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5.6.2016

Ich habe etwas Dummes gemacht.
Gestern Vormittag habe ich mich krank gestellt um mich den ewigen scheußlichen Schulstunden unter falschen Freunden zu entziehen und als ich alleine zuhause war, weil Mom zur Arbeit ist, hatte ich einen richtigen Tief. Normalerweise zähle ich die Aspirin-Tabletten nur. Sieben Stück, so viele will ich immer im Haus haben.
Blutverdünnend, sodass ich langsam einschlafe.
Und plötzlich kam mir das Leben so sinnlos vor.
Und anstatt zu zählen habe ich sie genommen.
Erst eine, dann zwei, dann noch eine und am Schluss war das Endergebnis, dass ich sieben Stück geschluckt hatte.
Minutelang passierte nichts und ich dachte nach, dachte an dich Jae, dachte an die Erlösung der Schmerzen.
Auch wenn Mom oder Kai sie dann ertragen müssten, ich war egoistisch.
Mir war alles recht, solange ich es nicht mehr musste.
Ich weiß, es klingt unfair, aber verdammt, ich konnte nicht mehr.
Noch nie in meinem Leben war ich so kraftlos. Es fühlt sich so an, wie wenn du eine dieser Stangen in der Sporthalle einige Male hochkletterst und du beim letzten Mal weißt, dass du es nicht mehr schaffst.
Dass deine Arme nachgeben und du micht mehr genügend Kraft hast.
Dass du fällst.
Und ich wollte lieber springen als fallen.
Doch nach einigen Minuten, in denen ich mich zur Seite gelegt hatte, begann es mir unglaublich schlecht zu gehen und die Schmerzen, die ich verspürt hatte, waren nichts im Vergleich zu denen, die ich vorher hatte.

Ich bekam einen Ausschlag, mein ganzer Körper juckte wie wild und ich erbrach mehrmals, immer immer wieder.
Ich war so schwach, kroch nur noch am Boden rum, war nicht mehr in der Lage zu gehen, also robbte ich mich zur Toilette, um nicht den ganzen Boden vollzukotzen.
Meine Augen wurden schwacher, ich begann die Dinge doppelt zu sehen, die Tabletten verdünnten mein Blut zu sehr.
Und auch wenn ich versuchte mich zu zwingen, so viel Tabletten wie möglich in mir zu behalten, rebellierte mein Körper und begann sich zu wehren.
Ich weiß nicht wie lange es dauerte, aber sicherlich mehr als vier Stunden, bis der Brechreiz nachließ und ich kraftlos zusammensackte.

Als Mom heimkam, fragte sie mich was lossei und ich antwortete, dass ich ja krank sei und mich übergeben hätte und sie nickte.

Die Menschen sagen immer Tabletten sind der schmerzloseste Tod, aber das stimmt nicht.
Ich kann mir das Abdrücken einer Waffe hundert Mal schmerzloser vorstellen, als diese Höllenqualen nochmal zu durchleiden.
Wie hast du es getan, Jae?
Über soetwas haben wir nie geredet.
Nur darüber, dass wir frei sein wollen.
Ich habe gehört, dass du Schlaftabletten genommen hast, niemand weiß genaues.
Dein Vater hat sich geweigert ein Grab für dich zu bezahlen, er hat zwar einen Pfarrer dazu angeheuert ein paar Worte zu sagen, aber ansonsten hat er dich verbrennen lassen und deine Asche verstreut im Wind. Anfangs waren wir in einer Kirche, wie bei dem Begräbnis meiner Tante vor vier Jahren. Danach hat dein Vater dir Asche einfacm vor dieser verstreut. Er hat sich nicht einmal die Möhe gemacht woanders hinzufahren.
Deine Asche liegt im Wind.
Ich bin mir sicher, dass dich das gefreut hätte.
Dass du dich so am Freiesten fühlst.
Aber Jae, das ist keine Freiheit.
Dein Vater hat dich geschlagen, Tag um Tag und du hast es über dich ergehen lassen.
Trotzdem bleibt mir nach deinem Tod eine Frage, die niemand beantworten kann.
Geht es dir besser, dort wo du jetzt bist?

365 DAYSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt