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neunzehn / nineteen / dix-neuf.-

Geschickt lenke ich den Wagen in die letzte auffindbare Parklücke und ziehe die Handbremse an.

„Bereit?", frage ich sie grinsend. Augenrollend öffnet sie die Wagentüre und springt raus. „War ich noch nie und werde ich auch nie sein, aber habe ich denn eine andere Wahl, als da wieder reinzumarschieren?", gibt sie zurück. Ich zucke als Antwort mit den Schultern und steige ebenfalls aus. Schnell schließe ich die Autotür und verriegele sie.

Sie läuft vorraus und ich folge ihr mit einem kleinen Abstand, der immer größer wird, da sie relativ schnell geht, als hätte sie es eilig. Der Eingang ist, wie immer, überfüllt und sie steuert direkt auf den Aufzug zu. Ich dränge mich zwischen den Menschen durch und werde von der nervtötenden, anscheinend immerzu gleich bleibenden Fahrstuhlmusik empfangen. „Gott, wie mich dieses Gedudel aufregt", murmele ich genervt, reibe mir über die Schläfe und höre ihr leises Lachen.

„Warte nur ab, bis du zum ersten Mal die Stimme meiner Mutter hörst. In meinen Augen die schlimmste Foltermethode, die es bis jetzt in der Weltgeschichte gab. Sie hätte in den alten Zeiten locker mit den Russen zusammenarbeiten können", meint sie und die Türen des Aufzuges öffnen sich wie auf Kommando. Sie wagt einen Blick auf den Gang und verzieht ihr Gesicht. „Sieh an, da stehen sie alle. Eine schöne kleine Idiotenversammlung", flüstert sie mir zu und läuft dann schließlich mit erhobenen Kinn los. Als ich ebenfalls den Gang betrete, entdecke ich meine Mutter zusammen mit einer Frau und einem älteren Herren am Eingang stehen.

„Savannah! Da bist du ja, Kind!", ertönt die Stimme der Frau, die meilenweit schlimmer ist, als Savannah sie beschrieben hat.

Ich kann Savannahs Augenrollen förmlich spüren, als die blonde Dame mit ihren schwarzen High Heels auf sie zustöckelt. „Du kannst doch nicht einfach so verschwinden! Du bist in ärztlicher Behandlung, verdammt. Wie kannst du in deinem Alter so naiv und verantwortungslos sein?", sie gestikuliert wild.

„Ich verklage dieses verdammte Krankenhaus. Garret, notier dir das und schickt heute sofort den Brief für die Anklage ans Amt."

Ich sehe, wie meine Mutter einen bleichen Gesichtston bekommt und Savannah's Vater, der nur grimmig das Geschehniss beobachtet, hilflos ansieht. „Ms Grembourgh, eine Anklage? Das ist doch nun wirklich weit hergeholt. Wir können das regeln!", ruft sie.

Ich stelle mich neben meine Mutter und sehe zu der blonden Frau und Savannah, die sie abwertend ansieht. „Geht es dir gut? Haben sie dir was angetan?", ihr Blick schweift zu mir. „Hat er dir was angetan?" Sie wirft mir einen Blick zu, der mich auf der Stelle getötet hätte, wenn es möglich gewesen wäre. „Mum, lass das. Es ist nichts", wehrt Savannah wütend ab und tritt von ihrer Mutter weg. Diese zupft sich den Blazer zurecht und sieht wieder ihren Mann an.

„Sue, ich denke, hier besteht kein Bedarf zur Klärung des Geschehnisses. Meine minderjährige Tochter befindet sich in der Obhut dieser Anstalt und die Mitarbeiter scheinen nicht qualifiziert genug zu sein, um auf sie Acht geben und ihre Gesundheit unterstützen zu können."

„Mum, hör auf über mich zu reden, als wäre ich nicht hier", schnauzt Savannah sie sauer an. „Kind, halt dich zurück, deine Mutter hat recht", mischt sich nun auch der Vater ein. Hilflos beobachten meine Mutter und ich den kleinen Familienstreit, der kurz vor einer Eskalation zu stehen scheint.

„Du hast mich hier einsperren lassen, dann solltest du auch vielleicht damit klar kommen, dass ich abhaue, wenn ich keine Lust mehr auf diesen Quatsch habe", Savannah klingt wütend und gleichzeitig so kalt und desinteressiert wie immer.

„Was heißt denn hier, du willst nicht?", die viel zu hohe Stimme schrillt in meinen Ohren wie Alarmglocken. „Mrs. Grembourgh, dazu habe ich auch noch etwas zu sagen", schreitet meine Mutter ein. „Savannah verweigerte alle möglichen Formen von Behandlung. Wir können keine Fortschritte machen, wenn sie nicht freiwillig mitmacht."

Empört atmet Ms Grembourgh hörbar aus. „Dann unternehmen Sie doch etwas! Bringen Sie sie dazu, etwas zu machen! Ich möchte Berichte und vor allem endlich mal die versprochenen Erfolge sehen. Meine Tochter ist keine psychisch labile Magersüchtige!"

Savannah sieht sie verwirrt an und zeigt ihr den Vogel. „Bist du vollkommen bescheuert? Kette mich doch gleich daheim an mein Bett, damit du ja die Kontrolle über mich und mein Handeln hast. Gott, das wird mir zu bescheuert hier", zischt sie, drängt sich an ihrem Vater vorbei auf die Station und verschwindet in ihr Zimmer. Meine Mutter wirft mir einen komischen Seitenblick zu, den ich ignoriere.

„Und wer sind Sie, junger Mann?", fragt Mr Grembourgh grummelnd. Er wirkt recht unseriös, trotz seines Anzuges und dem gepflegten Auftreten, dass ziemlich aufgetragen wirkt. „Er ist mein Sohn", übernimmt meine Mutter das Antworten für mich und ich höre die blonde Tussi neben mir plötzlich auflachen. Wahrscheinlich hatte Savannah diesen theatralischen Lacher von ihr übernommen.

„Was hast du mit ihr gemacht, hm? Bist du so ein schmieriger Idiot? Lass die Finger von ihr, ich sag's dir! Ich verklage den kompletten Laden hier", atemlos wischt sie sich eine Haarsträhne, die wegen ihren wilden Gestikulationen aus dem Dutt gefallen war, aus dem Gesicht und ein unangenehmes Schweigen entsteht. Verwirrt sehe ich sie an.

„Ich würde lieber vorschlagen, den Fehler bei sich und nicht bei der Klinik zu suchen", spreche ich schließlich meine Gedanken aus. Meine Mutter gibt mir einen kurzen und schnellen Kick gegen das Schienbein und ich atme zischend die Luft aus.

Mrs. Grembourgh zieht die Augenbrauen zusammen. „Was hat sie dir erzählt? Diese falsche Schlange. Garret, hast du das gehört? Hast du gehört, was er gesagt hat? Sie traut es sich also auch noch, hinter meinem Rücken schlecht über mich zu reden."

Die Frau wurde mir von Minute zu Minute unsymphatischer. „Sie hat mir nichts erzählt, aber jeder Blinde sieht, dass es ihr nicht gut geht. Wenn man sie einsperrt und ihr etwas aufzwingen will, verschlechtert man die Situation nur. Savannah geht es unglaublich schlecht, und Sie können froh sein, dass sie es bis jetzt noch mehr schlecht als recht durchgehalten hat. Ihr Sachen an den Kopf zu werfen wird sie nicht höher fallen lassen. Haben sie noch nie was von Pädagogik oder sowas in der Art gehört?", sage ich verächtlich und dränge mich ebenfalls an dem breiten Mann vorbei. Ich folge Savannah in ihr Zimmer und schließe die Tür wieder hinter mir.

Wir sehen uns an und brechen in Gelächter aus. „Diese Stimme..das ist..unbeschreiblich", pruste ich und sie nickt zustimmend. „Glaub mir, nach all den Jahren mit ihr in einem Haus bekommst du Tinnitus. Ich frage mich, warum mir mein Gehörgang noch nicht aus den Ohren rausgekrochen ist", meint sie und bringt mich damit noch mehr zum Lachen.

Nach verstrichenen Minuten sehe ich sie fragend an. „Was passiert jetzt?"

„Oh, sie geht nach Hause, kramt ihre CDs mit Delfinklängen heraus und legt sich in die Wanne. Wenn wir Glück haben, taucht dieses ekelhafte blaue Ding aus Scary Movie auf und lässt den Föhn ebenfalls baden gehen", fantasiert sie grinsend. „Du bist echt krank", sage ich kopfschüttelnd.

Die Tür wird aufgestoßen und ich zucke zusammen. Meine Mutter erscheint im Türrahmen und ich beiße mir auf die Lippen.

„Es ist nicht nötig, dass Sie Austin wieder so zusammenscheißen wie das letzte Mal. Es war meine Schuld und ich übernehme voll und ganz die Verantwortung dafür", sagt Savannah, bevor meine Mum zu Wort kommen kann. Diese runzelt nur die Stirn und nickt langsam.

„Ich soll dir nur mitteilen, dass du verlegt wirst. Deine Mutter findet die Jugendpsychatrie in Melbourne passender und dort soll dir, ihrer Meinung nach, besser geholfen werden können. Du verlässt dieses Krankenhaus, Savannah."

SavannahWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu