie würden diese Männer mit geballter Kraft und gemeinsamen Feuer aufhalten. Genug Drachen mussten schon sterben."
„Der Großmeister und der König werden nicht sehr erfreut sein, wenn wir mit all diesen Gesetzverstößen und Anschuldigungen an den Fürsten wieder in die Hauptstadt kommen, zumal der Fürst ein Mitglied des Drachejägerordens ist."
„Wir können nichts für das was wir erfahren Meister, sie sollen froh sein, dass wir sie von alldem in Kenntnis setzten und dass wir unsere Eid nicht brechen und den Gesetzen folgen." Sagte Theodor.
„Da hast du Recht, dennoch ist es nicht gerade angenehm für mich. Der Norden ist nicht mehr wie früher, es wird Jahre dauern, bis die Menschen hier einem neuen Fürsten vollkommen vertrauen."
„Verlegt eure Akademie in den Norden und setzt euren Großmeister oder einen Meister als Wächter des Nordens ein und die Menschen werden euch sofort vertrauen. Obwohl man auch hier Geschichten über euren Großmeister hört." Meinte der Mann.
„Was für Geschichten?"
„Er will angeblich die alten Familien entmachten, er will euren Orden neu aufbauen, verändern. Er versorgt den Fürsten hin und wieder mit Wachen und soll sogar schon einmal ein paar Männer in seinen Dienst geschickt haben."
„Ich hoffe es handelt sich dabei nur um Gerüchte und falsche Anschuldigungen, ansonsten wird die ganze Sache immer komplizierter. Gegen den Großmeister könnten wir Drachenjäger nicht so einfach etwas unternehmen. Das wäre genauso als würden wir versuchen den König anzuklagen." Der Meister fuhr sich angespannt mit einer Hand durch die Haare.
„Nun, bevor wir uns weiter mit Gerüchten beschäftigen, könnt Ihr uns vielleicht verraten wo wir den Drachen finden? Natürlich wissen wir, wo wir suchen müssten, doch würdet Ihr uns die Suche merklich erleichtern." Theodor mischte sich gezielt ein, ihm war bewusst, dass Anschuldigungen dieser Art für böses Blut sorgen würde.
„Ihr müsst durch die lange Schlucht, den grünen Berg zur Rechten. Dann müsst ihr dieses Tal verlassen und einem Seitenarm des klaren Flusses folgen. Auf einer Hochebene ist ein kleiner See, ihr müsst von dort Richtung Norden, einen Bergsattel überqueren. Dort müsstet ihr ihn finden." Nuy beschrieb den Weg ohne groß nachzudenken. „Ich könnte euch begleiten und durch die Berge führen, ich kenne sie gut."
„Wenn ihr sie gut im Auge behaltet und unbeschadet wieder bringt, dann kann ich nichts dagegen sagen, dass sie euch begleitet." Meinte nun auch der Mann.
„Das werde ich heute nicht entscheiden." Der Meister musterte Nuy aufmerksam.
„Ich würde euch nicht zur Last fallen, ich kann gut reiten und Kämpfen." Nuy lächelte breit.
„Wir werden morgen noch einmal darüber sprechen."
„Wie Ihr wünscht Meister."
„Ich glaube es wird langsam Zeit, dass wir uns schlafen legen." Der Mann erhob sich mühsam und reichte seiner Frau die Hand um ihr auf zu helfen.
„Ja, vielleicht sollten wir unsere Runde langsam mal auflösen." Stimmte nun auch der Meister zu, allgemeine Bewegung kam in die Reihen der Drachenjäger, sie erhoben sich, räumten das schmutzige Geschirr zusammen. Dann halfen drei Drachenjägern den Gastgebern, alles ins Haus zu tragen.
„Ich geh noch einmal schnell zum Brunnen, ich habe so einen Durst." Sagte Lilith zu Jack, dieser Nickte nur. Er wusste, dass sie inzwischen einen Dolch bei sich trug.

„Und freust du dich sie bald zu sehen." Fragte eine Stimme hinter Lilith als sie den Brunnen fast erreicht hatte.
„Du kannst dich wirklich gut an andere anschleichen Nuy. Ja ich freue mich sie endlich zu sehen. Hoffentlich sehe ich nicht nur diesen einen Drachen."
„Da besteht kein Zweifel, oder hast du seine Worte etwa schon vergessen."
„Nein, sie kehren in jedem Traum wieder und schwirren mir auch so ständig durch den Kopf."
„Das ist gut so, er wäre enttäuscht von mir, wenn du sie vergessen hättest."
„Wer ist er?" endlich stellte Lilith die Frage die ihr seit ihrer ersten Begegnung mit Nuy durch den Kopf schwirrte.
„Er will nicht, dass ich dir zu viel über ihn verrate, aber ich kann dir schon einmal sagen, dass er der Herr der Lüfte ist."
„Das hilft mir sehr viel Nuy." Lilith konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
„Du musst dich nur noch ein paar Tage gedulden Lilith. Er wird recht behalten, die Schicksalsgöttin wird dich zu ihm bringen." Nuy sah sich schnell um. „Er lässt dich schon seit Jahren heimlich beobachten und beschützen. Natürlich kann er nicht alles Unheil von dir abwenden, aber er würde nicht zulassen, dass jemand dich zu sehr verletzt oder gefangen hält. Dazu bist du zu wichtig, er meint, dass du noch eine große Rolle spielen wirst."
„Bei was?"
„Das weiß ich nicht, ich kann dir nur seine Worte wieder geben, er offenbart mir nicht alles und beantwortet meine Fragen erst recht nicht." Nuy konnte sich ein Lachen kaum verkneifen. „Ich fühle mich wie ein dummes kleines Kind, dass alles nachspricht was ihr gesagt wird."
Jetzt musste auch Lilith lachen. „Du weißt bestimmt mehr als so ein kleines Kind. Und du kennst ihr, weißt somit also viel mehr als ich. Ich spiele eine Rolle bei etwas, doch ich weiß nicht bei was. Jemand erwartet mich doch ich weiß nicht wer. Es ist schrecklich so viele Fragen zu haben und die Antworten darauf nur sehr langsam zu erfahren."
„Soll ich dir ein Geheimnis deines Onkels verraten?"
„Woher weißt du es?"
„Nun, ich war ebenfalls in der Burg, an eurem letzten Abend habe ich seine Briefe durchgesucht und etwas höchst Interessantes gefunden. Weißt du mit wem er dich verheiraten wollte?"
„Ich weiß nicht ob ich das überhaupt wissen will."
„Mit einem Sir Sigmund Bergstein, sagt dir dieser Name was?"
„Natürlich, er ist bestimmt über siebzig Jahre alt, isst und trinkt zu viel. Wohnt in einer alten kleinen Burg irgendwo im nirgendwo und ist eine schreckliche Gesellschaft." Meinte Lilith trocken. „Stand dort auch warum gerade er?"
„Nun, er verfügt über große Ländereien und einige Minen, natürlich dient er dem König, das Land gehört aber seiner Familie. Nach seinem Tod wäre es das dann im Besitz deiner Familie, die Kinder die du mit ihm bekommen hättest, hätten alles geerbt."
„Für etwas Land und ein paar Minen wollte er mich an ihn verkaufen. Das ist doch lächerlich, da hätte er um einiges bessere Verträge abschließen können, die er dann trotzdem hätte brechen müssen." Lilith fing an zu lachen, Nuy konnte nicht anders als ebenfalls zu lachen.
„Ich glaube wir sollten mal schlafen gehen und hoffen dass dein Onkel für das brechen dieses Vertrages ärger bekommt." Meinte Nuy als sie sich etwas beruhigt hatten.
Lilith stimmte ihr zu, mitten auf dem Hof trennten sich dann ihre Wege.


DrachenfeuerWhere stories live. Discover now