•Verkwan•

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Ein Wimmern floss mir über die Lippen.
Ich fühlte mich schrecklich, widerwertig und wie der größte Lügner dieses Planeten.
Obwohl ich ihm schon so oft versprach es zu lassen, obwohl ich ihm jedes mal bestätigte, dass es mir gut gehen würde, so tat ich es dennoch und verfluchte mich dafür selber. Wieso war es so schwer Selbstvertrauen zu haben? Wieso konnte ich die negativen Gedanken nicht abschalten?
Er hatte jemanden besseren verdient, jemanden der ihm vertraute, nicht an der Beziehung zweifelte und ihn vor allem nicht verletzen würde. Sowohl körperlich, als auch seelisch.
"Er ist so perfekt und ich?...ich bin bloß eine leere Hülle, also was will er denn noch von mir? Ich bin es nicht wert, ich bin seine Tränen nicht wert. Was verschwendet er seine Zeit mit mir? Hansol könnte mich niemals richtig lieben, er ist nur aus Mitleid bei mir."
Während ich dies sagte, verzierte ich mit meinem silbernen kleinen Freund weiter meinen Oberschenkel und das weißes Tuch, welches ich zum säubern geholt hatte, färbte sich in ein tiefes rot. Anlegen, drücken, ziehen. Ich wiederholte diesen Vorgang so lange, bis acht lange, tiefe Schnitte, parallel angeordnet, mein Bein schmückten. Unwillkürlich lächelte ich. Es sah so wunderschön aus, wie einzelne rubinrote tropfen meinen Oberschenkel hinunterliefen und eine kleine Pfütze auf dem Fließboden hinterließen.
Ich mochte den Schmerz, die Farbe und das Gefühl, mich austoben zu können.
Andere warfen Sachen umher oder ließen ihren Frust an dem Ehepartner aus, ich hingegen ritzte, mal grob, mal ordentlicher, in meine Haut, manchmal mehr als 10 Schnitte manchmal war es aber auch nur einer, ein ganz besonders tief-und großer.
Tränen der Wut und Trauer liefen über meine Wangen, aber ich schluchzte nicht oder atmete unkontrolliert. Mein Blick war mittlerweile auf die weiße Wand gerichtet und ich genoss den stechenden Schmerz der frischen Wunden. Nach gefühlten Stunden tupfte ich das restliche Blut von meinem Oberschenkel und suchte in den Schränken nach Pflastern.
Allerdings vergaß ich, dass sie mir schon vor drei Tagen ausgegangen waren. Ich schlug mir mit meiner flachen Hand gegen die Stirn und verdrehte die Augen.
Was sollte ich jetzt tun? In wenigen Minuten würde Hansol von der Arbeit kommen...
Schon alleine bei dem Gedanke an ihn zog sich mein Herz wieder schmerzhaft zusammen. Er würde mich fragen wie es mir ginge und was ich den ganzen Tag gemacht hatte und ich wusste, ich würde ihn wieder anlügen.
Ich suchte immer noch nach einer Möglichkeit meine Wunden abzudecken, als ich hörte, wie der Schlüssel im Schloss herumgedreht wurde und sich schließlich die Haustür öffnete. Fuck.
"Seungkwan?", ertönte Hansol's Stimme im Flur und es begann überall zu kribbeln.
Ich stand stocksteif da, überprüfte mit einer Hand ob ich abgeschlossen hatte, ehe ich nach einer Notlösung suchte.
"Jagiya?!", rief er erneut, diesmal panischer.
Er wusste von meinen Depressionen und dass ich Suizidgefährdet war, wusste er auch.
Einmal kam er nach Hause und ich putzte mir zu diesem Zeitpunkt die Zähne, weshalb ich nicht sofort auf seine Rufe reagiert hatte und er fing an zu weinen und suchte mich überall, bis ich schließlich aus dem Bad trat und ihm zu winkte.
Nicht nur in Hansol stieg Panik auf.
Mein Oberschenkel blutete immer noch und ich fand nichts, womit ich ihn verbinden konnte.
Fuck. Fuck.
"JAGI?!"
Jetzt hörte ich seine Schritte, welche die Treppen rauf rannten.
Gut, er sah zu erst im Schlafzimmer nach, ich hatte noch etwas Zeit.
Schon nach wenigen Sekunden kam mir eine Idee und ich griff nach der Nagelschere, einer Rolle Klebeband und Klopapier.
Es war billig und würde vermutlich nicht lange halten, aber Hansol kam schon wieder in den Flur zurück gerannt.
"Seungkwan?", jetzt war er vor dem Badezimmer.
"Ja?", antwortete ich zögernd.
"Oh Gott, mach das nie wieder.
was tust du da drin?"
Ich verzog das Gesicht.
"Stuhlgang. Was man eben auf dem Klo so macht. Duh."
Kurz war es ruhig.
"Wieso hast du nicht sofort geantwortet, als ich dich gerufen habe?"
"Hab' dich wohl nicht gehört."
Ich log ihn an. Eiskalt.
Ein weiterer Teil meines Herzens zerbröselte und mir war wieder zum weinen zu mute.
"Okay....ich koch uns was schönes und dann schauen wir Basketball, einverstanden?"
Er war der beste, wusste immer was ich zu dem und dem Zeitpunkt brauchte, er würde mir die Sterne vom Himmel holen, wäre es mein Wunsch...und doch zweifelte ich.
Und nur wegen mir, bereitete ich ihm Kummer, ich alleine war daran Schuld, dass unsere Beziehung eines Tages den Bach runter gehen würde.
"Du bist ein Schatz."
Er lachte und lief in die Küche, was ich anhand der, sich entfernenden, Schritte feststellte.
Ich atmete tief durch, bevor ich das Papier mit dem Klebeband befestigte und mir die Hose wieder hochzog.
Ich wischte den Boden sauber und warf das versaute Tuch in den Mülleimer. Hansol war nie für den Müll zuständig, sodaß er das Tuch nicht finden dürfte.
Nachdem ich mir dann die Hände wusch und meine heißgeliebten Klingen sicher verstaute, schlich ich mich zu Hansol in die Küche.
Er stand am Herd und kochte Ramyun.
Ich stellte mich hinter ihn und schlang meine Arme um seine Taille.
"Na du?"
Er drehte sich kurz, um mir einen Kuss zu geben und widmetete sich dann wieder den Nudeln.
Ich legte mein Kinn auf seine Schulter, wobei ich mich leicht auf die Zehenspitzen stellen musste und sah ihm beim kochen zu.
"Was hat Dr. Choi diesmal gesagt?", wollte er wissen.
Mit Dr. Choi meinte er meinen Psychologen. Anfangs war ich dagegen, wollte nicht mit einem fremden über meine Probleme reden, aber als ich sah, wie schlecht es Hansol wegen mir ging, nahm ich die Hilfe an und hatte nun schon seit mehr als drei Monaten zweimal in der Woche einen Termin beim Psychologen.
Hansol war begeistert und meinte auch, es hätte sich deutlich gebessert. Ha. Wenn er wüsste.
"Er meinte ich mache große Fortschritte. Er will vielleicht meine Medikamente reduzieren und er sagte ich solle vor dem schlafen gehen einen Tee trinken und ein kleines Workout machen. Das würde angeblich gegen meine Schlafstörungen helfen, sodass ich vielleicht irgendwann nicht mehr so oft zu den Schlaftabletten greifen muss."
"Das ist super. Wirklich...", meinte er und klang so befriedigt und glücklich, dass ich am liebsten auf der Stelle sterben wollte, denn meiner Meinung nach ging es mir kein Stück besser.
Wenn Hansol in der Nähe war konnte ich glücklich sein und...einfach mein Leben genießen, aber war er nicht da, so durchlebte ich die reinste Hölle. Eine Qual war es ohne ihn, dass hatte ich auch schon Dr. Choi weiß gemacht. Denn ohne ihn war ich alleine, hatte niemanden und die schlechten, depressiven Gedankengänge holten mich ein. Das einzige, was sich gebessert hatte war meine Esstörung. Noch vor einem knappen halben Jahr wog ich unter 50 Kilo, aber mitlerweile waren es 56 und dies sah sowohl der Psychologe, als auch Hansol als großen Fortschritt an. Allerdings musste er mich immer noch halb zum essen zwingen.
Hansol füllte die Nudeln in zwei Schüsseln, kramte Stäbchen aus einer Schublade und drückte mir eine warme Schüssel in die Hand.
"Ab auf's Sofa! Ich muss die Beine hochlegen."
Angekommen stellte ich mein Essen auf dem Couchtisch ab und pflanzte mich auf das gemütliche Leder.
Hansol tat es mir gleich, machte den Fernsehr an, legte sich ein Kissen unter den Kopf und zog mich auf ihn.
Gemeinsam sahen wir uns ein Basketball-match an.
Hansol's Hände ruhten etwas Unterhalb meiner Hüfte und ich war nervös, da er sich ziemlich nah an der gefährlichen Zone befand und damit meinte ich nicht die, wie sollte ich es ausdrücken, männliche gefährliche Zone.
"Was ist das?", fragte er mich und deutete auf eine Beule, seitlich des rechten Oberschenkels.
Mist. Das Klopapier war verutscht. jetzt wo Hansol es ansprach, konnte ich sogar spüren, wie der kleine Bereich aus Stoff, an meiner Haut klebte. Doppelter Mist.
"Ein Taschentuch, in meiner Hosentasche", log ich und mein Herzschlag wurde unnormal schnell.
"Das war vorher nicht da, wenn wir mal den Fakt ignorieren, dass diese Jogginghose gar keine Taschen hat."
was interessierte ihn das so?!
Ich wusste nicht was ich antworten sollte und er schubste mich sachte weg, um sich aufrecht hinsetzen zu können.
"Oh, guck mal!", versuchte ich ihn abzulenken und deutete auf den Fernseher, da die Manschaft, für die wir waren, soeben einen Korb geworfen hatte.
Hansol aber ließ sich nicht beirren und fuhr über den kleinen Huckel.
Ich musste mir ein schmerzendes Zischen unterdrücken und biss mir deshalb auf die innere Wangenseite.
Sofort breitete sich der Geschmack von Eisen in meinem Mund aus und ich sah ihn an, mein Blick standhaft und fragwürdig.
Schließlich weiteten sich die Augen meines Freundes, als er den feuchten Stoff spürte und er sah mich unglaubig an. Sein Blick sagte mehr als tausend Worte.
Mein Herz schlug, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen und mein Adamsapfel fuhr Fahrstuhl.
Ich wusste was jetzt kommen würde, Hansol würde mich anbrüllen, mich fragen weshalb ich dies getan hatte, nachdem ich schwor damit aufzuhören und er würde auf der Stelle Schluss machen. Diesmal wirklich.
Aber nix von alle dem Geschah.
zu meiner Verwunderung stand er wortlos auf und verschwand.
Kurz danach Begriff ich was er vor hatte und Tränen stiegen mir in die Augen.
Er wollte seine Koffer packen und mich verlassen.
Aber auch diesmal lag ich falsch.
Hansol kam mit einem schwarzen Filzstift und roten, nassen Augen zurück. Die Fragezeichen schienen mir ins Gesicht geschrieben und ich drehte mich schniefend zum Bildschirm.
Es war mir unangenehm in Hansol's Augen zu schauen, zu mal er auch weinte und dieser Anblick mein Herz noch mehr zerschmettern ließ.
Erst als er mich zurück in das Couchleder drückte und meine Hose, bis zu den Knien herunterzog, wagte ich es ihn anzusehen.
Als Hansol meine frischen Schnitte sah zuckten seine Mundwinkel und ich erkannte, dass er ein Schluchzen zurückhalten musste.
Meine Ohren nahmen die Farbe einer überreifen Tomate an und ich sah beschämt weg. Was hatte er jetzt vor?
Wieder, ohne einen Ton zu sagen, sah er mich an, öffnete dann die Filzstiftkappe und begann auf meinen Oberschenkel zu malen.
Ich hätte angefangen zu lachen und ihn gefragt was das sollte, aber angesichts der Lage schwieg ich und sah zu ihm runter.
Als er fertig war musterte er mich für eine Weile.
Ich legte die Stirn in falten.
Ein Schmetterling?
Wieso hatte Hansol mir einen Schmetterling auf den Oberschenkel gekritzelt?!
Noch bevor ich ihn dies fragen konnte, rückte er die Jogginghose wieder zurecht und griff etwas grob nach meinem Arm, auf dem noch die rosanen, fast verblassten Narben letzten Jahres zu sehen waren.
Für einige Sekunden starrte er wie in Trance auf die verheilten Wunden und schließlich fing er auch auf meinem Handgelenk an einen Schmetterling zu zeichnen.
Ich war voller gemischter Gefühle und mir war warm und kalt zugleich.
"W-was s-soll das?", stammelte ich und wollte meinen Arm zurückziehen, als er fertig war, doch Hansol hatte offenbar anderes vor und verschränkte stattdessen unsere Hände miteinander.
"Kennst du das Butterfly-project?
Du lässt dir von einer Person, die dir sehr sehr am Herzen liegt, einen Schmetterling auf die Stellen kritzeln, an denen du dich selbstverletzt," er strich mit seinem Zeigefinger sanft über die dicken Narben und fuhr mit bebender Stimme fort, "Natürlich kannst du sie dir auch selber malen und den Namen einer geliebten Person darunter schreiben. Es ist dir nicht gestattet sie wegzuwischen oder zu rubbeln, weder noch darfst du dich an der Stelle des Schmetterlings ritzen. Sie müssen von selbst verblassen und wenn du sie doch abwaschen oder wieder in Versuchung kommen solltest, dir weh zu tun, so stirbt der Schmetterling. Das wollen wir nicht oder? Verletzt du dich nicht, so leben sie weiter."
Er schaute mich aus glasigen Augen an und ich wusste nicht,was ich sagen oder wie ich reagieren sollte.
Mein Hals war trocken und ich musste gegen das Verlangen, mich einmal richtig zu räuspern, ankämpfen.
Gerade wollte ich den Mund öffnen, als Hansol wieder das Wort ergriff und näher rutschte.
"Ich weiß nicht, wieso du es wieder getan hast und ich verlange von dir auch nicht, es mir zu erzählen, aber wenn du reden möchtest, dann bin ich immer für dich da, du kannst mir voll und ganz vertrauen. Und wenn du nur eine Schulter zum ausheulen brauchst. Diese hast du immer, du kannst dich immer gegen mich lehnen und ich werde dir voll und ganz meine Aufmerksam schenken.
Ich liebe dich, und liebende helfen einander. Egal wie lange es dauern sollte, bis wir dich halbwegs aus diesem Loch herausziehen können, ich werde nie von deiner Seite weichen, bis dies geschafft ist. Aber ich kann dir nur helfen, wenn du dich mir gegenüber öffnest. 사랑해요."
Ein breites und ehrliches Lächeln bildete sich auf meinen Lippen und ich war immer noch am weinen, als würden Niagarafälle aus meinen Augen strömen, allerdings waren es Tränen der Freude und ich umarmte ihn schluchzend.
Wie gerne ich etwas erwidert hätte, doch blieb mir gerade jedes Wort im Hals stecken und so zeigte ich ihm einfach mit einer Geste wie sehr ich ihm dankbar, für einfach alles, war, presste meine Lippen auf seine und wir versanken in einen leidenschaftlichen Kuss, der trotz der salzigen Tränen zu einem der besten Küsse bisher geworden war.

Das war mein erster Oneshot und ich entschuldige mich für das blöde, hingeklatschte Ende, aber mir fehlte die Zeit, um es schöner und ausführlicher zu schreiben.

~Emily~

SEVENTEEN Boyxboy OneshotsWhere stories live. Discover now