Kapitel 2

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Liebe ist ein so abgenutztes Wort. Heutzutage ist Liebe doch meist nur ein Begriff, der im Duden steht. Hatte ich gedacht.


„Sie haben sich geirrt, Doktor. Mir geht es wunderbar. Dafür kann ich Sie sicher verklagen", sage ich im Scherz und grinse meinen Gegenüber an. Mein Doktor seufzt und fährt sich durch den Bart.

„Die letzten PET Scans sagen etwas anderes, Taehyung. Du bist krank. Schwer krank."

Mein Grinsen wird steinern, bröckelt und verwandelt sich in eine ausdruckslose Miene.

„Aufmunternde Worte waren noch nie Ihr Ding."

Mein Kopf schmerzt.

„Da du 18 bist, darfst du über deine Behandlung selbst entscheiden, aber willst du nicht wenigstens deinen Eltern Bescheid geben?"

„Nein. Ich werde die Behandlung nicht machen und ich wäre Ihnen auch sehr dankbar, wenn Sie es nicht meinen Eltern erzählen würden. Geben Sie mir lieber etwas gegen die Schmerzen."

Mein Doktor seufzt erneut, beginnt jedoch damit, einige Medikamente herauszusuchen.

Während er also an seinem Computer tippt, lege ich den Kopf zurück, bis er auf der Lehne des Stuhls trifft. Ich schließe meine Augen und denke an Ben.

Ben, der mein Lächeln wunderschön findet. Ben, der selber wunderschön ist.

Mein Handy vibriert in meiner Hosentasche. Ich hole es heraus und sehe Ben's Namen auf dem Display.

Ein einfaches Ich vermisse dein Lächeln steht da auf meinem Bildschirm. Mein Lächeln kehrt zurück, doch es ist traurig. Ich schlucke schwer und blinzle einige Male, ehe ich Ben als Antwort Ich vermisse deine Stimme sende.

Mein Handy stecke ich wieder in meine Hosentasche und warte darauf, dass der Doktor fertig wird.

Warten ist in letzter Zeit eine lästige Sache geworden. Es nimmt Zeit. Zeit, die ich nicht habe.

Schließlich verlasse ich mit dem Rezept in der Hand die Praxis für Onkologie und trete den Heimweg an.

Mein Kopf schmerzt noch immer.

Ich betrete die Apotheke, die glücklicherweise auf dem Weg liegt und lächle nur, bei dem mitleidigen Blick der Apothekerin, als sie die ganzen Medikamente zusammensucht. Gut, nun wissen zwei Leute Bescheid. Zwei Leute mit Schweigepflicht.

Die Medikamente packt sie mir in eine Tüte und flüstert ein betroffenes „Gute Besserung", ehe sie sich dem nächsten Kunden widmet. Ich widerstehe den Drang die Augen zu verdrehen und verlasse die Apotheke. Wenig später bin ich zuhause und bringe all die Medikamente in mein Zimmer.

Meine Eltern sind noch nicht zu Hause,doch es steht Essen auf dem Herd. Ich stelle es in die Mikrowelle und während mein Essen immer wärmer wird, blättere ich durch die Zeitung. Auf der Welt passiert so viel und ich weiß, dass ich das Ende der meisten Dinge nicht erleben werde. Wird Trump Präsident? Wird man den IS aufhalten können? Fragen, auf die ich gerne eine Antwort hätte.

Das laute Piepen der Mikrowelle unterbricht mich mitten in der Bewegung die Zeitung umzublättern.Mit spitzen Fingern hole ich den heißen Teller aus der Mikrowelle und stelle ihn auf den Tisch. Die Zeitung falte ich zusammen und lege sie auf die Ablage.

Stille. Im Haus ist es vollkommen ruhig.

Ich starre meinen Teller an, auf dem das dampfende Essen darauf wartet gegessen zu werden. Doch mein Hunger ist weg. Stattdessen ist mir schlecht. Übel.

Den Rest des Tages verbringe ich neben der Toilette. Als mir ein Schluchzen entfährt, bemerke ich erst,dass ich weine. Ich hasse das hier.

Wieso ich und nicht Donald Trump?

~



ocean eyes | taehyung [ completed ]Where stories live. Discover now