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Suizid. Ein grosses, kräftiges Wort drängte sich wieder und wieder in meinen Kopf, immer wenn ich ihn ansah. Seine Hand strich kurz über seine Stirn und dann durch seine leicht verschwitzten Haare. Suizid. Menschen begannen Suizid, weil sie genug vom Schmerz hatten, alles hoffnungslose Fälle, von Feigheit ergriffen, sahen sie keinen anderen Ausweg mehr. Er hingegen sah nicht aus, wie jemand, der einen Suizid plante. Er hatte weder den hoffnungslosen Blick, noch die Müdigkeit in seinen Augen.

Langsam machte ich einpaar Schritte rückwärts, während die drei noch darüber diskutierten, was ein Dämon mit Mundieblut wollte.

Beim Vorhang angekommen, sah ich ein weiteres Mal zurück, ein leichtes, vorsichtiges Lächeln legte sich auf meine Lippen, als ich die drei musterte. Ich hätte leise verschwinden können, niemand hätte mich gehört. Leise und ungesehen zu sein, war mein Alltag, doch heute wollte ich es nicht. Ich wollte, dass er mich sah, dass er mich mit seinen blauem Augen musterte und mich schliesslich in sein Leben liess, damit ich alles mitverfolgen konnte. Das Interesse, dass ich für den Schwarzhaarigen mittlerweile aufbrachte, war die grösste Gefühlsregung, die ich seit Jahrhunderten verspürt hatte und genau deshalb konnte ich mir diese Chance nicht entgehen lassen. Ich konnte nicht.

"Ophelia.", flüsterte ich leise. Eine kleine Welle meiner Macht liess das dünngehauchte Wort in ihre Richtung treiben, liess eine Gänsehaut auf ihren Körpern ausbreiten und liess sie sich zu mir umdrehen. Ich blieb still stehen, selbst dann, als er seinen Bogen zog und einen Pfeil in die Sehne spannte. "Was bist du?", blaffte er angespannt und sah abwechselnd zum Blondhaarigen und dann wieder zum Mädchen. Shadowhunter... sie fragten nie danach wer man sei, immer bloss was man sei. Ich antwortete nicht, lief jedoch näher vor sie. Kommunikation war noch nie eine Stärke von mir gewesen, ich wusste ganz einfach nicht, wie es ging. Schicksalsgöttinnen machten sich keine Freunde, wieso sollten sie auch, sie würden nie wahre, freundschaftliche Gefühle für jemanden empfinden, sie wussten, wann diese Person sterben würde und sie konnten nichts dagegen tun. Auf so ein Wissen konnte keine Freundschaft existieren. Die Wahrheit war, wir wurden als Götter bezeichnet, waren in Realität jedoch nicht mehr als Schatten auf dieser Welt. Dazu verdammt herum zu wandeln, nie wirklich zu leben, nie wirklich gesehen oder gehört zu werden.

"Was bist du?!", knurrte er wieder. Seine Stimme war tiefer und kehliger, als ich sie mir vorgestellt hatte. Als ich noch immer nicht antwortete, schnellte er auf mich zu. Dort wo sein Bogen zuvor noch in seiner Hand lag, war nun ein Dolch und diesen hielt er mir ohne zu zögern an den Hals. "Was bist du?"

Alec pov.
Grosse, blaue Augen starrten mich von unten her an. Nicht ängstlich, nicht provozierend, nicht herausfordernd, nicht boshaft, einfach nur neugierig und leicht überrumpelt. Leicht ratlos sah ich zu Jace. Was sollte ich tun? Sie töten? Sie loslassen? "Lass sie los, Alec... sie ist kein Dämon.", murmelte Izzy schliesslich. "Was dann? Was ist sie? ... Was bist du?", flüsterte ich leicht drohend. Sie schwieg, schluckte kurz und sah mich dann weiterhin gleich an. Das misstrauische Gefühl liess leicht nach, hauptsächlich, weil sie mich mit ihrem Blick an ein hilfloses Kind erinnerte, dass zum ersten Mal etwas gesehen hatte, dass es nicht sehen sollte.

"Kannst du sprechen?", sprach ich schliesslich leicht freundlicher. Ein knappes Kopfnicken ihrerseits, keine weitere Reaktion. Verwirrt liess ich sie los und ging einen Schritt von ihr zurück. Sie verwirrte mich und das jagte mir eine scheiss Angst ein. Schliesslich griff ich nach ihrem Kopf und hob ihn leicht an, sodass ihr ihre Haare von den Schultern fielen und ich freie Sicht auf ihren Hals hatte. Sie wehrte sich kein bisschen, blieb einfach stehen und tat das, was ich von ihr wollte.
Keine Verbrennung. Wäre sie ein Dämon oder ein Schattenwesen hätte sie eine Verbrennung, mein Dolch war überzogen mit Runen, die ihre Haut verätzt hätten, sie war ein Mundie... sie musste eine sein. "Eine Mundie.", murmelte ich den anderen zu und ging zu ihnen zurück. "Hat sie etwas gesehen von vorhin?" Ich musterte sie kurz, bevor ich antwortete. "Nein." "Wieso bist du dir da so sicher?" "Hätte sie etwas gesehen, wäre sie jetzt nicht so still... sie hätte Angst, wäre weggerammt vor uns, doch das hat sie nicht getan. Sie hat nichts gesehen.", murmelte ich. Eine Mundie, die uns dabei beobachtete, wie wir einen Dämonen töteten war wirklich das Letzte, das wir noch gebrauchen konnten. Jace zog mich zur Seite, damit uns die Mundie nicht weiter belauschen konnte. "Und was sollen wir jetzt tun?" "Sie hier lassen?", gab ich von mir, es war das Einfachste und das, was mir als erstes einfiel. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und sein Blick fiel zu ihr, ebenso meiner. Ihre Augen fokussierten uns noch immer intensiv und aus unempfindlichen Gründen begann ich daran zu zweifeln, dass sie uns wirklich nicht hören konnte. "Du willst sie wirklich unter all den Dämonen und Schattenwesen lassen?" Ich sah, wie sie sich auf ein Möbelstück setzte. Sie wippte mit ihren Füssen und stiess mit ihnen mehrere Male an das Holz des Möbelstückes, was ein hohles Geräusch erzeugte. Sie benahm sich, als wäre ihr langweilig... Was auch immer mit ihr los war, es war nicht normal. Keine Mundie blieb so ruhig. Vielleicht hatte sie den Dämonen nicht gesehen, doch spätestens, als ich sie mit einem Messer bedroht hatte, hätte sie wegrennen oder heulen müssen, es wäre eine typische Mundiereaktion gewesen. Alles was sie jetzt tat, liess bei mir ein ungutes Gefühl aufkommen. Als würden wir uns mitten in einem Horrorfilmszenario befinden. Und zwar an der Stelle, an der alles zur Katastrophe wurde. Kurz bevor sich die wunderschöne Porzellanpuppe in ein mordendes Monster verwandelte und alles abschlachtete. Genau dieses Gefühl rief sie bei mir auf.

Ophelia (Alec Lightwood)Where stories live. Discover now