Zwei: Das Rudel

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Den ganzen Vormittag lang hörten meine Kopfschmerzen einfach nicht auf und wurden von Unterrichtsstunde zu Unterrichtsstunde immer schlimmer. Zum allen Übel konnte ich nicht aufhören, darüber nachzudenken, was heute nach Physik passiert war.

Ich fing an, daran zu zweifeln, was Tara zu mir gesagt hatte. Sie fand mich ja ,,ganz nett'' und dachte sich, sie ,,könnte mich ja auch mal zu ihrer Party einladen''. Wieso? Diese Entscheidung konnte nicht vom heiteren Himmel gekommen sein. Es musste einen bestimmten Grund geben, wieso sie mich auf einmal so behandelte. Ich musste einfach nur aufmerksam bleiben. Gleichzeitig aber nicht die Chance verpassen, zu den Beliebten gehören zu können.

Wie man sich vielleicht schon denken konnte, hatte ich nicht viele Freunde. Eine Hand voll Schulkollegen, mit denen ich mich über den Unterrichtsstoff austauschen konnte und mehr nicht. Eine der Schulkameraden von mir war Amelie, mit der ich Kunst und Chemie hatte. Wir führten immer zusammen Experimente durch und außerdem konnte man sich mit ihr über alles mögliche unterhalten. Sie war eine der Personen, der immer irgendein Gesprächsstoff einfiel, um keine peinliche Stille zu verursachen.

Sie war so wie viele andere sehr selbstbewusst, gleichzeitig ehrlich und absolut ehrgeizig. Das Mädchen mit kastanienbraunen Haaren hatte einen Charakter, wie keiner sonst. Auch ihr Kleidungsstil war nicht gerade gewöhnlich. Zu ihrer Alltagskleidung zählten ausgefallene, figurbetonte Spitzen-Oberteile und weite Mom-Jeans. Auch wenn sie sich nicht schminkte, sah sie immer sehr frisch aus. Kaum ein anderer zog sich so an wie sie, aber ehrlich gesagt, würde es keinem anderem so gut stehen.

Der ein oder andere würde sich nun fragen, wieso wir keine engen Freundinnen waren. Der Grund lag zunächst bei ihr, da sie einen Freund hatte und zudem schon eine ewig lange Freundschaft mit Sophie führte, einem Mädchen, das nicht weiter relevant war. Zudem hatte sie Hobbies wie Theater und war zugleich ein Mitglied der Schulzeitung. Das alles zeigte schon deutlich, dass sie kaum noch Zeit für einen Sonderfall, wie mich, hatte. Von meiner Seite aus war meine Schüchternheit schuld, die mich jedes Mal aufs Neue in den Wahnsinn trieb.

Am Ende der sechsten Stunde, konnte mein Kopf nichts anderes, als Fragen zu diesem verdammten Treffen am Parkplatz zu stellen. Als es dann klingelte, lief ich eher unsicher zur Tür hinaus und etwas befangen den vollen Schulflur entlang. Meine Schritte wurden immer langsamer, als ich mich allmählich dem Hintereingang näherte, wo sich direkt gegenüber der Parkplatz befand.

Ich blieb an der Glastür stehen und schaute hinaus. Der Himmel war bewölkt und es war keine Chance an jenem Tag für nur einen Moment die Sonne zu erblicken. Gleichzeitig war es etwas windig, was ich an den schaukelnden Bäumen erkennen konnte.

Nachdem ich tief durchgeatmet hatte, öffnete ich die schwere Glastür und trat hinaus. Kurz über einen schmalen Fahrradweg, durch eine Lücke zwischen den Büschen und schon befand ich mich an dem besagten nicht gerade kleinen Parkplatz. Fast jeder Schüler über 18 Jahren besaß ein Auto, wobei ich mich da noch nicht dazuzählen konnte. Doch so wie es schien gehörte Tara Wilet ein kleiner, roter VW mit zwei Türen. Das erkannte ich an ihrem Nummernschild TW 1508 und daran, dass sie sich sorglos und bequem an dem Wagen anlehnte. Als sie mich auch sah, winkte sie mich zu sich heran. Neben ihr erkannte ich Mara und noch einen Jungen, der ebenfalls mit seiner Schulter am Auto angelehnt war.

Er war um eine Hand größer als Mara und trug eine schwarze Lederjacke. Als ich näher herantrat, erkannte ich, dass er einen Motorradhelm in der Hand hielt. Der Junge war sichtlich teuer angezogen und seine hohen Wangenknochen gaben ihm gewisse Modelqualitäten.

,,Da bist du ja!'', rief Tara und kam einen Schritt auf mich zu, um sich neben mich zu stellen. ,,Sammy das ist Josy, von der ich dir eben erzählt habe'', erklärte sie dem Riesen, der kurz darauf mir lächelnd zunickte. Interessiert schien er nicht zu sein, denn sein Blick fiel kurz darauf wieder zu Mara. Sie schienen zu telepatieren und sich womöglich darüber auszutauschen, wie lächerlich es war, dass Tara mich hierher und zu ihrer Party eingeladen hatte.

Eine Nuance echterWhere stories live. Discover now