Harry/Thea

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Thea:
Es war unser gefühlt hundertstes Date hier. Fast jede, oder jede zweite Woche traf man uns beide im Kino. Die Mitarbeiter kannten schon unsere Namen und wir ihre. Nicht, dass ich Filme oder Kinos nicht mochte, aber es nervte mich, dass wir fast ausschließlich dort waren. Mit der Zeit kam ich dahinter, warum Max immer für die Kinobesuche plädierte. Der wehrte Herr besaß eine Rabattkarte und konnte somit super Schnäppchen machen und mich zeitgleich zu einem Date ausführen. Gewusst wie, würde ich behaupten. Dass ich von den ewigen Verabredungen in der stillen Dunkelheit die Nase voll hatte, bemerkte er nicht. Hauptsache er konnte mit mir in der letzten Reihe rumfummeln. Und für ihn spielte es keine Rolle, wie voll es war. Ich hatte nicht viele Ansprüche an eine Beziehung, aber ich wollte auch mal etwas Neues erleben, außer im dunkeln neben fremden Menschen rum zu knutschen. Selbst wenn ich andere Vorschläge für Dates brachte, wurden sie ignoriert, da wir uns auch in seinen oder meinen vier Wänden unterhalten könnten. Meiner Meinung nach, verlief unsere Beziehung alles andere als prickelnd.

Vier Tage später: Harry
Jesse und ich hatten uns beinahe jeden Abend bei einem von uns getroffen. Wir hatten uns die Köpfe zerbrochen, wie ich Thea von mir überzeugen konnte und immer, wenn wir das Gefühl hatten, es wäre nun soweit, dann brach die Konstruktion dank der Logik ein. Es war beschissen. Ich hasste es, auf etwas warten zu müssen, etwas planen zu müssen. Ich war eher der spontane Gefühlsmensch, der mit seiner Spontanität gerne andere überrumpelte, doch für Thea wollte ich mir etwas größeres ausdenken. Ich hatte sogar an ihre Freundin Anna gedacht, die mich jedoch sofort abblitzen hatte lassen. Thea sei glücklich und ich solle diese Beziehung nicht kaputt machen und dann hatte sie doch genervt erzählt, dass die Beiden wohl einige Probleme hätten. Max wäre wohl ein ziemlicher Geizkragen und darauf versessen, nur Dinge zu tun, die er vorschlug, weshalb sie wohl ständig im örtlichen Filmspielhaus waren. Ob Anna es wusste oder nicht, sie hatte mir damit mehr geholfen, als ich zu hoffen gewagt hatte. Sie hatte mir einen Grund geliefert, nur einen kleinen, aber immerhin.

Sechs Tage später: Thea
Ich lief gerade über den Campus, als ich von weiter weg einen braunen Lockenkopf erspähen konnte. Er kam direkt auf mich zu und um mich zu verstecken war es viel zu spät. Eigentlich wollte ich das auch gar nicht, schließlich gab es keinen Grund dafür, doch es war mir reflexartig in den Sinn geschossen. Schnell schlug ich mir diesen bescheuerten Gedanken aus dem Kopf. Für weitere Gedanken bleib mir keine Zeit, da stand schon Harry vor mir und sah mich mit einem schüchternen Lächeln an. Etwas unbeholfen sahen wir uns an und ich brachte nur ein zurückhaltendes „Hallo" heraus. Seit unserem letzten Treffen im Café Chaos hatten wir uns nicht mehr gesehen und immer wenn ich ihn sah, kamen die Gefühle hoch, die ich bisher so erfolgreich versucht hatte zu verdrängen. Zu gerne hätte ich ihn begleitet, egal wohin er gehen musste, Hauptsache ich war in seiner Nähe. Aber das war nicht in Ordnung, wir waren getrennt und ich wollte nicht zu ihm zurückrennen, bloß weil meine Beziehung mit Max nicht ganz so einwandfrei lief, wie erhofft. Nach einem kurzen Wortwechsel verabschiedeten wir uns voneinander und gingen getrennte Wege.

Am selben Tag: Harry
Als ich Thea gesehen hatte, war ich kurz davor ihr zu gestehen, was für idiotische Pläne ich mir ausgedacht hatte, um sie wieder an meiner Seite zu wissen. Sie brachte mich dazu, all meine Gedanken auszuposaunen, auch wenn sie es nicht wert waren, angesprochen zu werden. Dieses verdammte Mädchen hatte mir den Kopf verdreht und ließ mich nun an der langen Leine. Ob gewollt oder nicht, vermochte ich nicht zu sagen, aber es schien so, als hätte sie mehr Ahnung davon, als ich. Ihre sehnsüchtigen Blicke konnte sie nicht verstecken, und mit dem Hintergrundwissen, dass ich dank Anna erhalten hatte, wusste ich auch, was sie sich erhoffte. Einen Nachmittag außerhalb eines dunklen, geschlossenen Ortes, in dem Filme gespielt wurden. Ich hätte sie mitnehmen sollen, dann hätten wir gemeinsam zu Jesse gehen können. Der hatte mich schwören lassen, dass es heute nicht um sie ginge, sondern nur um das neue Ballerspiel und die Kleine aus dem Café. Und ob man es glauben mochte oder nicht, ich behielt meine Gedanken für mich und war einmal nur für meinen Freund da.

Café ChaosWhere stories live. Discover now