Kapitel 19

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Ich betrat die Wohnung zwar gut gelaunt, jedoch kamen mit meiner guten Laune dann doch ein paar Zweifel auf.  Zwar war ich gerade wirklich motiviert, in meinem Leben einen Schnitt zu setzen und komplett von vorne zu beginnen, allerdings war die Wohnung von Chris und mir fast durch und durch mit negativen Erinnerungen behaftet. "Es ist das letzte mal, dass du hierher musst, Karin. Okay vielleicht auch das vorletzte Mal." versuchte ich mich selbst zu ermutigen die Wohnung zu betreten. Ich hatte die Haustüre nur einen Spalt breit geöffnet, da rief mir schon jemand entgegen. Wie versteinert stand ich nun da, einen Fuß in der Tür und meine rechte Hand noch an der Türklinke. Ich gab mir einen Ruck und betrat nach kurzem Zögern dann doch die Wohnung. Chris kam auf mich zu, drückte mich fest an sich und küsste mich auf die Stirn. Nun schaute er mir tief in die Augen, er küsste mich und ich war davon so perplex,  dass ich den Kuss auch zunächst erwiderte. Als jedoch eine seiner Hände zu meinem Po wanderte und die andere gerade dabei war die Knöpfe meiner Bluse zu öffnen, stieß ich ihn grob von mir. Das wahr sicherlich etwas unsanft von mir, aber ganz ehrlich hatte er sich das nach seiner Aktion mehr als verdient. Ein sehr  unwohles Gefühl stieg in mir auf. Es war eine Mischung aus Ablehnung und  Ekel. Es wurde stärker und stärker als er wieder versuchte mich zu berühren und seine Hand von meiner Schulter rauf zu meinem Kopf bewegte. Ich drehte mich weg und wollte direkt ins Schlafzimmer gehen, meine Sachen packen und so schnell wie möglich weg! Weg, einfach nur raus hier! Doch da spürte ich etwas an meinen Arm, Chris, er hielt mich fest.  Ich versuchte meinen Arm mit einem kräftigen Ruck seinem Griff zu entreißen, doch das klappte nicht. "Ey!  Lass mich los! Du tust mir weh!" versuchte ich mich zu wehren. Er war ganz ruhig, er hielt mich einfach nur fest,  er ließ mich nicht weg. Er sah mich mit seinem ruhigen Blick an, während sich in mir langsam Wut und Enttäuschung breit machte."Mensch Karin,  was ist denn los mit dir? Du kommst tagelang nicht nach Hause, du  meldest dich nicht!" "Ja, dass ich nicht nach Hause komme,  stört dich ja wohl nicht gerade!" "Was soll das denn jetzt heißen!? Natürlich stört mich das,  ich mache mir Sorgen um dich. In letzter Zeit hast du dich wirklich sehr verändert!" "Ich?  Ich soll mich verändert haben? Ich bin ganz normal!" Ich war geschockt davon, dass er jetzt anfing mir Vorwürfe zu machen. Was fällt dem eigentlich ein? Er geht fremd und sagt zu mir,  dass ich mich verändert hätte! "Man, ich mache mir einfach Sorgen um dich. Unsere Beziehung lief doch immer gut und seit kurzem bist du mir gegenüber so abgeneigt." "Ich bin dir abgeneigt!? Du bist es doch, du hast mich doch schon lange ersetzt!" Ich drehte mich einfach um und ging. Wie ferngesteuert packte ich meine Sachen, so viel wie irgendwie ging stopfte ich in die Tasche. Ich hatte das Ziel, dass ich möglichst in der nächsten Zeit nicht mehr hierher kommen musste. Chris war geschockt und ließ mich zu meiner Verwunderung einfach machen. Er wagte es zum Glück nicht noch einmal mich aufhalten zu wollen. Ich glaube er hatte mittlerweile verstanden, dass ich von seiner Affäre wusste. Während ich hektisch alles zusammen packte, herrschte eine eisige und unheimliche Still in der Wohnung. Ich zog schnell  meine  Jacke an und nahm meine Tasche, als Chris mit unsicherer Stimme fragte,"Woher,  woher weißt du? " So kannte ich ihn gar nicht. Seine über mich bestimmende Art war wie weggeblasen. "Naja es war nicht zu übersehen und vor allem nicht zu überhören!" "Du ..." "Ja ich war in der Wohnung!" "Hast du? " "Ja wenn du es genau wissen willst hab ich euch gehört und auch gesehen! Aber ihr wart so beschäftigt, dass ihr mich nicht mal bemerkt habt!  Aber ist ja auch klar, dass du bei deiner Geliebten mit ihren großen Brüsten viel geiler wirst, als bei jemandem wie mir, den du schon lange als Hausfrau und Seelenmülleimer abgestempelt hast." Ich merkte wie fertig er war, aber gleichzeitig wunderte ich mich über mich selbst. Ich wusste gar nicht, dass ich so schlagfertig und direkt sein konnte. Ich zog die Tür energisch hinter mir zu. Dann stieg ich zurück in mein Auto. Es war schon irgendwo ein befreiendes Gefühl Chris mal so richtig meine Meinung gesagt zu haben!  Ich fuhr jetzt mit einem guten Gefühl zu meinem Hotel. Ich fing an mich etwas in meinem Zimmer einzurichten, denn ich denke nicht, dass ich so schnell eine geeignete Wohnung finden werde. Trotzdem suchte ich im Internet und in etlichen Zeitungen nach einer Wohnung, die mir gefiel. Es fiel mir jedoch schwer mich auf die ganzen Wohnungen zu konzentrieren, ich schwif immer wieder ab.  Meine Gedanken hingen förmlich an dieser einen Sache, an diesem einen Menschen. Ich verspürte in mir dir das tiefe Bedürfnis und eine Sehnsucht die immer größer wurde. Mein Herz versuchte meinen Körper davon überzeugen , dass ich doch ganz einfach zu ihm hin fahren könnte. Er war ja nicht mal ausgerastet oder schockiert, dass ich da saß und seine Hand hielt. Das war ein echt schönes Gefühl, nachdem ich mich so sehr sehnte. Aber das geht nicht! Das wäre total absurd, außerdem ist das mein neuer Kollege. Wir müssen noch eine Ewigkeit miteinander arbeiten. Da war es mir ja schon peinlich, dass ich überhaupt so häufig bei ihm im Krankenhaus war. Mein Kopf beendete schließlich diese Diskussion und ich begab mich daran noch etwas Unterricht vorzubereiten. Ich guckte auf die Uhr und es war wirklich schon spät. Da ich allerdings noch nicht wirklich müde war,  setzte ich mich noch aufs Sofa und schaltete den Fernseher ein. Ich genoss es einfach mal komplett ohne Probleme hier zu sitzen. Das Problem Chris war für mich weitestgehend abgehakt. Es tat mir zwar immer noch weh, wenn ich darüber nachdachte, wie Chris mich benutzt hatte, aber die Freunde darüber, dass damit jetzt endlich Schluss war, war eindeutig größer. In der Schule lief bisher alles super.  Ich war zwar noch nicht lange dort, aber der Direktor honorierte meine Arbeit, ich hatte nette Kollegen und irgendwie war die Arbeit echt befreiend.  Eine Aufgabe zu haben und das Gefühl etwas bewirken zu können. Aber dann war da noch dieser Mann. Allerdings wenn ich ehrlich war,  dann war er kein Problem. Ich werde einfach nicht mehr ab ihn denken und ihn vergessen. Das hat bisher doch auch immer gut geklappt.
In den nächsten Tagen verlief alles nach Plan. Ich war sehr glücklich darüber, dass mein Neustart nach den kleinen Anfangsschwierigkeiten so gut geklappt hatte. Es tat mir richtig gut, mein Leben war wieder so wie ich es mochte: Alles verlief geordnet und geregelt, im Gegensatz zu vorher. Ich hatte in den letzen Tagen schon mit einigen Maklern telefoniert und auch in der nächsten Woche einige Besichtigungstermine für verschiedene Wohnungen. Von einer gefielen mir die Bilder im Internet wirklich gut. Sie war recht groß, hatte eine für mich optimale Zimmeraufteilung, sie lag relativ dicht an meinem Arbeitsplatz, sodass ich keinen langen Weg zur Schule hatte. Außerdem lag sie nicht direkt in der Stadt, aber der Weg ins Zentrum von Köln war trotzdem nicht so lang. Die Wohngegend gefiel mir wirklich und für Ihre tolle Lage und die Größe war der Mietpreis nicht mal teuer. Ich war irgendwie richtig aufgeregt und freute mich die Wohnung anzuschauen. Ich fragte mich schon, ob sie mir in Wirklichkeit genau so gut gefällt  wie auf den Bildern. Aber dazwischen lag noch ein ganzes Wochenende.
Scheiße das Wochenende! Ich hatte für Chris und mich zwei Konzertkarten als Überraschung gekauft. Da es morgen schon Samstag war beschloss ich Barbara anzurufen,  um ihr und  Karl die Karten anzubieten. Sie war zuerst sehr überrascht, freute sich dann aber riesig. Und womit ich wirklich nicht gerechnet hatte: sie fragte mich,  ob ich nicht Lust hätte, mit ihr auf  das Konzert zu gehen. "Das ist die Chance auf einen Mädelsabend Blondie! Dann können wir uns auch endlich mal besser Kennenlernen." Ich musste ihr da wirklich recht geben und wenn ich ehrlich war, hatte ich echt Lust einen Abend mit Barbara auf einem tollen Konzert zu verbringen. Ich fand sie von Anfang an echt sympathisch und so stimmte ich zu.

Und plötzlich kam doch alles anders ...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt