Sorgen

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Ich wusste, dass es sehr unwahrscheinlich wahr, dass es auch mich treffen würde. Es war ein seltener Fall, England war entwickelt genug, um solche Fälle abzulenken.

Und trotzdem stand ich hier und musste dabei zu sehen wie meine älteste Freundin zu Grabe getragen wurde. Wegen einem Kind, dass sie mehr geliebt hatte, als irgendetwas anderes auf der Welt. Wegen einem Baby, dass sie zu etwas Gutem verändert hatte, etwas so Gutem, wie ich es nie werden könnte. Ich war froh, dass ich sowohl Megan als auch Benny an meiner Seite hatte, auch wenn ich Megans geplanten Geburtstagsurlaub zu einer schrecklichen Trauerreise gemacht hatte. Fynn wollte herkommen, doch ich hatte ihn lieber nach der Geburt unseres Kindes bei mir, statt jetzt. Ich weinte nicht, man sollte meinen ich als hochschwangere würde hier die meisten Tränen vergießen, doch nachdem ich erst vier Tage lang vollkommen durchgeheult hatte, war nichts mehr über. Ich konnte mich nicht dazu aufraffen.

Sebastian stand mit dem Kind im Arm da. Das Baby, Linda, schlief, unwissend, was Schreckliches grade passierte. Josie hatte ihr Kind immer Linda oder Samuel nennen wollen, ich war mir sicher, dass Sebastian es nur ihr zuliebe getan hatte. Er wirkte verloren, wie ein Hund den man vor die Tür gesetzt hatte und der einfach nicht wusste, was zu tun war. Die Kleine aber wirkte wie ein Engel, glücklich und unheimlich schön – wie ihre Mutter. Von uns beiden war Josie immer die schönere gewesen, es war in Ordnung, während unser High School Zeit gab es genug Typen, mit denen wir ausgehen wollten. Wegen ihnen hatten wir uns nie gestritten, gut, bevor wir beschlossen hatten uns zusammen gegen die Menschheit zu verbünden gab es schon eine Art „Krieg". Wir hatten förmlich darum konkurriert, besser als die andere zu sein. Aber es schien Ewigkeiten her zu sein. Ich hatte das Gefühl, sie das letzte Mal vor tausenden von Jahren gesehen zu haben.

Nach der Beisetzung versammelten sich alle in einem kleinen Restaurant. Seb sagte niemandem, dass es das Restaurant war, in das er Josie zum ersten Mal ausgeführt hatte. Ich sagte nicht, dass ich haar genau wusste, wie unheimlich verzückt sie von ihm gewesen war. »Ich bin nicht dumm, Evelyn, es ist wie Ausziehen, auswandern, unsere Eltern loswerden und leben auf einmal. Ich weiß, dass ich frei sein kann, solange er da ist.« Ich hatte es für ziemlich kitschig empfunden, wobei die beiden wie Faust aufs Auge gepasst hatten. In jener Nacht, hatte ich bloß in den Hörer wiederholt, wie bescheuert sie doch klinge und schließlich hatten wir aufgelegt. Josie Stuarts, ich hätte niemals gedacht, dass es sich so komisch anfühlen würde, dich zu verlieren.

Megan und Benny sprachen wenig, keiner von ihnen kannte überhaupt jemanden von Josies Verwandten. Sie waren nur wegen mir hier, weil sie wussten, dass ich es alleine niemals packen würde. Weil ich alleine nie irgendetwas packen konnte.

»Tut mir Leid, muss ein Höllentrip sein, eine hochschwangere zieht dich auf eine Beerdigung und hat nichts Besseres zu tun, als dich voll zu heulen.«

»Bin ich von dir gewohnt.«, sie lächelte matt. Wir saßen im Salon, sahen Fernsehen und aßen dazu Pizza.

»Wir unternehmen morgen etwas und in zwei Tagen, an deinem Geburtstag.«, versprach ich ihr.

»Eve, im ernst. Du hast eben deine beste Freundin verloren, das ist eine ziemlich beschissene Situation, ich komme damit klar, mal keinen Geburtstag zu feiern.«

»Jeanette hat aber schon 'ne Torte bestellt.«, widersprach ich. »Und ich habe für dich eingekauft, extra nur für dich.«

Megan lächelte. »Du bist ein Idiot.«

Ich tat es ihr gleich. »Manchmal bin einfach netter, als die Leute es von mir erwarten.« Danach saßen wir schweigend da, starrten auf den Bildschirm vor uns und folgten den Geschehnissen des Filmes. Megan wieder bei mir zu haben, war ein erlösendes Gefühl. Ihre Nerven tötend fröhliches Gemüt und ihr verlangen nach süßem Kaffee hatte mir gefehlt. Ihre Einhornkotze trank sie auch jetzt, keine Ahnung wie sie das in Kombination zu der Pizza überhaupt vertragen konnte, aber so war Megan nun mal. Ganz anders. Josie und ich waren vom verhalten sehr ähnlich gewesen, wir standen auf dieselben Sachen, konnten stundenlang über Dinge sprechen, die wir liebten. Megan und mich trennten stattdessen so viele Dinge, dass unsere Unterhaltungen ernster ausfielen, als ich es von anderen gewohnt war. Und doch war Josie zwar meine längste, aber nicht meine beste Freundin, denn diese saß neben mir, sah zum Fernseher und spülte ihre Pizza mit Kaffee hinunter, während ich über mein Leben philosophierte.

Was wäre, wenn mein Leben genauso Enden müsste wie Josies? Würden meine Eltern darauf bestehen, dass Kind selbst groß zu ziehen oder würde Fynn meinen Sohn aus England befreien, bevor er so ein Wrack werden könnte, wie seine Mutter es war? Ich traute meinen Eltern sehr wohl zu, dass sie das Kind lieber großziehen würden, statt es nach Amerika zu lassen, mit einem Typen, den sie erst kennen gelernt hatten. Desto ich länger darüber nachdachte, desto sicherer wurde ich mir, dass Fynn das Kind verlieren würde, falls ich sterben würde.

Wobei... Was war schlimmer? Mein Tod oder der, eines Ungeborenen? Inzwischen erinnerte ich mich gar nicht mehr daran, wie es war, nicht fett zu sein und mit einem zusätzlichen Gewicht herum zu latschen. Wie fühlte es sich an, nach all der Obhut, sein Kind zu verlieren? Wie fühlte es sich an wenn der Partner starb?

Was wäre, wenn Fynn sterben würde? Bei einem Unfall, an Krebs, an Herzversagen, wie sein Vater. Was würde ich tun, ganz alleine mit einem Kind? Würde ich irgendwann jemanden anderen haben oder doch wieder bei meinen Eltern einziehen und mit vierzig immer noch in der Villa wohnen. Ich schauderte.

»Alles okay?«, fragte Megan und musterte mich von der Seite. Meine Eltern waren zu Besuch bei Lady Monroe, wir hatten das Haus also für uns. Wie seltsam dieser Satz doch klang, wenn man bedachte, dass ich zweiundzwanzig war.

»Ich habe nur... nachgedacht.«

Sie nickte, als würde sie sofort verstehen. Als hätte sie meine Gedanken gelesen. Das tat sie oft, Megan studierte immerhin Jura, sie kannte die Menschen. »Es wird schon alles gut gehen, Eve. Zerbrich dir nicht den Kopf über das, was kommen mag.« Sie nahm meine Hand, drückte sie leicht und ließ sie dann wieder los. Die knappe Berührung tat gut und auch wenn sie meine Sorgen nicht abstellte, so rutschte ich ein Stückchen das Sofa hinab und widmete meine ganze Konzentration dem Film vor uns. 


Guten Abend alle zusammen. Eigentlich wollte ich euch @princessnr01 vorstellen, weil sie mich darum bat und jeder nun mal weiß, wie gütig ich bin. Aber weil das Kapitel nun mal ist wie es ist, muss ich es jemandem anderen widmen.

Dieses Kapitel ist für dich, Alan, weil du mich mein ganzes Leben lang als Snape begleitet hast, und für dich Spike, weil du Megans Hund deinen Namen liehst (mehr oder weniger) und weil du mich töten wolltest. Du wirst immer der einzige kleine Hund sein vor dem ich mehr Angst haben werde, als vor einem fucking Dinosaurier.




Couple in a roundabout wayWhere stories live. Discover now