EINUNDVIERZIGSTER AUGENBLICK

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Ich erwache von einem leisen Klopfen. Unruhig sehe ich mich in dem dunklen Zimmer um, bis ich das Geräusch endlich in der Stille ausmachen kann.
Es kommt von meinem Fenster. Genauer gesagt, von kleinen Steinchen, die an der Scheibe abprallen.

Eilig schlage ich die Bettdecke zurück und laufe auf nackten Sohlen zum Fenster, um es so leise wie möglich zu öffnen.

"Du?!" entfährt es mir, als ich die Person vor meinem Haus erkenne.
Es ist eine ganze Woche vergangen, seitdem ich Grace im Bus so angemotzt habe. Seit letztem Donnerstag habe ich sie nicht gesehen, weder in der Schule, noch auf der Straße, oder in dem kleinen Tearoom.

Und nun steht sie einfach so hier vor meinem Haus und wirft Steinchen an mein Fenster.

Sie bedeutet mir mit einer ausschweifenden Geste, zu ihr zu kommen.
Und ich weiß nicht wieso, doch plötzlich packt es mich, obwohl ich ja eigentlich sauer sein sollte.
Ich trete vom Fenster zurück, ziehe mir einen Wintermantel und Stiefel an, die so gar nicht mit meiner Pyjamahose harmonieren wollen, und kletterte umständlich aus dem Fenster.
So leise wie möglich schleiche ich mich vor, bis zum Rand des Schrägdaches und lande schließlich mit einem gewagten Sprung vor Grace auf dem Boden.

Sie grinst mich an, greift ohne weitere Erklärungen nach meiner Hand und rennt einfach los, die Straße entlang und in den Wald hinein.
Und ich folge ihr.
Weil ich ihr vertraue.
Weil ich ihr verdammt nochmal überall hin folgen würde.

Wenn wir sterben - oder wie man das Leben spieltOnde histórias criam vida. Descubra agora