Das Tabu

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Februar 1979

„Guten Morgen!", trällerte Gwendolyn, als ein verschlafener Sirius Black die Küche betrat. Er runzelte die Stirn angesichts solch guter Laune um diese frühe Zeit und grummelte ein muffliges „Morgen" zurück.

Gwen musste unweigerlich grinsen. Sie wusste, er war ein Morgenmuffel und wie er da am Küchentisch saß, in sich zusammengesunken, mit einem Blick, welcher der Medusa Konkurrenz gemacht hätte, und mit seinem wirr abstehenden, schwarzen Haar, sah er richtig niedlich aus.

Gwendolyn reichte ihm eine frische Tasse Kaffee, den Tagespropheten und küsste ihn tollpatschig, grob auf die Stirn. Sein Blick verfinsterte sich noch mehr und Gwen widmete sich mit einem Lachen den Eiern und Speck in der Pfanne.

Nachdem er einige Minuten an seinem schwarzen Kaffee genippt hatte, schien er einigermaßen kommunikationsfähig zu sein.

„Warum bist du schon auf?"

„Ich war nicht mehr müde und da dachte ich, ich überrasche dich mit einem kleinen Frühstück." Sie reichte ihm seinen Teller und mit dem Schlenker ihres Zauberstabes öffnete sich die Schublade und das Besteck schwebte fein säuberlich neben den Teller auf den Tisch.

„Womit hab' ich das verdient?", fragte Sirius mit gespieltem Misstrauen, doch in Gwendolyns Ohren klingelte es.

Sie war sich selbst nicht ganz sicher gewesen, ob ihr schlechtes Gewissen sie dazu antrieb, oder die Tatsache, dass sie Sirius einfach abgöttisch liebte. Sie sah ihm zu, wie er begann den Speck in sich hineinzuschaufeln und entschied sich mit flauem Gefühl für das zweite.

„Weil ich dich liebe?"

„Oh ja, dasch isch ein Grund."

Sie setzte sich mit ihrer eigenen Tasse Kaffee an den Tisch und schielte auf den Tagespropheten.

„Du warscht gestern lange weg."

„Ich weiß", antwortete sie nur und das schlechte Gewissen meldete sich nun eindeutig zurück. Gwendolyn starrte weiterhin auf den Propheten und war urplötzlich ziemlich dankbar darüber, dass sie Okklumentik beherrschte.

„Ich denke, heute wird es bei mir auch später", fuhr Sirius fort. „Ich treffe mich nach der Arbeit mit James. Er will mich unbedingt mitnehmen!"

Gwendolyn sah auf und runzelte die Stirn.

„Wohin?"

„Zum Orden." Er wich ihrem Blick aus.

„Dem Orden des Phönix?" Er antwortete nicht. „Du willst dich dem Orden anschließen, Sirius?"

„Ich denke schon. Das ist eine gute Sache, was die da machen."

Gwen schürzte missbilligend die Lippen. Wut stieg in ihr auf, doch sie konnte nichts sagen. Sie durfte nichts sagen. Sirius ließ ihr die Freiheit, die sie wollte, also musste sie ihm fairerweise dieselbe Möglichkeit einräumen.

Nachdem Sirius seinen Teller geleert hatte, stand er auf und verschwand im Bad.

Gwendolyn blieb regungslos sitzen, starrte weiterhin auf den Tisch und versuchte zu verstehen, was da gestern eigentlich passiert war. Es war eine Kurzschlussreaktion gewesen. Sie hatte dem Verlangen nachgegeben, das schon so lange in ihr geschlummert hatte und das sie immer unterdrückte. Gwendolyn konnte einfach nicht verstehen, wie sie nach all der Zeit noch immer eine solche Sehnsucht nach Lucius verspüren konnte. Eine Sehnsucht, die noch immer nicht gelindert schien.

Das Gewissen nagte an ihr. Sie bereute bereits, was da gestern geschehen war - oder nein. Wenn sie wirklich ehrlich zu sich selbst war, dann bereute sie es nicht.

Im Schatten eines großen NamensWhere stories live. Discover now