Kapitel 8 - Sterne am Himmel

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Eine grauhaarige Dame schaute überrascht von ihrem Bildschirm auf, als wir das Krankenzimmer betraten. Fiona und Martin begleiteten mich und fassten die Vorkommnisse zusammen, die mich hierher geführt hatten. In einem kleinen Nebenzimmer musste ich auf einer Liege Platz nehmen. Die Frau maß Blutdruck und Temperatur, fragte mich nach Kopfschmerzen, Schwindelkeit und so weiter und so fort und ich musste ihr alles genau erklären.

„Ist dir flau, Liebes? Ich habe ein wenig Angst, dass du eine Gehirnerschütterung haben könntest."

„Ein wenig. Aber nicht schlimm."

„Ich denke es ist besser wenn wir dich ins Krankenhaus bringen."

Flehentlich sah ich sie an. „Bitte nicht! Es ist keine Gehirnerschütterung, ich hatte nämlich schon mal eine. So schlimm ist es diesmal nicht."

„Die nächste Stunde bleibst du aber noch hier. Ich rufe Doktor Bergen an, er ist der Hausarzt hier im Ort. Mal sehen, wie sich alles entwickelt. Du Ärmste, ich hoffe der Bengel bekommt seine Strafe. Wo soll das noch hinführen? Schon in dem Alter, rohe Gewalt gegen so ein süßes Ding! Diese Gesellschaft muss etwas dagegen unternehmen!"

Sie schüttelte den Kopf, tätschelte meinen Arm und ließ mich allein.

Ich winkelte die Beine an und schloss die Augen. Ich fühlte mich okay, keine Blitze zuckten unter meinen geschlossenen Lidern, oder was sonst bei einer Gehirnerschütterung zu erwarten war. Ich konnte mich auch an alles genau erinnern. Haargenau. Niklas hatte die Tür geöffnet - ausgerechnet er - und mich angesehen, erleichtert und glücklich. Und dann hatte er mich umarmt, es war die erste nähere Berührung zwischen uns gewesen, und ich spürte noch seine Hände, die meinen Rücken streichelten. Seine Finger, die meine umschlossen. Die Stelle, wo er meine Wange berührt hatte, fühlte sich heiß und seltsam kribbelig an. Er brachte mich durcheinander. Seine blauen Augen in Kombination mit diesem Lächeln machten mich ganz schwach, ich konnte es kaum erwarten ihn wiederzusehen. In meiner Fantasie ging es schon darum, wie ich mich bei ihm bedanken würde. Ich wollte ihn ganz fest an mich drücken, seine Arme um mich spüren, seine weiche Haut fühlen und diesen Geruch wieder erschnuppern...

Erstaunt über die intensiven Empfindungen bei dieser Erinnerung schlug ich die Augen wieder auf. Entweder war der Schlag auf meinen Kopf doch schlimmer gewesen als ich glaubte, oder Niklas brachte mich mehr aus dem Konzept als ich mir eingestehen wollte.

Es klopfte an der Tür und nur zu bereitwillig trennte ich mich von diesen Bildern in meinem Kopf, das war eindeutig verrückt. Mehrere Leute traten ein. Martin und jeweils zwei Frauen und Männer, zwei davon uniformierte Polizisten, mit dem Widerling im Schlepptau. Sie hatten ihn also aufgespürt. Er blickte auf den Boden und sein Anblick jagte mir ein ganz kleines bisschen Angst ein.

„Roxana Thalheim?", fragte die Polizistin. „Geht es ihnen besser?"

„Es geht schon", krächzte ich ein wenig eingeschüchtert, angesichts der vielen Menschen.

„Ist das hier der Junge, der sie überfallen hat?"

Er hob seinen Kopf, und ich konnte die ersten Anzeichen eines blauen Auges erkennen. Also hatten die Jungs ihn gefunden und sich nicht an das Anfassverbot gehalten. Natürlich verschaffte mir das augenblicklich ein unerhört zufriedenstellendes Gefühl. Ich bejahte und dann musste ich den genauen Ablauf noch einmal schildern. Achselshirt hieß Jörn und war mit seiner Schulklasse hier. Der andere Mann und die Frau waren seine Lehrer. Er entschuldigte sich bei mir und sah tatsächlich äußerst zerknirscht aus.

„Es tut mir leid, ich wollte dir nicht weh tun."

Der Kerl war gut. Er hatte sich aufgeführt wie ein Wahnsinniger! Von wegen, er wollte mir nicht wehtun! Am Ende war das die erste Manifestation einer psychopatischen Persönlichkeitsstörung gewesen. Zum Glück war die Sache so gut ausgegangen.

MISTER PROVINZKAFFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt