Kapitel 16

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Am nächsten Tag werde ich schon wieder von Küssen geweckt.
Diesmal doch nicht von Mijes, sondern von denen der kleinen Suela.
Meine ältere Schwester ist also zu Besuch.
Meine kleine Nichte springt auf mein Bett und beschließt sich auf mich zu setzen, als ich auf die Küsse nicht reagiere.
Ich höre Mije im Hintergrund lachen.
"Aba, cu!" (Aba, aufstehen!), fordert Suela zuckersüß mit ihrer Babyaussprache.
Sofort beginne ich zu grinsen, was ihr nicht missfällt.
"Abaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!"
Ich drehe mich auf den Rücken und greife wie ein Monster nach ihr.
Sie beginnt zu schreien und gleichzeitig zu lachen.
Als ich sie kitzel hat sie sie vor Lachen nicht mehr unter Kontrolle.
Sofort höre ich meine Schwester aus dem Wohnzimmer rufen.
"Suela, ma se po i qon qikat." (Suela, hör auf du weckst die Mädchen.)
Maida versucht sich mit leisen Schritten zu nähern, doch sie erreicht das Gegenteil.
Als sie vorsichtig die Tür öffnet, beginnen wir alle zu lachen.
"Kokni qut a?" (Seid ihr etwa wach?)
Sie läuft zu Mije und gibt ihr einen Kuss auf die Wange.
Bevor Suela auf der Welt war, war Mije ihre kleine Prinzessin.

Als Maida auf mich zukommt, schmeißt sich Suela auf mich.
"Ik ik. Ti e ki Mijen. Aba ost e jemja." (Geh weg, geh weg. Du hast Mije. Aba ist meine.), sagt sie zickig.
Aba. So ruft sie mich seit klein auf.
Maida lacht laut auf, schnappt sich Suela und gibt ihr einen Kuss auf die Wange.
"E jotja esht. Spo ta marr, amo veq po du me ja uru Ditelindjen." (Sie gehört dir, ich nehm sie dir nicht weg. Ich will ihr nur zum Geburtstag gratulieren.)
"Lulatja?" (Gesenk?)
Maida läuft aus dem Zimmer und kommt wenige Sekunden später mit einer Tüte zurück.
Suela greift danach und überreicht sie mir.
"Kur martohesh tvyn si nuse.. Edhe m pelqej met thon drejt." (Wenn du verheiratet bist brauchst du das als Braut.. und es gefiel mir auch so. Ehrlich gesagt).
Ich hole ein türkisfarbenes, bodenlanges Kleid aus der Tüte.
Die Farbe schmeichelt meinem Gesicht.
"Faleminderit zemer.", sage ich und umarme Suela.
Danach steh ich auf und gebe Maida 'nen Kuss auf die Wange.
"Danke, es ist wahnsinnig schön."
Sofort greift Suela ein.
"Mos folni gjemanisht!" (Hört auf deutsch zu reden!)
Wir fangen automatisch an zu lachen.

Wenig später öffne ich auch die anderen Geschenke, die ich bekommen habe.
Ein Kosmetik-Set von Mije.
Geld von Mama und Papa.
Ein kleines Fotoalbum von Gresa.
Und den Ring von Patrik.
Ich erkläre Maida die Sache mit Patrik auf deutsch, damit Suela nichts versteht.
Im Gegensatz zu Mije fand Maida Patrik aus Erzählungen immer sympathisch.
Auch wenn sie ihn nie kennengelernt hat.
Und auch jetzt grinst sie, wenn ich ihr von den Geschehnissen erzähle.
"Ich glaube er liebt dich sehr."
In ihrem Blick erkenne ich gleichzeitig den Schmerz.
Maida ist zehn Jahre älter ich. Bevor wir nach Kosovo abgeschoben wurden, hat sie heimlich eine Beziehung zu einem Jungen geführt.
Nach der Abschiebung dann ging der Kontakt endgültig verloren.
Kurz darauf wurde sie mit ihrem Mann verheiratet.
Auch wenn sie mittlerweile ihren Mann liebt, hat sie sich nie von dem Schmerz ihrer ersten Liebe erholt.
Manchmal stalkt sie noch sein Profil auf Facebook. Er ist mittlerweile auch verheiratet.

"Vielleicht tut er das echt.", sage ich.
"Behalte den Ring und den Brief. Sowas ist kostbar. Er hat dir durch ein Blatt Papier sein Herz in die Hand gedrückt."
Mije, die sonst direkt einen Kommentar ablassen würde schweigt und schaut nachdenklich.

"Warum machst du Leotrims Geschenk nicht auf?", fragt sie plötzlich.
"Er ist komisch."
"Wie?", fragt Maida.
Ich zögere einen Moment, beginne dann aber doch die ganze Geschichte zu erzählen.
Beginnend von den Worten an unserer Verlobung, über die monatelange Funkstille bishin zu seinen süßen Nachrichten.
Beide schauen stutzig.
"Ich versteh das nicht. Klingt fast so als hätte er Stimmungsschwankungen.", sagt Mije.
"Vielleicht weiß er nicht so Recht, wie er damit umgehen soll. Ich glaube nicht, dass seine Worte gelogen sind."
"Was soll ich jetzt tun?"
"Warte ab, bis er sich meldet. Dann sprich ihn direkt auf sein Verhalten an und bitte ihn drum über Silvester herzukommen."
Mije stimmt ihr zu.
"Aber das Geschenk kannst du trotzdem aufmachen."
"Ich will nicht Mije. Wenn er sich so verhält, will ich nicht reingucken."
Sie steht auf und verpackt das Geschenk in ihren Schrank.

Wenig später verabrede ich mich mit Leonora.
Sie ist nur noch wenige Tage in Kosovo, weshalb sie mich unbedingt treffen möchte.
Um Maida ein bisschen Freiraum zu lassen, beschließe ich Suela mitzunehmen.
Was sich als gute Idee herausstellt, als sie freudig
mit Leonoras Sohn in einer Kinderecke des Restaurants spielt.
"Shume po gzohna qe u bo." (Ich freu mich sehr, dass es geklappt hat.), sagt sie und beginnt von ihrem Leben seit dem Abschluss zu erzählen.
Sie erzählt davon, wie sie ihren Mann im Sommer kennengelernt hat und sich kurz darauf verliebt hat. Von der Verlobung, der Hochzeit und dem anfänglichen Leben im fremden Deutschland.
Sie erzählt auch von ihrer Schwiegermutter, die zunächst unglaublich freundlich war und sich mit der Zeit als Hexe herausstellte.
Sie glaubte in Leonora eine Putzkraft gefunden zu haben und rebellierte, als sich Leonora wehrte und forderte zu studieren.
"Burri jem shyqyr pom perkrah." (Mein Mann unterstützt mich zum Glück.), sagt sie lächelnd.
Sie und ihr Mann leben mittlerweile in ihrer eigenen Wohnung. Weit weg vom Schwiegermonster.

"E ti? Kallxo." (Und du? Erzähl)
Ich erzähle ihr von allem. Von allem außer der Verlobung.
"A po te pelqen najkush?" (Gefällt dir jemand?)
Ich lächel nur.
"Kallxo more." (Erzähl doch.)
Als ich ihr dann von Leotrim erzähle, schluckt sie. Sie ist sprachlos.
"Medina..", ich nicke nur lächelnd.
"Qka me bo." (Was soll ich machen.)
"E ku jeton?" (Und wo lebt er?)
"Ne Essen." (In Essen.)
"Po aa. E paskna afer. Si e ka mbiemrin?" (Echt? Der wohnt ja in meiner Nähe. Wie lautet sein Nachname?)
Als ich ihr den nenne, macht sie Augen.
"Pse? A e njeh?" (Wieso? Kennst du ihn?)
Sie schüttelt den Kopf.
"Jo amo jom kan me Kunaten e ti ne Kurs. E ajo çka mkallxojke per familjen tburrit.. Mlejke pa fjal."
(Nein, aber ich war mit seiner Schwägerin im Kurs. Und mit dem was sie mir über die Familie ihres Mannes erzählte.. machte sie mich sprachlos.)

Sie nimmt einen großen Schluck ihres Kaffees und beginnt zu erzählen.

Das Glück trägt den falschen NamenWhere stories live. Discover now