Wiedersehen

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Clayton und ich fahren schweigend weiter, er scheint keinen Redebedarf mehr zu haben. Dafür habe ich im Moment jede Menge Fragen, die er beantworten soll.

„Wieso meinen Sie, dass es ihr nicht gut geht? Seelisch? Leidet sie noch unter der Totgeburt?"

Er wirft mir einen Blick zu, als wäre ich der dümmste Mensch auf Gottes weiter Welt.

„Natürlich leidet Ana noch darunter. Das wird sie nie überwinden, zumindest nicht vollständig. Und nennen Sie mich Nat, wie alle anderen. Dank Ana werden wir wohl miteinander auskommen müssen, obwohl ich nie verstehen werde, was sie an einem kaputten Freak wie Ihnen findet. Sie hatte nie Geheimnisse vor mir."

„Mein Privatleben geht dich nichts an."

Nur mühsam kommt mir das Du über die Lippen und er schmunzelt, als er meinen Widerwillen hört.

„Christian", brumme ich gereizt und er grinst böse. „Es fällt dir schwer, wenn andere Menschen mehr Kontrolle haben als du, richtig?" Was will er hören? Dass er im Vorteil ist?

Ich spare mir eine Antwort.

„Wie ist es Ana ergangen?" Vielleicht hilft es mir, wenn ich mehr Informationen erhalte.

Er wirft mir einen Seitenblick zu und scheint abzuwägen, was er erzählen kann. Allein die Tatsache, dass er vermutlich immer noch Informationen zurück hält, passt mir nicht. Aber ich kann auch nichts dagegen tun.

„Als sie zurück kam, war sie Anastasia - und total durch den Wind. Sie redete normal, aß und antwortete, zitterte aber bei jedem Telefonanruf und war furchtbar unruhig. Als hätte sie Angst. Da wir von ihr erfahren haben, dass Leila tot war, nahm ich erst an, du hättest ihr etwas getan oder du wärst der Grund. Sie verneinte es, wollte aber nicht sagen, was sie so ängstigte. Zum Glück kam John dann, er sprach mit ihr und besorgte ihr Dr. Wallis, die sie seither hier betreut. Es ging ihr besser, als sie mit Flynn gesprochen hatte, aber bis vor wenigen Wochen war die Angst ihr ständiger Begleiter. Kein Wunder..."

Er bricht ab und seufzt.

„Du wirst es bald verstehen, aber sagen wir so, als sie wieder ruhiger wurde, wurde sie trauriger, melancholischer. Sie vermisst dich, auch wenn sie es nicht zugeben will. Und sie hat auch Angst vor dir."

Ana hat Angst vor mir? Oh Gott, nein! Sie sollte keine Angst vor mir haben, ich würde nie etwas tun, was ihr schadet. Aber das ist auch nicht nötig, ich habe schon längst alles getan, was ich hätte tun können. Sie weggestoßen, geschlagen und falsch reagiert.

„Ich verstehe nicht warum sie mich vermisst, wenn sie Angst vor mir hat", murmle ich mehr zu mir selbst.
Nat seufzt.

„Sie liebt dich. Keine Ahnung, was euch so sehr verbindet, aber sie braucht dich. Ihre Angst hat mit Umständen zu tun, die sie dir selbst erzählen muss. Tut mir leid, ich bin nicht derjenige, der dir bestimmte Informationen geben darf. Ich weiß nur, was sie braucht. Sie ist unsicher und unglücklich, aber sie lacht auch ab und an mal, isst, und sie spricht wieder mit uns. Man merkt es ihr selten an, wie sehr sie im Moment noch leidet. Sie gibt es zwar nicht zu, aber ich weiß es. Sie geht dreimal die Woche zur Dr. Wallis, eine wirklich nette Frau, und die Sitzungen helfen ihr. Sie hat einige Fortschritte gemacht, aber manche Dinge brauchen einfach Zeit. Und sie braucht dich. Auch wenn ich es nicht wirklich verstehe."

Zeit? Wie viel Zeit? Reicht ein halbes Jahr, damit sie mich wieder in ihr Leben lässt? Wie lange, bis sie nicht mehr täglich daran denkt? Ich selbst habe nicht das erlebt, was Ana mitmachen musste und denke jeden Tag darüber nach. Wie muss es für sie sein, sie hat alles durchlitten und keine Möglichkeit gehabt, es wirklich mit jemand zu teilen. Aber Nathan ist sich sicher, dass sie mich braucht und an diese Hoffnung kann ich mich klammern. Deshalb bin ich hier - um sie zurück zu bekommen.

50 Shades of IceWhere stories live. Discover now