Kapitel 15 - Hoher Flug und tiefer Fall Teil 1

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Und spaßig ging es auch weiter. Als wären wir acht und nicht bereits kurz vor dem heiratsfähigen Alter, tobten wir durch die Badeanstalt. Die älteren Herrschaften in der Dampfkammer ließen uns rausschmeißen, weil wir für sie angeblich eine unzumutbare Lärmbelästigung darstellten. Einem der Bademeister riss fast der Geduldsfaden, weil wir uns nicht an das Verbot vom Beckenrand zu springen hielten. Wir hatten den Strömungskanal erobert und die Rutschen okkupiert. Diesen Badevormittag hätte man gut und gern mit den Worten vorpubertäre Ausgelassenheit überschreiben können.

Während der ganzen Zeit wich mir Niklas nicht von der Seite. Und ich hatte nicht einmal Bedenken wegen meines Aussehens. Allerdings hütete ich mich auch vor spiegelnden Oberflächen, man musste das Unglück ja nicht gleich provozieren.

Ich hatte durchaus das Gefühl, dass Nik mutiger wurde. Anfangs kam mir sein Interesse an meiner Person noch wohlüberlegt und gebremst vor, aber mit der Zeit wurde er stürmischer. Er schnappte mich und warf sich mit mir in das eiskalte Kneipp-Becken. Ich schrie wie am Spieß und er lachte schallend. Und er nahm öfter wie selbstverständlich meine Hand, um mich irgendwohin zu ziehen. Es fühlte sich alles andere als beiläufig für mich an.

Einmal standen wir mit einer großen Gruppe unserer Jugendkreiscompanions an der dunklen Tunnelrutsche an. Das Teil war wirklich stockdunkel, und es kam einem vor als würde man durch ein Wurmloch springen. Lukas hatte die Spitzenidee, dass wir doch als Kette runterrutschen könnten, also alle hintereinander. Er hatte sich als erster vorn hingesetzt und danach legte Dina die Arme um ihren Bruder und setzte sich hinter ihn. So lief das also? Patrick war vor mir und - natürlich - Nik hinter mir. Es fühlte sich schon komisch an Patrick so nahe zu kommen. Ich grätschte meine Beine um ihn herum und umfasste zaghaft seine Schultern. Er wandte seinen dunklen Lockenkopf zu mir um, grinsend wie immer, und sagte:

„Du musst dich schon ein bisschen fester halten, Roxylein, sonst verlieren wir dich."

Mit diesen Worten nahm er meine Hände und schlang sie sich um seinen Oberkörper. Ich spürte seine feste Haut unter meinen Händen im selben Moment, als Niks warmer Körper sich an meinen schmiegte und seine Arme meinen Oberkörper umfingen. Ein wohliger Schauer lief mir den Rücken hinunter. Es war ein ungewohnt intensives Empfinden, dass mein Körper bisher nicht kannte. Wir waren uns so schutzlos nahe, in den spärlichen Badesachen, dass man jede Berührung gleich um ein vielfaches intensiver spürte. Sein Atem kitzelte meinen Nacken und die Gänsehaut, die mich daraufhin verräterisch befiel, entging ihm nicht.

„Du frierst", stellte er fest und daraufhin zog er mich noch näher an sich heran. Niklas' Körper umschloss mich wie ein liebkosender Kokon aus Wärme, Duft und einem berauschenden Sirren in meinen Nervenbahnen. Ich fühlte mich so elektrisiert, als hätte mich jemand in eine Badewanne voller Sekt geworfen, mein ganzer Körper kribbelte. Ich hegte keinerlei Ambitionen, ihm zu sagen, dass mir eher ziemlich heiß war.

Im nächsten Moment schoben sich Paulinas manikürte Hände zwischen mich und Nik, ihre schlanken Arme zogen ihn an sich heran und von mir weg. Aber er hielt mich noch immer in seinen Armen, bemüht darum mir nicht weh zu tun und seine Berührungen fühlten sich an wie sanftes Streicheln.

Unsere Menschenkette setzte sich in Bewegung und Niks und mein Körper folgten den Bewegungen der Kurven. Seine Hände hielten mich fest und sein gelöstes kleines Lachen erklang nah an meinem Ohr. Er roch so gut, irgendwas sehr männliches, vermutlich ein Parfum. Dieses Zeug war ein verdammter Lockstoff, sicherlich in irgendeinem Labor auf Grundlage der Erforschung von Pheromonen oder so entstanden, um Frauen um den Verstand zu bringen. Die Röhre übertrug jedes Geräusch extrem laut, unser Geschrei musste im ganzen Schwimmbad zu hören sein. Nicht so gut, wo doch unübersehbar untersagt war, dass mehr als eine Person gleichzeitig rutschten.

MISTER PROVINZKAFFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt