15 - Rob und Jenny Peters

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Ich atmete tief durch als es anfing zu regnen. Mein Taxi war nirgendwo zu sehen und ich sah hoch in den Himmel. Ich war mir der Ironie dahinter durchaus bewusst. Den ganzen Tag war es schön sonnig und mild gewesen. 
Der Regen wurde schnell stärker und ich war innerhalb weniger Minuten durchnässt. Und so saß ich hier auf dem Bordstein, Passanten hasteten an mir vorbei. Ich starrte auf den Asphalt direkt vor mir auf welchem sich bereits eine kleine Pfütze bildete. Wasser tropfte von den durchnässten Strähnen auf meiner Stirn und ich fing leicht an zu zittern, denn so langsam wurde es kalt. 
Ich bewegte mich nicht, keine Zentimeter. Meine Unterlippe zitterte und der Regen vermischte sich mit den Tränen, nicht einmal ich konnte mehr ausmachen ob ich noch weinte oder nicht. Mein Herz tat so weh und ich schluchzte leise auf, verschränkte meine Hände miteinander und wartete geduldig auf mein Taxi. 
Hatte ich es überhaupt gerufen? 
Ich bemerkte die Menschen die an mir vorbei liefen kaum. Ich sah niemanden an, hörte nicht die Worte die sie sprachen. Erst als mich jemand an der Schulter berührte bemerkte ich meine Umwelt wieder. Ich zuckte zusammen und sah hoch zu der Person. 

"Niall?" hauchte ich kaum hörbar und er nickte, lugte unter seine schwarzen Kapuze hervor und hatte seine Hand noch immer auf meiner Schulter liegen. In der anderen Hand hatte er einen Regenschirm den er jetzt über meinem Kopf hielt damit ich nicht noch nässer wurde. "Komm mit, Lou." sagte er sanft. Ich sah ihn an. Sein Blick war besorgt, natürlich. Mitleidig. 
Ich hasste mitleidig. 
Langsam schüttelte ich den Kopf und senkte den Blick wieder. 
"Louis, bitte. Du kannst hier nicht bleiben, du holst dir den Tod. Leg dich bei mir auf die Couch, schlaf eine Runde oder wir reden darüber wenn du willst." bat er mich und ich schüttelte wieder den Kopf. "Du glaubst mir doch sowieso nicht." sagte ich ganz leise, ich war enttäuscht und ich wollte einfach nicht zu ihm. War das so schwer zu verstehen? 

Er seufzte leise, widersprach mir jedoch nicht. Er glaubte mir nicht. 
"Lass mich dich wenigstens irgendwo hin fahren." bat er wieder und ich schüttelte den Kopf. "Ich hab ein Taxi bestellt." antwortete ich.
"Wann genau?"
"Als ich hier herunter gekommen bin." gab ich zurück, starrte auf die immer größer werdende Pfütze vor mir auf dem Gehweg. 

"Lou, das war vor einer Stunde. Deshalb bin ich hier. Harry hat mir geschrieben." 
Mein Blick schoss zu ihm. "H-Harry?" hauchte ich leise und sah ihn hoffnungsvoll an. Niall's Blick wurde wieder mitleidig. "Er hat dich gesehen als er auf dem Weg in sein Büro war und mich dann angerufen."
Ich schluckte und blinzelte kurz, sah dann wieder auf den Boden. Er war einfach an mir vorbei gelaufen. Hatte sich nicht mehr verantwortlich gefühlt. Das prasselnde Geräusch des Regens auf Niall's Regenschirm wurde immer lauter und ich legte die Hand auf mein Herz und kniff die Augen zusammen. 
Niall löste den Griff auf meiner Schulter nur um unter meinen Arm zu greifen. Er wollte mich hochziehen. "Komm schon, ich helfe dir auch laufen." sagte er sanft, doch ich schüttelte ihn ab. "Hau ab!" rief ich und sah ihn verletzt an. Ich brauchte ihn nicht. Er glaubte mir sowieso nicht. Sollte er doch zu Harry kriechen und mich allein lassen. Ich brauchte niemanden. 
"Lou, jetzt sei doch vernünftig, ich..." setzte er an, doch ich unterbrach ihn indem ich aufstand und ihn von mir schubste. Sofort spürte ich wieder den Regen auf meinem Kopf und das furchtbare Geräusch war auch endlich weg. Niall sah mich einen Moment erschrocken an, ehe er nickte. "Verstanden." 

Ich seufzte und wischte mir über das Gesicht, meine Augen brannten wie Feuer von den Tränen, doch ich konnte ja sowieso nichts dagegen tun. Ich nahm meinen Koffer und lief los in irgendeine Richtung. Ich würde schon ein Hotel finden. Das letzte was ich wollte war, dass Niall wusste wo ich unterkam. Er sollte nicht einmal auf die Idee kommen können zu mir kommen zu wollen. "Louis!" hörte ich ihn rufen, doch ich ignorierte ihn.
Ich überlegte fieberhaft was mit dem Taxi passiert sein konnte. Ich war mir so sicher dass ich es bestellt hatte. Vielleicht hatte ich nur nicht bemerkt dass es vor mir gehalten hatte. Das war jedenfalls eine wahrscheinliche Erklärung dafür. 

Ich lief bestimmt noch einmal eine gute halbe Stunde durch den Regen ehe ich ein Hotel fand und in den Eingangsbereich hinein ging. Ich sah aus dem Augenwinkel eine junge Frau auf mich zukommen. "Meine Güte, Sie sind ja ganz durchnässt!" rief sie und reichte mir ein Handtuch. Ich nahm es dankend und rieb mir damit über mein Gesicht, sah mich danach um. Das hier sah teuer aus. Das war gar nicht gut. 
"Was k-kostet ein Zimmer?" sagte ich leise, sah sie fragend an. Die junge Frau war blond, trug ihre Haare halblang und hatte einen Pony unter dem ihre Augen blau und leuchtend hervor lugten. Auf ihrem Namensschild stand Jenny. Jenny Peters. 
"180 Pfund die Nacht, Sir." sagte sie und lächelte mich an. Ich riss die Augen auf. "Oh..." sagte ich leise und sah zur Drehtür hinter der die Straße immer mehr in Regen versank. 
Ich seufzte und gab ihr das Handtuch wieder. "Vielen Dank." murmelte ich und drehte mich um. "Sir? Zwei Häuser weiter ist ein Hostel." sprach sie und ich sah zu ihr. Jenny lächelte mich freundlich an und ich nickte ihr zu. "Danke." 
"Nichts zu danken. Warten Sie kurz." Ich beobachtete sie, wie sie hinter den Empfangstresen eilte und genauso schnell wieder zu mir kam. In der Hand hatte sie einen Regenschirm. 
Ich schüttelte den Kopf. "Das ist sehr nett, aber ich brauche das nicht. Danke für die Auskunft." Ich nickte ihr noch einmal zu und lief dann aus dem Hotel heraus, erschrak für eine Sekunde über die Heftigkeit mit welcher der Regen direkt auf mich prasselte. Wieder legte ich die Hand auf mein Herz und versuchte durch zu atmen. Ich lief zu dem Hostel und trat ein, sah zum Tresen. Hier bewegte sich keiner, der tätowierte, schwarzhaarige junge Mann sah mich nur an. 
"Brauchst'n Bett?" fragte er und ich nickte. 
Er stand auf und sah im Computer nach. "Hab noch'n Bett im Fünferzimmer frei. Passt?" Er sah wieder zu mir und musterte mich. "Heiße Dusche is' inklusive.." bemerkte er und ich lächelte schwach. "Passt." sagte ich leise. 
Der junge Mann nickte, spielte mit seinen Zähnen an seinem Lippenpiercing herum und ich beobachtete ihn dabei. Ich mochte das Piercing. Es sah gut aus. Er hatte kein Namensschild. Nicht so wie Jenny Peters. "Wie lange bleibste?" fragte er mich wieder und ich senkte den Blick. "Wie lange kann ich?" sagte ich mit rauer Stimme. 

Ich hörte ihn lachen während er auf dem Computer vor sich herum tippte. "So lange du willst. 25 pro Nacht. Kann dich erstmal einchecken und dann sehen wir ja wie lange du willst." erklärte er mir und ich nickte. "Danke."
"Kein Ding. Der Name is Rob. Wenn du was brauchst, ich bin dein Mann." sagte er lässig,während er mir eine Schlüsselkarte überreichte und sich wieder hin setzte. "Zimmer 28." 
Ich sah zu ihm und nickte ihm zu, nahm meinen Koffer und lief in Richtung Treppe. 

Als ich das Zimmer betrat und mich umsah bereute ich meine Entscheidung. Vier Betten waren belegt, junge Männer saßen darauf und unterhielten sich lautstark, tranken Bier. Es war erst später Nachmittag und sie waren bereits betrunken. Sie sprachen irgendeine andere Sprache, ich konnte nicht einordnen welche. Touristen. 

Sie musterten mich und redeten dann auf ihrer Sprache weiter, lachten. Ich schob den Koffer unter mein Bett und setzte mich darauf schlang die Arme um meinen Oberkörper und sah mich um. Zwei Kleiderschränke standen in der Ecke, die zwei Doppelstockbetten daneben und mein kleines Bett auf der anderen Seite. Die Wände waren kalkweiß und einfach und vor dem Fenster war kein Vorhang. Es war sehr spärlich. Aber es war ja eigentlich auch nur für junge Touristen gedacht die das Zimmer nur zum Schlafen hatten. So hoffte ich jedenfalls .
Wortlos ging ich zu dem kleinen Bad und spähte hinein. Es war ganz in Ordnung. Ich nahm mir einen Hoodie aus meinem Koffer und frische Unterwäsche, sowie eine Jogginghose. Eine heiße Dusche würde mir mit Sicherheit helfen. Ein Handtuch hatte ich nicht, doch einer der Jungen gab mir ein Handtuch aus dem Regal. 
"Die sind nicht besonders weich. Aber das wird's schon tun." sprach er in fürchterlich gebrochenem, osteuropäischen Akzent und ich nickte ihm zu und verschwand im Bad. Ich machte mir nicht einmal die Mühe in den Spiegel zu sehen. Ich wollte mich nicht sehen, denn jeder Blick der mir zugeworfen wurde war mitleidig. Ich wusste also dass ich scheiße aussah. Das einzige was ich wollte war duschen und dann mein Bett. 

***

Die Dusche hatte wirklich gut getan. Ich fror nicht mehr und mir war warm als ich mir die Kapuze über den Kopf zog und aus dem Bad heraus trat. Die jungen Männer waren verschwunden. Vermutlich neuen Alkohol holen. Ich hoffte sie würden nicht so einen Krach machen. Seufzend legte ich mich in mein Bett und legte die Hand auf mein Herz, deckte mich zu und schloss die Augen. Alles was ich vor mir sehen konnte war Harry und neue Tränen bildeten sich. Ich schluchzte leise und kniff die Augen zusammen, krallte meine Hand in den Hoodie und hatte mich noch nie so einsam gefühlt. Ich bekam nur am Rande mit wie die jungen Männer zurück kamen. Ich hörte sie leise reden, war mir fast sicher sie redeten über mich. Ich hielt mich nicht zurück. Es war mir herzlich egal was diese Touristen über mich dachten. Und irgendwie, auch wenn ich nicht wusste wie ich es gemanagt hatte, weinte ich mich nach einer gefühlten Ewigkeit in den Schlaf.  

Fuck Me, Love Me ∆ L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt