Versteckspiel & die Wahrheit

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Nachdem wir gegessen hatten, verzogen Felix und ich uns schnellstmöglich nach oben in mein Zimmer, um ihn vor meinen Eltern zu verbergen, die kurz darauf nach Hause kamen.
Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die Tür und atmete tief durch, um mich vom Lachen abzuhalten. Meinem Freund ging es ähnlich, auch er gluckste leise vor sich hin, um nicht laut loslachen zu müssen.
Als wir uns halbwegs wieder beruhigt hatten, kam er langsam auf mich zu und küsste mich, diesmal intensiver, als in der Küche bei unserer Begrüßung zuvor. Alle Zweifel waren in diesem Moment einfach, wie weggeblasen. Mir war es egal, ob er drei Mädchen vergewaltigt hat oder nicht, Hauptsache ich konnte ihn küssen, umarmen, einfach bei ihm sein.
Ich seufzte laut, als er sich von mir löste. Er grinste mich überheblich an, wusste doch genau, welche Wirkung er auf mich ausübte.
Plötzlich erklangen schwere Schritte auf der Treppe, die meinem Vater gehörten, vermutete ich jedenfalls. Panisch sah ich mich in meinem Zimmer um und bedeutete meinem Freund dann, sich schnell unter mein Bett zu legen.
Die Tür ging auf und tatsächlich erschien der Kopf meines Vaters. "Was willst du?", fragte ich mit einem genervten Unterton. Er hatte nichts in meinem Zimmer zu suchen, noch dazu ohne anzuklopfen. "Ich wollte dir nur sagen, dass wir Zuhause sind.", behauptete er, während ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen musterte. "Danke, aber ich denke, das war vorhin deutlich zu hören.", gab ich abweisend zurück und machte eine wegwerfende Handbewegung, "Jetzt geh raus."
Er verzog sich ohne Widerrede, woraufhin ich erleichtert einatmete und grinsend beobachten durfte, wie Felix wieder unter meinem Bett hervor kam. "Das war knapp.", stellte ich nachdenklich fest, hielt allerdings noch kurz mit meinen Bewegungen inne, um auf die sich entfernenden Schritte zu hören.
"Warum genau musste ich mich jetzt verstecken?", fragte er etwas verwirrt und nahm meine Hand. Ich lächelte verzückt, auch wenn mein Verstand laut schrie, dass ich sofort auf Abstand gehen sollte.
Ich wusste nicht wirklich, wie ich ihm die aktuelle Situation erklären sollte, ohne irgendwer zu verletzen. Erzähle ich Felix von meinen Zweifeln wird er definitiv enttäuscht sein, erzähle ich jetzt allerdings irgendeine Lüge, wird er es früher oder später sowieso herausfinden, also warum zögerte ich noch?
"Ich...meine Eltern...", begann ich unsicher und starrte zu Boden, wollte seinen Blick nicht sehen, wenn er sich enttäuscht abwandte. "Komm auf den Punkt, Süße.", meinte er sanft und zog mich mit sich zum Bett. "Meine Eltern haben mir verboten mich weiter mit dir zu treffen.", platzte ich also einfach heraus und bereute es sofort. Er starrte mich vollkommen verwirrt an, weshalb ich jetzt nicht mehr davon wegkam, ihm wirklich die Wahrheit zu erzählen. "Patrick hat ihnen gegenüber behauptet, dass du mal drei Mädchen vergewaltigt hättest. Jetzt denken sie natürlich schlecht von dir und vertrauen dir nicht mehr.", erklärte ich aus diesem Grund ehrlich und musste mit Schrecken bemerken, dass er meine Hand losgelassen hatte.
Kurz hob ich den Blick und musste schlucken.
Felix sah mich zutiefst enttäuscht an. "Du glaubst das wirklich, oder?", fragte er mich traurig.
Ich nickte und schüttelte gleichzeitig meinen Kopf. "Nein, also ja, anfangs, aber...", setzte ich zu einer Erklärung an, doch zwangen mich meine Schuldgefühle in die Knie. Ich hatte es geglaubt, weshalb sonst hätte ich mich nicht melden sollen. Natürlich hatte ich es geglaubt, war ich doch nichts weiter, als ein naives, dummes Mädchen.
"Ok. Ich denk damit wäre alles gesagt.", meinte er ausdruckslos, "Auf solch einer Basis kann man keine Beziehung führen, Caro. Das oberste Gebot sollte das Vertrauen sein, aber du scheinst ja an mir zu zweifeln, weshalb ich denke, dass es besser ist, wenn wir wieder getrennte Wege gehen."
Mir traten die Tränen in die Augen, als er sich von meinem Bett erhob, zur Zimmertür ging und einfach verschwand.
Zurück blieb eine gähnende Leere, die eine Kälte in meinem Inneren hinterließ und mich zum zittern brachte. "Felix, warte.", flüsterte ich, doch war er bereits fort. Für immer.
Dies wurde mir schlagartig bewusst und die Tränen begannen zu laufen. Hemmungslos schluchzte ich in mein Kissen, eigentlich mein Trostspender in jeder Lage, doch ein gebrochenes Herz konnte man nicht wieder zusammen flicken. Narben blieben ewig.

Ich musste eingeschlafen sein, denn als ich am nächsten Morgen erwachte, lag ich noch genauso, wie am Abend zuvor bekleidet in meinem Bett. Der helle Kissenbezug hatte jetzt schwarze Spuren meiner Mascara abbekommen und meine Augen fühlten sich immernoch wund und gerötet an.
Ich fühlte mich absolut elend, hatte schreckliche Kopfschmerzen und zu allem Überfluss bekam ich auch noch meine Tage.
Dementsprechend schlecht gelaunt begegnete ich meinen Familienmitgliedern, die alle fröhlich gackernd um den Küchentisch saßen.
Es war Freitag, mein letzter Schultag vor den Ferien, den ich keineswegs verpassen wollte. Noch dazu war ich mir sicher, dass sich die Welt auch nach einer Trennung weiterdrehen würde.
Bei dem Gedanken an Felix kamen mir wieder die Tränen, doch niemand sprach mich darauf an. Meine Familie schien beinahe so zu tun, als wäre ich Luft, was meine Situation natürlich nicht im Mindesten verbesserte.

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