|17|- Mathe

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Wow. Um ehrlich zu sein, hätte ich nicht damit gerechnet, war verwundert über seine Worte. Aber wieso eigentl-...
Nein, Stop! Summer, hör' verdammt nochmal auf mit dieser Fragerei!

Erneut nicke ich nur benommen, ziehe den Henkel meiner Tasche wieder über meine Schulter und stelle mich etwas gerader hin. Ich zwänge mir ein kratziges 'Danke' heraus und räuspere mich danach kurz um die Blockade in meinem Hals loszuwerden.

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|Montag|

»·Summer

Völlig fertig und einfach uninteressiert an dem, was mein Mathe Lehrer über Wurzeln, Brüche und den Satz des Pythagoras redet, sehe ich in meiner Klasse umher. Ich sitze wie immer ganz hinten und -wie seit kurzem- neben David. Dieser ist wie immer still, beachtet mich kaum und sieht, im Gegensatz zu mir, an die Tafel, scheint sogar das von unserem Lehrer erklärte, nachvollziehen zu können. Wir haben seit Freitag kein Wort mehr miteinander geredet, beziehungsweise hat er meine Begrüßung in Form eines 'Hey's nur leise, kaum verständlich und natürlich ohne Augenkontakt erwidert. Danach -wie sollte es auch anders sein- sagten wir beide einfach nichts mehr.
Ich hielt meinen Mund, weil ich ihn nicht nerven oder aber ihm 'Angst' machen wollte.
Er schwieg, weil er wahrscheinlich einfach nicht reden wollte oder mich nicht nerven wollte.

Wenn dem wirklich so ist, denken wir beide ziemlich gleich und gleichzeitig total aneinander vorbei.

In zwei Jahren:

,,Hey, warum hast du eigentlich nie mit mir geredet?"

,,Nunja, ich dachte ich nerve dich. Und du?"

,,Oh, echt? Ich dachte das gleiche!"

Wäre schon dezent peinlich, aber ändern wollte ich es momentan auch nicht. Zu unangenehm wäre es mir, ihn zu bedrängen. Teilweise war ich mir selbst ja schon ein wenig zu nachdenklich und gutmütig, sollte mich vielleicht auch einfach mal etwas trauen, aber David hatte mir rein gar nichts getan, also wollte ich auch es nicht herausfordern, ihm -wie jeder andere zuvor- das Gefühl zu geben, ich würde keine Rücksicht nehmen. Denn ich gab mein Bestes ihm zu zeigen, dass ich nicht so sein wollte, wie die anderen. Ich wollte alles daran setzen irgendwie zu erfahren, was das alles auf sich hat, denn das Alles muss einen Grund haben und auf irgendeine Art und Weise zusammen hängen.

Das mit den Verletzungen, die Angst vor Kontakt -wenn der doch bewiesen hat sich wehren zu können-, dass er mich in gewisser Hinsicht vor Alex 'beschützt' hatte, das mit dem Anruf -wieso in der Schulzeit und weshalb die Person so aufgebracht war-, mit diesem wunderschönen Bild, warum er seine Adresse nicht mehr angab, weshalb mich dieses komische Gefühl erschleicht, welches ich bei dieser Straße oder aber bei Augenkontakt mit ihm hatte und zu guter letzt, egal wie weit hergeholt es klingen mag, auch dass er seinen linken Arm vor mir versteckt hatte. Ich bin fester Überzeugung, dass wenn ich eine dieser Sachen herausfinde, den wahren Grund dahinter weiß, dass sich auch der Rest etwas klären wird. Aber über jedes einzelne, von diesen Dingen, könnte ich mir weitere Fragen stellen, Vermutungen in meinen Verstand lassen, welche an diesen Sachen fressen, sie aber einfach nicht lösen können. Wenn ich darüber nachdenke, komme ich bestimmt noch zu ein paar Sachen, über die ich mir den Kopf zerbrechen könnte, die mich an den möglichen Lösungen -welche sich mein Unterbewusstsein ausgemalt hatte- zweifeln lassen.

Mein, aus dem Fenster geschwiffener Blick, richtet sich an die Tafel, zu meinem Lehrer, wobei meine in einen Zopf gebundene Haare, leicht hin und her schaukelten. Innerlich genervt seufzend musste ich feststellen, dass er immer noch damit beschäftigt war, über die Themen der bevorstehenden Arbeit zu reden oder besser gesagt gerade dabei war, die Tafel zu wischen, an der die Sachen standen, welche wir lernen müssen.

Moment...

Geschockt weitete ich meine Augen, als ich feststellen musste, dass wir in zwei Tagen die Mathearbeit schreiben, welche über meine Zeugnisnote entscheiden wird, ich diese Arbeit auf gar keinen Fall verhauen darf, aber Mathe einfach nicht kann und natürlich nicht mit bekommen habe, was wir jetzt genau dafür lernen und können mussten. Augenblicklich öffnete ich mein Heft, kramte meinen Füller aus der Federtasche und versuchte vergeblich noch etwas aus dem Kreide-Wasser Gemisch an der grünen Tafel zu erkennen und schaffte es, wie zu erwarten, nicht. Gerade als ich mich melden wollte, um meinen Lehrer zu fragen, alles noch einmal diktieren zu können, wurde mir von der rechten Seite ein Heft zugeschoben. Mit der linken Hand, um dessen Handgelenk und ein Stück des Unterarms ein sehr breites, schwarzes Bandana gewickelt wurde, zeigte mir David das, was er vermutlich von der Tafel abgeschrieben hatte. In den Karos stand alles fein säuberlich und in einer perfekt lesbaren Handschrift aufgeschrieben, was wir zum Thema Wurzeln, Brüche, Quadrieren und anderen Sachen durchgenommen hatten. Dazu erkannte ich an der Seite Merksätze und kleine Kritzeleien, wie ein schönes Ying-Yang Zeichen mit vielen kleinen Details und Verzierungen, wie zum Beispiel der Sonne und dem Mond. Außerdem etwas, was ich dadurch, dass er es durchgestrichen hatte, nicht mehr erkennen konnte. Er hatte diese wahrscheinlich zwischendurch dort hin gezeichnet, weil ihn Langeweile plagte oder der gleichen. Und sogar diese kleinen Bildchen, welche erneut mit schwarzem Kugelschreiber gemalt wurden, sahen schöner aus, als ich es je könnte. Er machte mich ja schon irgendwie verdammt neidisch.

Etwas verdutzt sah ich zu ihm hoch, in seine -auf mich komisch aber doch angenehm wirkenden- grünen Augen. Erneut viel mir der braune Fleck auf, welcher meinen Verstand rattern lässt und somit das verwirrende Gefühl nur noch verstärkte. Unsicher blickte er mich an, wusste wahrscheinlich nicht, was er jetzt tun, wie er sich jetzt verhalten sollte. Naja, mir ging es nicht anders, weshalb ich einfach lächelte und leise ein 'Danke' nuschelte. Er nahm seine Hand von dem Papier, und legte sie vor sich auf den Tisch. Ein kleines Lächeln, eher ein zucken des Mundwinkels, schlich sich auf seine Lippen, ehe er wieder nach vorne zu unserem Lehrer sah. Dieses kleine Grinsen, welches im Vergleich zu anderen kaum zu erkennen war, freute mich innerlich riesig, da er mich nicht einfach ignoriert hatte, sondern zeigte, dass er auch ein Herz besaß. Ich nahm mir das Heft und begann alles schnell und dennoch erstaunlich sauber in meines zu übertragen.

Er war so ein lieber, anständiger Mensch, zumindest das, was ich bis jetzt von ihm mitbekommen hatte. Er bewahrte mich vor einem blauen Auge oder mehr, sogar zweimal vor einer Erkältung, in dem er mir seine Jacke lieh und jetzt half er mir sogar noch dabei, eine Möglichkeit zu haben meine Zeugnisnote zu retten. Er wurde bis jetzt nie ausfallend oder gar gemein zu mir. Er war neben Ava sogar der einzige Mensch der Klasse, der mich nicht ein mal abfällig oder schief ansah, vielleicht sogar dumme Sprüche brachte. David war einfach verdammt schüchtern, hatte vielleicht einfach Angst etwas falsch zu machen oder von anderen ausgeschlossen zu werden. Aus welchem Grund auch immer, besitzt dieser Junge kein Selbstvertrauen und vermeidet -vielleicht auch deswegen- Kontakt und schirmt sich ab. Er ist eben auch nur ein Mensch, mit Gefühlen, Ängsten und Befürchtungen. David ist ein menschliches Wesen, welches ich zwar nicht immer nachvollziehen kann, dies aber einzig und allein deshalb ist, weil ich fast nichts über ihn weiß. Ich bin sicher, wenn ich seine Geschichte kenne, weiß, was passiert ist und momentan noch geschieht, wird sich das ändern.

Denn alles hat irgendeinen Auslöser, einen Grund und jedes Problem besitzt auch eine Lösung.

What are you afraid of?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt