„Was machen wir heute?", fragte ich, nachdem mich Jake zu einem Auto am Straßenrand geführt hatte. Dieses Mal wurde ich ganz gewöhnlich an der Haustür abgeholt. Jake hatte eine Rose in der Hand, die er definitiv aus unserem Garten gepflückt hatte. Ich würde einfach sagen, dass es die Nachbarskinder waren.
„Hör auf so ungeduldig zu sein. Das ist ja nicht auszuhalten.", meinte Jake gespielt genervt. Dass er es gespielt hatte, wusste ich, weil er mir dabei in die Seite gepiekt hatte.
„Gut.", seufzte ich ergeben, da mir klar wurde, dass ich aus Jake nichts mehr rausbekam und setzte mich auf den Beifahrersitz.
„Hast du alles mitgenommen, was ich dir gesimst hab?", fragte Jake, bevor er losfuhr. Ich nickte verwirrt, doch er ignorierte meinen Ausdruck gekonnt.
„Du bist so ein... Blödmann.", meinte ich aufgebracht, als ich sein schadenfrohes Grinsen bemerkte.
„Und du musst unbedingt lernen wie ein Mensch zu sprechen, der auch wirklich 15 ist und nicht 5.", erwiderte er nur. Ich starrte ihn entsetzt an.
„Ich werde in 3 Monaten 17.", presste ich zwischen zusammengepressten Zähnen beleidigt hervor. In vielleicht 20 Jahren würde ich mich deshalb geschmeichelt fühlen, aber jetzt, jetzt war es eine Beleidigung.
„Ist doch egal wie alt du bist. Fakt ist, dass du dafür viel zu... unbeholfen sprichst. Es heißt auch nicht Violine, sondern Geige. Wer sagt denn heute noch Violine?!", regte er sich auf und fuhr weit über der Geschwindigkeitsbegrenzung.
„Alle aus der Oberschicht?", stellte ich die Gegenfrage.
„Du meinst die Bonzen.", schnaubte Jake und sah mich an, anstatt auf die Straße zu sehen.
„Guck auf die Straße!", rief ich erschrocken und fügte dann leise fast kaum hörbar hinzu: „Außerdem bin ich auch eine."
Zu oft wurde dieses Wort gegen mich verwendet, zusammen mit Streber oder Wunderkind. Das Auto machte eine Vollbremsung, was aber nichts anzurichten schien, da wir auf einer nicht befahrenen Landstraße waren.
Ich schrie erschrocken auf und krallte mich in meinen Sitz, doch Jake schien sich gar nicht darum zu sorgen, wo wir standen, sondern sah mich nur ernst an. Ich spürte eine warme Hand an meiner und dann wie sie sich ineinander verschränkten.
„Du bist kein Bonze und auch kein Schnösel oder so. Du willst keinen Reichtum, Ruhm oder diese sogenannte Ehre. Du willst Freiheit und nur, weil ein paar Idioten zu dumm sind den Unterschied zwischen arm und gut oder reich und böse nicht unterscheiden können, heißt das noch lange nicht, dass du so bist, wie sie denken."
Bei seinem Redeschwall hatte ich die ganze Zeit auf meine Hände gestarrt, doch jetzt legte Jake zwei Finger unter mein Kinn.
„Sieh' mich an, Erin." Er hob meinen Kopf, so dass ich ihm direkt in die wunderschönen Augen sehen musste.
„Du bist in allem unglaublich gut, aber du machst dich über niemanden lustig, wenn er es nicht ist, du verlangst auch von niemanden so zu sein wie du. Und das macht dich perfekt. Deine Eltern erwarten von dir, dass du perfekt bist, obwohl du es schon längst bist und nur, weil die Menschen da draußen eine andere Vorstellung von Perfektion haben, heißt das nicht, dass du es nicht sein kannst."
„Und wenn ich nicht perfekt sein will? Egal nach jemandes Ansicht? Wenn ich Verbotenes tun will, abhauen will, etwas Neues erleben will?!", entfuhr es mir. Ich sollte echt aufhören, dass zu sagen, was ich dachte.
„Dann tu das. Sei nicht perfekt. Sei du selbst, wenn du dich selbst nicht als perfekt sehen willst, tu es nicht." Er sollte verdammt nochmal aufhören so weise Worte auszusprechen!
„Hilfst du mir?", stellte ich die Frage, die ich zuhause nie aussprechen dürfte. Nach Hilfe zu fragen zeigte Schwäche. Man kriegt einen Auftrag und muss ihn erledigen.
„Wie schon gesagt ich bin der Bogen. Ich werde dir helfen, egal bei was. Hauptsache es verletzt dich nicht." Jake sah mich so ehrlich an, dass ich ihm die Worte sofort abkaufte. Er konnte nicht lügen, außer er war ein verdammt guter Lügner. Doch dieser Gedanke wirkte so abwegig. Ich vertraute Jake. Und er vertraute mir... oder?
Jake ließ meine Hand nicht los, als er wieder losfuhr. Diese kleine Geste sollte eigentlich nicht so viel Bedeutung haben, doch ich bekam ein warmes Gefühl in der Magengegend.
Da ich heute schon sowieso viel Dinge erzählt hatte, die nicht für die Außenwelt bestimmt waren, fragte ich einfach gerade heraus.
„Vertraust du mir, Jake?" Die Luft wurde erfüllt von bedeutungsvollem Schweigen. Das war wohl Antwort genug.
„Es ist nicht schlimm, wirklich nicht. Vertrauen ist nichts was man jeder beliebigen Person geben sollte-"
„Manchmal mehr als mir selbst. Meistens eigentlich." Ich verstand gar nichts mehr.
„Was meinst du?" Ich fühlte mich leicht dümmlich, da ich so gar nichts mehr kapierte. Hatte ich gerade wirklich kapierte gedacht? Seit wann kannte ich solche Wörter überhaupt?
„Ich vertraue dir meistens mehr als mir selbst." Er ließ mir gar keine Zeit seine Worte sacken zu lassen oder den Sturm in meinem Innern zu beruhigen, da stieg er schon aus.
Ich hatte das ernst gemeint. Vertrauen sollte man nicht jeder x-beliebigen Person schenken, selbst wenn man dachte, dass man ihr wirklich vertrauen konnte.
Ich hatte nie wirklich jemanden vollkommen vertraut. Früher vielleicht, als ich klein und naiv war. Als ich dachte, die Welt sei ein schöner Ort voller Liebe und Glück.
Die letzten Jahre hatte ich niemandem vertraut, oft nicht mal mir selbst. Ich war nur eine Marionette, meiner Eltern. Ich wurde von ihnen aufgezogen, also dachte ich auch ähnlich wie sie. Ich war wie sie und dieser Gedanke machte mir Angst.
Und jetzt kam jemand, der mir mehr vertraute als sich selbst? Genauso wie ich ihm mehr vertraute als mir selbst. Und ehrlich gesagt war mir das lieber, als dass wir nur uns selbst vertrauten, denn das hielt uns zusammen. Machte uns zu Partnern, einem Team, vielleicht sogar Seelenverwandten.
„Kommst du?", riss mich seine sanfte Stimme aus meinen Gedanken.
„Wo sind wir?", fragte ich verwirrt und stieg ebenfalls aus. Vor mir waren nichts als Meilenweite Felder.
„Dreh' dich mal um." Ich folgte seiner Anweisung und entdeckte das eingefallene Haus vor mir. Efeu schlängelte sich um die Hauswände, Fenster gab es gar keine mehr, doch eigentlich war es ein schönes Landhaus aus rotem Backstein, wahrscheinlich sogar mit einem Kamin.
„Was tun wir hier?", wandte ich mich an Jake, der eine Tasche aus dem Kofferraum nahm.
„Wir tun das, was uns am meisten Spaß macht.", grinste er und warf mir eine Sprühdose zu.
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Finally I got it!
Die nächsten Tage wird wahrscheinlich wieder ein Kapitel kommen und dann sobald die Ferien anfangen (21. 7.) wieder regelmäßig alle 2 bis 3 Tage.
Und was ich noch anmerken wollte ist, dass ich Play it bei den Wattys2016 eingereicht habe, ich will euch jetzt nicht bitten, extra viel zu voten und kommentieren, weil ich es sowieso nicht schaffe diesen Watty Award zu kriegen. Einfach nur, damit ihr es wisst.
drowninlife<3
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Play it
General FictionErins Leben ist schon perfekt durchgeplant, als plötzlich Jake darin auftaucht und alles ziemlich durcheinander bringt. Zum ersten Mal lernt Erin, was es bedeutet zu leben, ohne Regeln zu befolgen und nur an die Zukunft zu denken. Zum ersten Mal le...