XIX

96 9 2
                                    


Scheiße. Schon wieder. Während ich vor dem Café auf Rowan wartete, machte ich mir Gedanken zu Shawn. Es war jetzt das zweite Mal, dass ich ihn sitzen gelassen habe. Ich hatte elendige Schuldgefühlen deswegen und hätte ihm so gerne alles erklärt. Aber das konnte ich nicht ohne Liam möglicherweise zu gefährden. Durch den ganzen Schlamassel mit HECTA und Rowan und dem Verschwinden von Liam, hatte ich mich immer mehr zurückgezogen und von meinen Freunden entfernt. Wie lange habe ich nicht mehr mit Alice geredet, wann war ich das letzte Mal mit Maddie und Clary ein Eis essen? Ich kann mich wirklich nicht daran erinnern. Ich hatte Liam jetzt schon mehr als eine Woche nicht gesehen und fragte mich, ob sich Fiona nicht auch Sorgen macht. Ja ok, meine Schule, also HECTA, hatte ihr gesagt, dass er auf irgendeinem Ausflug war, aber wenn ich seine Mutter wäre, würde ich doch trotzdem versuchen mit ihm Kontakt aufzunehmen. Je länger ich darüber nachdachte, umso verwirrender wurde alles. 

Plötzlich hupte es laut vor mir und ich wurde unsanft aus meinen trüben Gedanken geholt. Ein roter Jaguar F-Type parkte vor mir und Rowan öffnete die Beifahrertür und lehnte sich lächelnd zu mir raus. Ich stieg ein und starrte auf die Frontscheibe und das moderene Cockpit vor mir und merkte, dass diese unglaublich sauber war. Nicht ein einziger Fleck oder Staub war zu sehen. So ganz anders als bei meinem Vater oder Alec. Wahrscheinlich war Rowan eine von diesen Leuten, denen ihr Auto wichtiger waren als alles andere. Dann fiel mir ein, warum ich überhaupt hier war: „Was weißt du über Liam?" 

„Äh...ja...genau deswegen habe ich dich angerufen. Es gibt ein klitzekleines Problem." 

„Was? Du hast gesagt dein Team wird sich darum kümmern. Was für ein Problem?" 

„Wir haben ihn nicht mehr." 

Dieser Satz schockierte mich so sehr, dass mir der Atem kurz wegblieb. 

„Was heißt ihr habt ihn nicht mehr? Wo ist er?" 

„Bree, sie haben ihn. HECTA hat Liam!" 

„Weißt du was! Mir reicht es! Langsam glaube ich nämlich ich werde von allen Seiten verarscht. Sobald wir Liam nah sind, verschwindet er wieder und du willst mir verklickern, dass HECTA die Bösen sind!" 

„Bree hör mir bitte zu. Ich weiß, dass es für dich verwirrend sein muss aber wir versuchen wirklich alles, um Liam zu finden. Wir haben bereits ein weiteres Spezial-Team darauf angesetzt. Er kommt wieder zurück, versprochen!" 

„Das hast du das letzte Mal auch gesagt und wo ist er? Nicht hier. Sobald ich Liam wieder habe, bin ich raus. Ich kündige oder was auch immer ich dann halt machen kann." 

„Ich verstehe das." 

Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet. Ich guckte sie zum ersten Mal an, seit ich eingestiegen war und merkte wie müde sie aussah. Unter ihren Augen hob sich eine dunkle Färbung von ihrer sonst so perfekten Haut ab. Diese sah rau und faltig aus, als hätte sie Tage nicht geschlafen. Ihre Haare hatte sie zu einem lockeren Zopf gebunden, aus dem einzelne Strähnchen hingen. 

„Was ist denn mit dir passiert? Du siehst schrecklich aus.", sprach ich sie jetzt direkt an. 

„Danke für das Kompliment .", sagte sie sarkastisch,„Habe lange nicht geschlafen." 

„So siehst du auch aus. Wie lange hast du nicht mehr geschlafen?" 

„Vielleicht vierzig Stunden? Keine Ahnung." 

Ich starrte sie ungläubig an: „Anscheinend bin ich nicht die einzige, die gestresst ist." 

Ich wartete auf eine Antwort, aber Rowan schien nicht so, als wollte sie noch etwas sagen, also drehte ich mich wieder zum Fenster und schwieg auch. Wir waren mittlerweile aus der Stadt raus und fuhren über eine Brücke. 

"Willkommen in Kentucky" stand auf einem Schild am Straßenrand. Wir fuhren noch eine Weile weiter bis wir in einen Ort kamen, der Coalton hieß. Ab hier fuhren wir nur noch auf Feldwegen, immer tiefer in einen Wald, der nachdem es dunkel war, bedrohlich und unheimlich schien. Wir kamen an eine Lichtung und ein Zaun mit einem Tor war in der Ferne zu erkennen. Erst sah es wie ein ganz normales Tor aus, dann aber bemerkte ich ein Flackern und als Rowan keine Anstalten machte zu bremsen , wurde mir klar, das wir gerade ein Hologramm durchfuhren. 

Auf der anderen Seite war es taghell, ich musste die Augen zusammen kneifen. Als sich meine Augen an das Licht gewöhnt hatten, konnte ich mich genauer umsehen und meine Kinnlade klappte runter. Wir befanden uns auf einer Straße die auf riesige Mauern zulief. Dort angekommen, sprach Rowan kurz mit dem Securitymann und eine schwere Metalltür öffnete sich und gab den Blick auf ein riesiges weißes Gebäude frei. Wir parkten direkt davor und Rowan bat mich auszusteigen. Das tat ich und wir gingen auf die Flügeltür des Gebäudes zu. Rowan zog eine Karte durch einen Schlitz, es piepte und die Tür öffnete sich. 

„Willkommen bei Projekt Life.", sagte Rowan. Im Gebäude wuselten die Leute durch Gänge, fuhren auf Skateboards oder guckten auf ihre Tablets . Ein freundlich aussehender Mann mit Brille kam auf uns zu. Er sah nicht viel älter aus als ich. Vielleicht Anfang zwanzig, er trug einen maßgeschneiderten blauen Anzug und lächelte uns freundlich an: „Schön das sie wieder da sind, Rowan. Wen haben sie uns den da mitgebracht, wenn ich fragen darf?" 

„Bree Sheppard. Sie ist die Schwester von Liam und unter meiner Aufsicht hier.", antwortete Rowan. Ich streckte meine Hand aus, aber er schien nicht daran interessiert zu sein, diese zu schütteln. Ohne etwas zu sagen drehte er sich um und ging. Rowan folgte ihm, also tat ich das auch. Wir kamen in einen leeren Raum in dem nur zwei Sofas und ein Tisch standen. Wir setzten uns und er bot uns etwas zu trinken an.

 „Bei Projekt Life geht es uns darum so viele Menschen wie möglich vor Unheil und Krankheit zu retten und damit diese Welt zu einem besseren Planeten zu machen. Auch du kannst uns dabei helfen. Dein Vater hat ein Heilmittel gegen Krebs erfunden und er muss uns dieses unbedingt aushändigen um der Menschheit weltweit zu helfen.", erklärte er mir. 

„Mein Vater ......mein Vater hat was? Das ist doch nicht ihr ernst?! Wenn er wirklich so ein Mittel erfunden hätte, würde er das doch sofort der Welt zur Verfügung stellen. Ich weiß, er arbeitet in der Forschung, aber er hat noch nie etwas Richtiges gefunden, vor allem kein Heilmittel! Das hätte er mir doch erzählt." 

„Es gibt vieles was ihr Vater ihnen nicht erzählt hat." 

Ein Handy klingelte und Rowan stand auf: „Ich lasse dich später abholen. Jake, bring sie bitte auf ihr Zimmer." 

Sie verließ den Raum und ließ mich verdutzt zurück. Jake rückte seine Brille kurz zurecht und ging auch aus dem Zimmer. Ich folgte ihm so gut ich konnte, was im Menschengetümmel in der Vorhalle gar nicht so einfach war. Nach ein paar Minuten standen wir vor einer Tür. Jake öffnete sie und ließ mich hinein. Es war kein besonders großer Raum, aber sehr schön eingerichtet. An den Wänden hingen Bilder von Wölfen und anderen wilden Tieren. Ich hatte den Eindruck, sie beobachteten mich und warteten nur darauf, dass ich etwas falsch machte. Da es nichts zum hinsetzten gab, blieb ich einfach mitten im Raum stehen. Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und schrieb meinem Vater, dass ich heute bei Clary übernachten würde. Ich hasste es ihn anzulügen aber ich konnte ihm auch nicht erzählen, dass ich mal kurz in einem anderen Bundesstaat war und bei einer Geheimorganisation neues über sein Leben erfahren habe. Es klopfte an der Tür , ich verstaute mein Handy und öffnete die Tür. 

„Hallo Bree! Mein Name ist Livia. Rowan hat mich geschickt um dich abzuholen." 

„Ok, schön dich kennen zu lernen", erwiderte ich und folgte ihr durch ein Labyrinth von Fluren. 

„Livia, darf ich dich was fragen?" Und ohne auf ihre Antwort abzuwarten: "Was hat Rowan hier für eine Stellung? Es kommt mir vor als hätte sie die Macht über alle oder so? Ist sie der Chef hier?" 

Ich wollte das schon die ganze Zeit wissen, hatte mich aber nicht getraut Rowan zu fragen. 

„Nicht so ganz, sie ist die rechte Hand vom Boss, wenn du weißt was ich meine. Sie war eine der ersten die Projekt Life beigetreten ist und hat sich daher eine hohe Stellung erarbeitet. Ich hoffe ich werde auch mal so wie sie." 

„Wenn Rowan nicht der Boss ist, wer ist es dann?" 

„Das bin dann wohl ich", sagte eine Stimme hinter mir.

-HECTA 35-                                                  Agentin wider WillenTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang