•ChanHan•

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Das ist doch unfair, dachte sich Chan und kickte einen kleinen Stein von dem Fußweg auf die Straße. Seine Eltern waren sehr streng und sie bestanden darauf, dass jedes ihrer Kinder mindestens 3 Stunden am Tag draußen war. Deshalb lief der 16-jährige Teenager in der Dämmerung zu dem Park in der Nähe seiner Behausung. Es war nicht nur so, dass Chan überhaupt keine Lust hatte abends im Park herumzulungern, zu allem Überfluss hatte es auch noch angefangen zu regnen und der Regenschirm in seiner rechten Hand wurde ihm langsam zu schwer. Er hatte weder Freunde, noch bekannte in der Stadt, zu denen er hätte gehen können, so blieb ihm nichts anderes übrig als zu spazieren und sich auf eine Schaukel im Park zu setzen.
Chan fluchte noch eine Weile vor sich hin und bog in einen schmalen Weg ein. Schon hatte er den Park erreicht und sprang mit seinen quietsch-gelben Gummistiefeln in jede einzelne Pfütze.
Ich könnte jetzt schön zu Hause sitzen und lesen, aber nein, stattdessen muss ich meine kostbare Zeit in der kälte verbringen.
Chan lief zielstrebig auf den kleinen Spielplatz zu und erschauderte, da es schon etwas dunkel war und keine Menschenseele zu sehen war.
Er hatte zu viele Horrorfilme gesehen und reimte sich in seinem Kopf irgendwelche gruseligen Geschichten über verlassene Spielplätze zusammen.
Der Teenager hatte bereits die Hälfte seiner Strecke hinter sich, als er aufeinmal ein leises weinen vernahm. Durch die Stille war das Geräusch nicht zu überhören und er bekam es mit der Angst zu tun. Schluchzen und weinen in einem verlassenen Park, es kann nicht schöner werden.
Er war hin und hergerissen an der Überlegungen einfach umzukehren, die Beine in die Hand zu nehmen und sich aus dem Staub zu machen, aber dann weckten die verzweifelten Schreie seine Neugier. Es war als hätte jemand zum Himmel hinauf seinen Frust und seine Trauer herausgeschrien und Chan erwischte sich dabei, wie er dem weinen folgte. Es führte ihn in einen abgelegenen Teil, nicht weit vom Spielplatz entfernt und es dauerte auch nicht lange, da sah er eine Gestalt auf einer der Bänke sitzen.
Die Person hatte den Kopf gesenkt und die Schultern hängen lassen. Der fremde war durchnässt, was logisch war, denn es regnete und er besaß keinen Regenschirm.
Chan bekam Mitleid mit dieser, offenbar, unglücklichen und weinenden Person, aber er spürte auch die Verwunderung in ihm aufkommen.
Wieso sitzt ein Mann in einem Park, alleine und mitten im strömenden Regen?
Seine Verwunderung verstärkte sich, da sich keine 10 Meter weiter ein Platz zum unterstellen anbietete. Es gab immer noch einen Kampf zwischen seinem Bauch-und Kopfgefühl.
Sollte ich zu ihm hingehen und ihm meinen Regenschirm geben? Schließlich hatte ich eine Regenjacke an und so wie es aussah trug der Mann nichts weiter als ein T-Shirt und eine Hose.
Chan's Mutter hatte ihn zwar immer davor gewarnt mit fremden zu reden, aber sein Mitgefühl wurde ihm jedes mal zum Verhängnis.
Er war ein guter Mensch, hilfsbereit und freundlich.
Ja?
Nein?
Ja?
Nein?
Ja?
Nein?

Zu spät...

Chan's Füße führten ihn fast schon von alleine zu dem fremden und er kam einen Meter vor der Bank zum stoppen.
Anscheinend hatte der Mann ihn bemerkt, aber sah nicht auf oder hörte auf zu weinen.
Nein, er winkelte seine Beine an und vergrub den Kopf zwischen Oberschenkel und Bauch.
Jetzt konnte Chan den fremden besser sehen. Seine Schulterlangen Haare fielen ihm ins Gesicht, wie ein zugezogener Vorhang, die Klamotten lagen ihm eng an der Haut und betonten seine schlanke Figur.
Es wurde mit jeder Sekunde unangenehmer und Chan räusperte sich.
"Ähm...es ist ziemlich kalt und regnen tut es auch, ich dachte...vielleicht....ich könnte dir meinen Regenschirm anbieten, schließlich hast du keinen."
Der unbekannte sagte nix, aber sein Schluchzen verstummte.
Chan beschloß sich einfach neben ihn zu setzen und den Regenschirm sowohl über ihn als auch über sich selbst zu halten.
Gesagt, getan.
Nun bekam der Mann keinen Regentropfen mehr ab und das war der Moment in dem er aufsah.
Seine nassen Haare klebten ihm an der Wange, die Augen waren rot und geschwollen, aus seiner Nase lief ein wenig Rotze und seine Lippen sahen zerissen und trotz der Feuchtigkeit trocken aus. Jetzt wo Chan das Gesicht des fremden sehen konnte schätzte er ihn nicht mehr auf Ende 20 sondern nur noch auf vier Jahre älter als er selbst.
Nicht zu vergessen, dass er trotz des verheulten Gesichtes und der traurigen Miene immer noch sehr attraktiv wirkte.
Der Junge Mann senkte seinen Blick wieder und starrte regungslos auf den dreckigen, schlammigen Boden.
"Chan. Mein Name ist Chan.", versuchte der schwarzhaarige eine Konversation anzufangen, damit die peinliche Stille durchbrochen wurde.
Allerdings gelang ihm dies nicht, denn der unbekannte erwiderte nichts, wendete nicht einmal den Blick vom Boden ab.
Chan wurde es aufeinmal furchtbar heiß in der Regenjacke und sein Kragen begann zu jucken.
"Okay, du musst mir nicht deinen Namen verraten, aber willst du vielleicht erzählen was passiert ist? Offensichtlich muss was los sein, sonst würdest du nicht abends im Regen auf einer Bank in einem Park sitzen. Noch dazu weinend."
Er wusste, er redete zu viel, aber Chan konnte sich nicht stoppen. Er war schon immer so gewesen, selbt seine Eltern hatten manchmal genug von ihm. Vielleicht schickten sie mich deshalb jeden Tag für 3 Stunden raus.
Auch diesmal schwieg der fremde, nur schaute er jetzt auf einen Baum, an dem sich gerade ein Eichhörnchen auf den Weg nach oben gemacht hatte.
Der Park ist doch nicht so verlassen, dachte sich Chan und war für einen kurzen Moment abgelenkt. Dann aber fing der Mann neben ihm an zu husten und er sah besorgt zu seiner rechten.
Wahrscheinlich hatte er sich erkältet. Kein Wunder. Selbst schuld.

Der arme.

Chan erkannte dass es keinen Sinn mehr machte ein Gespräch anzufangen und gab es auf.
Noch eine ganze Weile lang saßen sie wortlos nebeneinander, bis Chan's Handy zu vibrieren begann. Es war seine Mutter, die sich sorgen um ihn machte, da er vor guten 10 Minuten zu Hause hätte sein müssen.
Die Zeit vergeht ja wirklich wie im Flug.
Einerseits wollte Chan sich nicht von der unbekannten Person trennen, andererseits konnte er es kaum erwarten aus der unangenehmen Atmosphäre herauszukommen.
Es hatte leider noch nicht aufgehört zu regnen und Chan handelte mal wieder nur durch eine Kurzschluss Reaktion, steckte den Regenschirm zwischen die dünnen Finger des fremden und ehe dieser hätte protestieren können hatte sich Chan seine Kapuze über den Schopf gezogen und den Kopf geschüttelt.
"Schon gut. Ich brauche den nicht, siehst du?", er tippte mit dem Zeigefinger gegen die Kapuze und fügte hinzu, "außerdem haben wir noch genug zu Hause."
Mit einem raschen und daher gemurmelten "Tschüss." stand er auf und wollte gerade zum gehen ansetzen, als der Mann sein Handgelenk packte.
Durch die vielen Warnungen seiner Eltern vor fremden fing sein Herz doller an zu schlagen und er dachte für einen kurzen Moment daran, jede Sekunde entführt zu werden
>wofür er sich im nachhinein selber geohrfeigt hätte<
"Jeonghan.", flüsterte, derjenige der Chan's Handgelenk festhielt gebrochen und rang sich ein trauriges Lächeln ab.
Chan verstand nicht ganz und sah ihn fragend an.
"Mein Name...er lautet Jeonghan."
Da ging dem jüngeren ein Licht auf und er nickte wissend und dankend zugleich.
"Danke...ich meine, für den Schirm."
Dann ließ er von Chan's Hand ab und verschwand im Wald.
Okay, ein bisschen gruselig ist der Typ doch schon, sagte er sich und blieb für einige Minuten, unbewusst, vor der Bank stehen, bis seine Mutter ihn erneut anrief, diesmal mit harschem Ton sagte er solle nach Hause kommen und dann wieder auflegte.
Chan steckte die Hände in seine Jacken Tasche und lief nach Hause. Dort durfte er sich einiges anhören. Wo er denn war, was er solange getrieben hatte und wo denn überhaupt der Regenschirm abgeblieben war.
Er bekam drei Tage Hausarrest, aber das war es ihm wert.
Irgendwie hatte Jeonghan etwas seltsames in ihm ausgelöst und er bot ihm Abwechslung, da er sonst seine Zeit draußen ganz alleine verbracht hätte.
Nach drei Tagen ging er den selben Weg und traf erneut auf Jeonghan, der diesmal trocken und mit einem warmen Lächeln auf der Bank gesessen hatte.
Er erfuhr, dass Jeonghan jeden Tag um die gleiche Zeit im Park war und absofort änderte sich Chan's Meinung über die Spaziergänge, zu denen seine Eltern ihn immer zwangen.
Er traf sich nun täglich mit dem nicht-mehr-so-unbekannten und blieb manchmal sogar länger als nur drei Stunden.
Allerdings erfuhr er nie weshalb Jeonghan am Anfang ihrer Begegnung weinend auf der Bank gesessen hatte und danach mysteriös im Wald verschwunden war.

SEVENTEEN Boyxboy OneshotsWhere stories live. Discover now